Benutzer:Orknase/Briefspiel

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Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Drei Krähen und ein Räblein

Das, was war

Fürstentum Kosch, Baronie Birnbrosch, 24. Rahja 1041 [fertig]

Das, was ist

25. Rahja 1041

Da durchbrach der Schrei einer Krähe die Finsternis. Und mit ihr kam das Licht. Der Schatten erzitterte, bäumte sich auf. Die Krähe verharrte einen Augenblick über ihm. Dann stürzte sie sich auf ihn herab. Zerschmetterte ihn. Zerbarst ihn. Tausende funkelnde Splitter prasselten wie Hagelkörner auf Ailsa herab. Einen winzigen Augenblick noch schwebte die Gespensterkrähe über allem. Erhaben, mutig, stark. Dann stand da plötzlich ihre Schwester.

„Nurinai!“, entfuhr es ihr da, „Nurinai! Du?“

Sie half ihr auf die Beine.

„Lauf Ailsa!“, erwiderte diese nur, nahm sie bei der Hand und lief los, „Lauf!“

Sie liefen. Liefen durch die Finsternis. Nurinai vor ihr, sie dahinter. Die Geweihte lief um eine Ecke, Ailsa hinterher und...

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Sie fand sich in der Ruine wieder. Noch immer hörte sie den Knaben weinen, noch immer lief sie, bis sie in der großen Halle ankam. Dort stand eine Wiege. Es war die Wiege des Erben der Baronie Greifenpass. Sie erkannte die Schnitzereien des Boltansrodener Rabens, der Leuin und des Greifen auf ihr.

„Hast Du schlecht geträumt?“, fragte die Baronin mit weicher Stimme und nahm ihren Sohn aus der Wiege heraus. Der Knabe verstummte in ihren Armen augenblicklich. Sanft wiegte die Mutter ihr Kind in den Schlaf, summte ihm ein Schlaflied vor, bevor sie ihn zurück in sein Bettchen legte. Dann wandte sie sich Ailsa zu: „Oh Ailsa, meine Ailsa. Du bist mir so lieb und teuer wie eine Schwester, bist meine Freundin, meine Vertraute und daher sorge ich mich um Dich, um Deine Zukunft, um Dein Wohlergehen.“

„Du brauchst Dich nicht zu sorgen“, versuchte Ailsa sie zu beruhigen.

„Doch!“, erwiderte sie da nur und senkte geradezu resignierend ihren Kopf, „Doch, das muss ich, Ailsa, das muss ich, denn dieser Mann... dieser Mann, Ailsa, er kann Dein Aufstieg oder aber Dein Verderben sein. Er kann Dich alles kosten, Ailsa, einfach alles. Er kann Dich in das größte Unglück stürzen, das Du Dir vorstellen kannst, Dir alles nehmen, was Du hast, was Du bist und je sein wirst, vielleicht verlierst Du sogar Deinen Kopf.“

Sie hielt einen Moment inne.

„Doch er kann Dir auch zu Ehre und Macht verhelfen. Er kann Dir eine Welt eröffnen...“

[...]

Das, was sein wird

26. Rahja 1041 [folgt noch]

Das, was bleibt

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, 26. Rondra 1042

„Du hast sie auch wieder erkannt, nicht wahr?“, hörte sie Nurinais Stimme hinter sich.

Ailsa wandte sich nicht um, sondern blickte zum Horizont hinauf. In einer leuchtenden Sichel stand das Madamal da. „In meinem Traum...“, hob sie unerträglich langsam an, „...da war es voll und es lag... Schnee. Schnee auf den Mauern. Auf diesen Mauern.“

Nurinai nickte: „Ich hab es gleich erkannt, aber ich wollte nicht glauben...“

„Wie kann das sein?“, wisperte Ailsa da schaudernd, „Wie kann es sein, dass ich davon träume? Von dieser Ruine träume? Ich hab sie noch nie gesehen. Noch nie...“

„Er hat Dir einen Blick in die Zukunft gewährt, weiße Lilie. Du solltest Dich glücklich schätzen. Es sind wenige, denen Er diese Gunst zuteil werden lässt...“, Neid schwang in ihrer Stimme mit.

