Geschichten:Blaues Blut so rot im Darpat
Die als „Fehde von Wasserburg“ bekannte Auseinandersetzung zwischen den Vertretern des Adelsstandes nördlich und südlich des Darpats hat einen ersten blutigen Höhepunkt genommen: Die Baronin Zehta Elanar von Tikaris zu Wasserburg wurde am geschichtsträchtigen Darpatbogen erschlagen.
Perricum Manche sagen, dass die Taten und Untaten der Menschen auf sie zurückfallen; die einen erhalten die Rechnung der Götter auf den Waagschalen Rethons, die anderen erfahren der Götter Richtspruch zu Lebzeiten oder an deren Ende. Die Baronin von Wasserburg, die den Grund für die Fehde an den Ufern des Darpats geleiert hatte, wurde nun Opfer eben jener Fehde. Wie der Aventurische Bote berichtete (AB Nr. 121), nahm der Streit seinen Ablass in den Ausschreitungen auf der Handelsmesse zu Wasserburg, deren Eskalation man der Wasserburger Baronin anlastete. Jene, die keinen Hehl daraus machte, dass sie die Markgrafschaft in ihrer heutigen Form ablehnte und zu einer der führenden Köpfe der ›Alttreuen‹ geworden war – machte zur Verteidigung der nordperricumschen Händler keinen Finger krumm, woraufhin diesseits und jenseits das band zerrissen und die Fehde erklärt worden war: Erst wenn die Baronin ihren Schutzpflichten als Lehnsnehmerin wieder genügt und Sühnegeld für die getöteten und beraubten Händler gezahlt hätte, wollten die Fehdegegner die Unfehde erklären. Zerrissen war die Mark fortan zwischen den Fehdeparteien, der Markgraf sah sich genötigt einzugreifen und zuletzt hatte man den Bau einer Brücke begonnen, um die beiden Landesteile zu vereinen.
Es schien, als hätten das Machtwort des Markgrafen Rondrigan Paligan die Fehde von Wasserburg friedlich beigelegt. Doch das wären keine Perricumer, wenn sie in einem Kampf nicht bis zu seinem Ende gebracht hätten, um herauszufinden, wer denn der Stärkere sei! So scharet der Junker von Rabicum seine Getreuen um sich, um dem Bund der ›Alttreuen‹ und der Wasserburger Baronin zu Hilfe zu eilen, indem er die Junkerin von Quittenstein bei Perricum zu überfallen trachtete. Beide Truppen standen nahe Perricum einander gegenüber, als mit Fanfarenschall der Markgraf selbst auf dem Plan erschien, begleitet von schnellen Reitern, den Kampf Bruder gegen Schwester zu unterbinden. Und es gelang Rondrigan Paligan, die beiden Fehdenden von weiterem blutigen Streiten abzuhalten, so dass sie vom Felde zogen – der Junker von Rabicum gen Wasserburg zu seiner Verbündeten. Die Kunde aber verbreitete sich, dass der Markgraf geeilt war, um Frieden zu stiften, was ihm in Perricum – beiderseits des Darpats – Respekt verschaffte, den er zu erlangen noch immer bitter nötig hat.
Derweil aber zog die Wasserburger Baronin mit ihren Reisigen aus, den Gaulsfurter Junker zu überfallen, doch wurde dieser Plan gänzlich zunichte gemacht. Als der Junker von Rabicum auf die Truppe der Wasserburgerin stieß, da fand er sie samt und sonders tot, erschlagen am Ufer des Darpatbogens, das schon seit Jahrtausenden mit Blut getränkt wird. Die Baronin von Wasserburg lag bäuchlings im Wasser, und das Blut, das reichlich aus ihren Wunden rann, färbte den Darpat rot, der träge vorbeifloss.
Die Nachricht vom Tod der Baronin wurde in den Landen zwiespältig aufgenommen, doch die Brutalität, mit dem Frauen, Männer und Rösser hingeschlachtet wurden, erschreckt alle Parteien. Und auch wenn niemand dem Junker von Gaulsfurt nachweisen kann, dass er die Tat verbrochen, und nicht irgendwelche Wegelagerer oder Ferkinas, wie er behauptet, so stehen doch die Parteien von weiterem Kampfe in der Wasserburger Fehde ab. Als hätte der rote Darpat seine Anrainer daran gemahnt, wie bitter Schlachtenblut den Hiesigen schmeckt, ruhen die Waffen. Der Al’Haresh aber, der spirituelle Führer der Nebachoten in Perricum, verkündete, ihm sei ein Orakel erschienen, als der Fluss von blauem Blute rot gefärbt war: Blutig werde der Strom fließen, und immer blutiger, als bis eine Brücke von Herz zu Herzen gebaut und Frieden in die Häuser der Menschen und die Türme der Adligen eingekehrt sei.