„Doch welche Zukunft hat er mir gezeigt?“, nun wandte sie sich zu ihrer Schwester um, „Meine eigene?“

Die Geweihte hielt dem Blick ihrer Schwester stand. „Ja und Nein. Die Ruine war eindeutig diese hier, aber das Kind dort in der Wiege...“, sie deutete irgendwo in die Dunkelheit hinein, „...war ohne Zweifel Aldiran.“

Ailsa schwieg.

„Und das Du von ihm träumst, ist wohl nur normal. Er ist ein Kind, noch dazu das Kind Deiner Freundin und Vertrauten und...“

„Sprich es nicht aus!“, schnitt ihr die Ritterin das Wort ab, „Ich will es nicht hören. Ich kann es nicht hören. Ich ertrage es einfach nicht. Wenn wir nicht darüber sprechen, dann können wir immer noch so tun, als wäre es nicht wahr, denn ich will nicht, dass es wahr ist...“

„Das kann aber keine Lösung sein...“

„Nur weil etwas nicht sein kann, darf es nicht sein, ja?“, würgte sie zornig hervor, „Außerdem war es nicht alles...“

„Was soll das heißen? Es war nicht alles?“

„Mein Traum ging weiter...“, fuhr Ailsa da mit zitternder Stimme fort und wandte sich wieder um, weil sie nicht wollte, dass ihre Schwester ihre Tränen sah, „Ich war wieder hier. Wieder stand dort die Wiege.“ Auch die deutete ins Halbdunkle hinüber. „Wieder lag ein Kind darin. Doch dieses mal... dieses mal, da... da war es nicht... nicht Aldiran, sondern... sondern ein Mädchen.“ Sie begann leise zu weinen. „Meine Tochter.“

„Aber... aber... aber das ist doch gut!“, erwiderte Nurinai feinfühlig, „Das ist doch...“

„Nichts ist gut!“, brüllte die Ritterin da plötzlich, dämpfte ihre Stimme jedoch gleich wieder, „Das... das... das ist doch nur wieder... wieder so... ein Trick, damit man wieder hofft und hofft und hofft. Und dabei auf etwas hofft, was nie geschehen wird. Nie! Nie...“

„Weil etwas nicht sein darf, was nicht sein kann?“

„Nein, weil etwas nicht sein kann, was nicht sein kann...“

Doch das Wichtigste verschwieg Ailsa ihrer Schwester: Er war auch da gewesen.

Totenstarr

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042

Totentanz

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042

Todesmutig

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Totgeboren

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen

Totenruhe

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Totenwacht

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Vorahnung

Ritterherrschaft Praiosborn, 13. Boron 1042

„Ich muss nachdenken“, Ailsa starrte auf die Brache hinaus - ödes Land, verkrüppelte Bäume, dürre Halme und dennoch war da etwas, was ihren Blick auf sich zog. Etwas, das sie nicht benennen hätte können. Etwas Unheimliches. Etwas Bedrohliches. Etwas Furchterregendes. Als würde dort draußen etwas herumschleichen. Da, irgendwo in der Ferne. Da, irgendwo in der Dämmerung.

„Es ist wegen dem Boten, nicht wahr?“, hob Nella zaghaft an, während ihre Schafe leise blökten und Beithir sich am grünen Gras gütlich tat. Vor geraumer Zeit hatte sie sich ungefragt neben Ailsa gesetzt und bis jetzt geschwiegen.

„Hat er denn keine guten Nachrichten von Schloss Sonnentor gebracht?“

Da schnaubte die Ritterin verächtlich. Das Streitross schaute kurz zu seiner Reiterin hinüber, wandte sich dann aber wieder seiner Mahlzeit zu. „So könnte man es sagen. Eine halbgute Nachricht ist halt immer auch eine halbschlechte. Aber... wie kommst du darauf?“

„In Praiosborn bleibt nichts Geheim“, Nella zuckte mit den Schultern, „Sagt meine Mutter.“

„Deine Mutter scheint eine kluge Frau zu sein“, erwiderte Ailsa ruhig, „Da frage ich mich nur, warum alles vor mir geheim bleibt...“

Dazu schwieg Nella und schaute etwas betreten dein, während die Reichsritterin erneut in die Brache hinaus starrte. Die Dämmerung schritt eilig voran.

„Was werdet Ihr jetzt tun, Frau Reichsritterin? Werdet Ihr bleiben?“

„Klar!“, erwiderte diese, „Den Triumph gönne ich euch nicht. Eher gehe ich elendig zugrunde.“

„Das ist gut...“, hob das Mädchen an, erkannte aber sogleich, dass ihre Worte falsch verstanden werden hätten können, „... also, dass Ihr nicht wieder gehen wollt. Ich finde es nämlich schön, dass Ihr da seid. Das ist gut.“

„Da scheinst du allerdings die Einzige zu sein...“

Nun starrten beide in die Brache hinaus. Die Schafe blökten leise.

„Weißt Du, was mich am meisten kränkt?“, platzte es da plötzlich aus Ailsa heraus. Beithir drehte die Ohren und lauschte einen Augenblick. „Es ist nicht etwa die Tatsache, dass sie mir nur die Hälfte der finanziellen Mittel zugestehen, die ich angefragt habe. Es ist die Tatsache, dass die da auf Schloss Sonnentor noch nicht einmal in der Lage sind sich meinen Namen zu merken!“ Sie holte Atem. „Die haben mich Alisa genannt! Alisa! Dabei heiße ich Ailsa! Ailsa! AILSA! Das ist doch wirklich nicht so schwer!“

„Albernische Namen sind aber auch schw...“

„Unsinn!“, schnitt Ailsa ihr das Wort ab, „Verfluchter Unsinn! Es reichte den hohen Herren wohl nicht mir ihre Herablassung alleine dadurch zu zeigen, dass sie mir nur die Hälfte der finanziellen Mittel zur Verfügung stellen! Nein, es musste noch ein bisschen mehr sein! Und was könnte es Schlimmeres geben, als...“

In einiger Entfernung stand im schummerigen Licht der Dämmerung der Hütehund und bellte wie verrückt die Brache an. Ailsa lief ein kalter Schauer den Rücken hinab. Bereits den ganzen Tag über hatte ihr linker kleiner Finger gejuckt oder viel mehr juckte das, was noch davon übrig war, denn seit dem Heerzug gegen Haffax fehlte ihr das letzte Fingerglied - ein Makel, den sie stets mit einem Handschuh verbarg - und an seine statt war ein untrüglicher Sinn für Gefahr getreten.

„Alrik!“, rief Nella energisch, „Alrik! Hör auf damit! Sei still!“

Ailsa stand auf, nahm ihre Orknase in die Hände und wies die junge Schäferin an: „Du bleibst hinter mir, hast du das verstanden? Da draußen ist etwas...“

Da verstummte der Hund urplötzlich. Es war still. Totenstill. Auch die Schafe waren still. Es war so still, dass Ailsa ihren eigenen Atem, ihren eigenen Herzschlag hören konnte. Ihre Kehle wurde trocken. Schweiß trat auf ihre Stirn. Jede Faser ihres Körpers spannte sich schmerzhaft an. Sie fühlte das Gewicht ihrer Orknase in ihren Händen.

Der Hund ging eingeschüchtert einige Schritte rückwärts. Presste sich auf den Boden. Ganz dicht auf dem Boden. Als wolle er darin versinken. Und er zitterte. Zitterte so sehr, dass selbst Ailsa es sehen konnte. Und ihr Atem ging schneller. Sie wartete. Und wartete. Und wartete. Doch es passierte nichts. Es wurde nur immer dunkler, sie wurde immer unruhiger und das Jucken in ihrem Finger wurde immer schlimmer.

Da brach etwas aus der Finsternis der Brache heraus. Etwas Großes. Etwas Dunkles. Etwas Knurrendes. Etwas Mächtiges. Es sprang auf den Hund zu, packte ihn und warf ihn herum. Schmerzerfüllt jaulte dieser, schlug mit einem dumpfen Knall auf den Boden auf und blieb liegen, während sein Angreifer weiter in das Lehen der Reichsritterin hinein lief. Und die Reichsritterin hinterher.

[Arbeitstitel]

Ritterherrschaft Praiosborn, 13. Boron 1042

Der helle Schrei eines Kindes hallte durch die Finsternis. Ailsa blieb stehen. Schaute sich um. Die Praiosscheibe war gerade vollständig hinter dem Horizont verschwunden und das wenige, noch verbliebene Licht würde ihm auch bald folgen.

„Scheiße“, entfuhr es der Albernierin da, „Nella. Nella!“

Sie lief. Lief zurück. So schnell sie konnte. Folgte den Schreien. Nellas Schreien. Sie schmeckte Blut. Der metallische Geschmack lag auf ihrer Zunge. Wie sie ihn hasste!

Nella kauerte auf dem Boden. Schluchzend. Weinend. Schreiend. Mit blutverschmierten Händen strich sie ihrem Hund zaghaft über den Kopf. Immer wieder und wieder. Ihre Tränen tropften auf ihren Begleiter herab, mischten sich mit dessen Blut. Aus den braunen Augen des Tieres war jeglicher Glanz und jegliche Wärme gewichen. Starr und ausdruckslos waren sie. Kalt und tot. Ailsa schluckte und ließ ihren Blick weiter an dem Tier herunter wandern. Weiter an Alrik herab: In seiner rechten Seite klaffte ein riesiges Loch. Die Rippen fehlten. Einfach herausgebissen. Das Rückgrat teilweise freigelegt. Das Weiß des Knochens geradezu unschuldig schimmernd. Dazwischen Blut und zerrissene Gedärme.

Ailsa fuhr sich mit ihrer Zunge über ihre trockenen Lippen. Der metallische Geschmack wurde unerträglich. Ihr Blick glitt gerade zu Nella, da hörte sie das Knurren zum ersten Mal. Sie wandte sich um. Blickte in die Finsternis. Glaubte einen dunklen Schatten zu sehen. Ein paar rötlich glimmender Augen. Ein erneutes Knurren. Dann bewegte sich die Kreatur. Der Schatten wurde schneller und schneller. Hatte Ailsa fixiert. Sie riss ihre Orknase zur Verteidigung nach oben und lief dem Schatten entgegen. Sie lief und lief. Machte sich für den ersten Schlag bereit. Den entscheidenden Schlag. Holte aus und… da traf etwas großes Graues das Untier mit voller Wucht von der Seite und schleuderte es unter schmerzerfülltem Jaulen in die Finsternis.

Ailsa riss es beinahe von den Füßen. Das Graue war so nahe gewesen. Sie hatte den Luftzug auf ihrer Haut gespürt. Sie kam zum Stehen. Versuchte auszumachen, was da gerade eben geschehen war. Rang um Atem. Um Fassung. Ihr Oknase noch immer in ihren Händen. In der Ferne ein grauer Schimmer. In der Ferne das rötliche Paar Augen. Dann ein Wiehern.

Beithir?“, wisperte Ailsa ein wenig ungläubig in die Dunkelheit hinein, die immer dichter zu werden schien. Wieder war da ein Knurren. Das Streitross schnaubte. Dann prallten zwei Körper aufeinander.

Beithir!“, rief die Ritterin ihr Pferd und befahl: „Maraigh!“

Und die Finsternis um sie herum wurde zunehmend dunkler. Sie eilte an die Seite von Nella und hoffte, dass die brachiale Gewalt ihres treuen Begleiters, das Untier tötete oder doch zumindest in die Flucht schlug. Mittlerweile war es so dunkel, dass sie nicht einmal mehr ihre eigene Hand vor Augen sehen konnte. Aber sie konnte die beiden Kontrahenten einen erbitterten Kampf führen hören. Und sie konnte nur hoffen, dass Beithir sich durchsetzte. Sie sprach ein stummes Stoßgebet.

Dazwischen hörte sie immer wieder Nella. Wie sie schluchzte. Wie sie weinte. Wie sie trauerte. „Das... das war...“, ihre Stimme brach, „... ein Wolf. Es war... ein Wolf.“

„Ein Wolf?“, fragte die Ritterin da ungläubig, „Das war doch... kein Wolf!“

„Doch!“, erwiderte Nella tonlos, „Doch! Ich hab’s genau ge...“

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Die restliche Nacht suchten die drei Schwester nach dem Untier, während Lorine Beithir zurück in das kleine Lager brachte und unter Lonáns Anleitung seine Wunden versorgte. Doch sie fanden es nicht. Fanden nur die Spuren, die es zurückgelassen hatte: Riesige Prankenabdrücke und seine Opfer. Mors fand sie alle. Mit ihrem geradezu unbeirrbaren Sinn für den Tod fand sie sie alle. Die gerissenen Schafe, denen das Biest die Bäuche aufgerissen hatte um an die Innereien und Organe zu gelangen und jene, die es wohl nur aus reinem Blutdurst angegriffen hatte.

Als die Praiosscheibe sich wieder zeigte, hatten sie alle 24 Tiere gefunden. Fünf waren da bereits tot gewesen, von manchen war nicht mehr als der Kopf und ein winziger Teil des Rückgrats übrig geblieben. Weitere sechs waren so schwer verletzt, dass es besser war, sie den anderen nachzuschicken. Um den Rest kümmert sich Nurinai so gut sie konnte, aber auch sie konnte keine Wunder vollbringen.

Die Bilanz erschreckte sie jedoch alle: Ausgerechnet dreizehn Tiere waren übrig geblieben...

Weder Wolf, noch Fuchs, noch Luchs

Ritterherrschaft Praiosborn, 14. Boron 1042

„Das war kein Wolf!“, erklärte Nurinai ihren Schwestern am Morgen, als sie endlich Zeit fand, das verwundete Streitross ihrer Schwester zu versorgen.

„Woher weißt Du das?“, wollte Ailsa wissen, die am Kopf ihres Streitrosses stand und den ein wenig bedröppelten Beithir mit Streicheleinheiten beruhigte. Nurinai hatte ihm etwas zur Beruhigung gegeben, nicht etwa, weil es das Tier kümmerte, wenn man seine Wunden nähen musste - da er sich nicht sonderlich gut mit anderen Pferden vertrug und es so auch schon mal zu kleinen Reibereien unter den Tieren kam, was meist mit der ein oder anderen Verletzung einherging, kannte er das und zuckte dabei nicht ein einziges mal - sondern damit er die Geweihte in seiner Gegenwart duldete. „Ich habe ein großes, graues Tier gesehen und Nella auch.“

„Ich kann nicht nur sagen, dass es kein Wolf war, sondern auch dass es kein Fuchs war und auch kein Luchs. Was auch immer das große Tier war, dass Du gesehen hast, es war nichts von den Dreien.“

„Und das weißt Du woher genau?“

„Es war kein Fuchs, denn der hat ein kleines Gebiss und tötet seine Beute mit vielen kleinen Bissen. Doch viele kleine Bisse haben wir nicht gesehen, folglich war es kein Fuchs“, führte sie weiter aus und begann die klaffende Wunde an der Hinterhand zu nähen. Die restlichen hatte sie bereits versorgt. Es war nicht so schlimm, auch wenn es danach aussah. Nurinai hatte schon weitaus Übleres gesehen. „Es war auch kein Wolf, denn der tötet mit einem Biss in die Kehle. Doch einen gezielten Biss in die Kehle haben wir nicht gesehen, folglich war es kein Wolf. Und es war auch kein Luchs, denn der tötet zwar auch mit einem gezielten Biss in die Kehle, tut dies aber noch viel präziser als der Wolf und da der Luchs zu den Katzen gehört, hätten wir die Spuren seiner spitzen Krallen sehen müssen. Doch wir haben weder einen gezielten Biss in die Kehle gesehen noch Krallenspuren, folglich war es auch kein Luchs.“

„Aber... aber wenn es kein Fuchs war, kein Wolf und auch kein Luchs, was war es denn dann?“, kam die Skladin mal wieder auf den springenden Punkt, während sie Nurinai eine ihrer Tinkturen anreichte, „Wenn Ailsa doch etwas großes Graues gesehen hat?“

„Aus der Ferne. Noch dazu bei Dämmerung. Noch dazu hast Du nur einen flüchtigen Blick auf das flüchtende Wesen erhascht. Unter solchen Umständen sieht Vieles groß und grau aus, vermutlich sogar das Meiste.“

„Und was war es dann?“, wollte Ailsa erneut wissen.

„Wenn Du mich fragst und das tust Du: Was immer auch die Schafe und den Hund gerissen hat, es kam aus der Brache.“

Einen Moment war es still. Totenstill.

„Aber... aber... warum erzählt Nella dann, dass es ein Wolf gewesen sei?“, regte sich Widerstand in der Ritterin.

„Hast Du in ihr Gesicht gesehen, als sie das gesagt hat?“, fragte Nurinai.

„Die hat mich überhaupt nicht angesehen, sondern nur Alrik, außerdem hast war es plötzlich stockfinster.“

„Glaubst Du sie hätte Dich angesehen, wenn es nicht stockfinster gewesen wäre?“

„Hm, ich glaube nicht.“

„So. Und was glaubst Du, warum hat sie Dich nicht angesehen?“

„Weil sie Dir nicht ins Gesicht lügen konnte“, stellte Scanlail fest, „Das Mädchen hat an uns nämlich einen Narren gefressen...“

„Und ihr an dem Mädchen“, mischte sich Lonán ein, der gerade dabei war das Frühmahl vorzubereiten, auch wenn niemand so recht Hunger hatte. Ihnen allen klebte dieser widerwärtige metallische Geruch am Gaumen.

„... und wir an dem Mädchen“, stimmte die Skaldin zu.

„Aber wenn sie an uns einen Narren gefressen hat, warum sollte sie dann lügen?“

„Weil sie da drinn hängt!“, schloss Scanlail, „Sie und alle anderen hier auch, oder warum glaubst Du redet keiner von denen? Nicht einmal Nurinai vertrauen sie sich an, nicht einmal einer Geweihten! Stattdessen schweigen sie oder sie lügen. Und das hat nur einen einzigen Grund: Hier läuft irgendetwas. Irgendetwas verdammt Schmutziges. Irgendetwas verdammt Verbotenes. Irgendetwas, dass einen Praioten vermutlich dazu veranlassen würde einen großen Scheiterhaufen zu machen und alle Deine Untertanen darauf zu verbrennen.“

Einen Moment schwiegen sie alle.

„Hat Dein Finger wieder geschmerzt?“, wollte die Geweihte wissen.

„Welcher?“

„Na welchen wird unsere Stimme der Vernunft wohl meinen?“, mischte sich nun die Skaldin wieder ein, „Natürlich den, den Du dir abgehackt hast!“

„Ich habe ihn mir nicht abgehackt, ich habe...“, protestierte die Ritterin, wurder aber sogleich von der Geweihten unterbrochen: „Nur damit das klar ist, das nächste Mal, wenn Du Dir irgendeine Deiner Gliedmaßen abhackst, ganz gleich welche, werde ich Dir nicht mehr helfen!“

„Ach, hör auf Dinge zu versprechen, die Du nicht halten kannst”, wiegelte die Skaldin ab und erntete von Nurinai einen bösen Blick, „Was? Wenn's doch wahr ist!“

„Ich habe ihn mir nicht abgehackt!”, beharrte unterdessen Ailsa, „Außerdem fehlt mir nur das letzte Fingerglied!“

„Ja, ja, meinetwegen. Also hat er wieder geschmerzt?“

Die Ritterin nickte.

„Und da zweifelst Du noch daran, dass es etwas Niederhöllisches war?“

Blasius und Baduar

Iwo und Iwana

Krähen im Maul des Greifen