Benutzer:Bega/Briefspiel in Perricum

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Eine Knappin für einen Knappen

Markgrafenpalast

Markgrafenpalast, Reichsstadt Perricum, Anfang Rahja 1041 BF:

Es hatte sich doch als schwieriger herausgestellt die Kutsche von Dergelmund in die Reichsstadt zu überführen als gedacht. Die Schiffer stellten sich mitunter so ungeschickt und tölpelhaft an, dass Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor schon befürchten musste, sein edles Gefährt würde Bekanntschaft mit dem Darpat machen. So vertrieb sich der Reichsvogt der Gerbaldsmark die Zeit in den Korallengärten der Stadt. An seiner Seite sein treuer Sekretär Romelio und seine beiden Knappen Salix und Tolmario, sowie Ramin, der Sohn seiner Base. Tawil blieb derweil bei der Kutsche und auch die beiden Mädchen Irisa und Xanjida wollten unbedingt zuschauen wie sie vom Flusskahn an Land gebracht werden sollte.

Reto und seine Entourage waren nach den Feierlichkeiten der der Eheschließung zwischen den zwei Kaisereichen über die neuerdings recht gut ausgebaute Zackenlander Landstraße von Rommilys nach Dergelmund gereist. Während ihrer Reise machten sie Station in Knoppsberg, Gluckenhang und Bergthann. Beim unverkrampften Plausch mit den jeweiligen Baronen und Vögten konnte die Reisegruppe so einiges über diesen Landstrich erfahren, der im Umbruch begriffen war. Die Zackenlander Familien hatten sich nach Korgonds Erscheinen vielerorts ihrer garetischen Wurzeln besonnen und strebten nun mehr zum restlichen Perricum und Garetien. Die Wunden der vor 13 Götterläufen zusammengefügten Markgrafschaft schienen zumindest an dieser Stelle zu heilen. Das Land wuchs mehr und mehr zusammen. Die südlichen Zackenlande hatten dabei durchaus ihren rustikalen Charme, wie zumindedt Ramin empfand. Nur der Wein, der Wein der hier mitunter gekeltert wurde, war doch arg gewöhnungsbedürftig. Da bevorzugte er doch den wohlbekannten Perricumer Roten aus dem Wall.

Als Tawil und die Mädchen schließlich mit der Kutsche angefahren kamen, führte der Weg der Gruppe schnurstracks in Richtung Markgrafenpalast. Die Stadtresidenz von Markgraf Rondrigan Paligan war wie gewöhnlich zu dieser Jahreszeit nahezu verwaist. Der Hausherr weilte eh am reisenden Kaiserhof und die Höflinge zogen das weitläufige, mit vielen Gärten umgebende Schloss Perringrund vor den Toren der Reichststadt vor. So sah man dieser Tage hauptsächlich emsige Schreiber und Archivare in der markgräflichen Stadtresidenz.

Eine überraschende Bekanntschaft machte die Gruppe dann aber doch. In einen der schier endlos langen Flure kam ihnen Baronin Serima von Hengefeldt entgegen. Begleitet wurde diese von ihrem ersten Hausritter Wyndor von Erlenbruch, ihrer Knappin Firene von Dornhag und ihrer Zofe Trautwina. Reto und Serima waren seit dem Spendenzug für die Ostmarken gut miteinander bekannt und so gestaltete sich die Begrüßung ungemein herzlich. Die hohen Herrschaften tauschten ein wenig höfisches Palaver aus und Reto lud die Baronin zu einer Feierlichkeit am Abend im Alcazaba Aimar-Gor ein. Serima bedankte sich höflich, ließ aber ihr Erscheinen offen.

Vor den Amtsräumen des Seneschalls – der auch seine Räumlichkeiten in Perringrund vorzog, aber auf einem Treffen hier im Palast bestand – hielt Reto seine Entourage an hier zu warten. Einzig Romelio, Ramin und natürlich Xanjida sollten ihn begleiten.

Die Begrüßung der beiden Herren war freundlich, aber ohne jede Umschweife. Ramin beobachtete mit Falkenaugen die Szenerie. Hier trafen zwei Männer der großen Politik aufeinander, da konnte er nur von lernen. Die Unterhaltung war kurz, aber prägnant. Xanjida von Sanzerfort, Tochter von Retos Vetter Gerwulf von Gareth, wurde hiermit der Verantwortung des Seneschalls, an des Markgrafen statt, überstellt. Ihre offizielle Einführung bei Hofe würde sie in wenigen Tagen auf Schloss Perringrund haben. Dann war das Gespräch auch schon zu Ende. Das war alles? Mehr gab es nicht zu sagen? Ramin war irritiert, ließ sich aber nichts anmerken. Er spürte etwas zwischen den beiden Männern, doch konnte er es nicht wirklich greifen. War es Abneigung? Missgunst? Oder doch was anderes?

So verließen die Gäste aus Garetien den Markgrafenpalast weitaus schneller als zumindest Ramin gedacht hätte.

Alcazaba Zolipantessa

Alcazaba Zolipantessa

Als nächstes hielt die schwarze Kutsche vor dem Alcazaba Zolipantessa. Reto bestand darauf, Reichsvögtin Sarina von Zolipantessa ohne Begleitung aufzusuchen. Ramin wies er an, mit den anderen die Schreibstube des Ratshauses aufzusuchen. Die dortige Leiterin war Retos Tante Amalia. Diese würde bestimmt kleine Erfrischungen und Gebäck bereithalten.

So war es dann auch. In der Schreibstube herrschte gespenstige Ruhe. Die Horde von Schreibern, Kopisten und Zuträgern arbeitete still an ihren Plätzen. Hin und wieder huschten Boten durch die große Schreibstube. Amalia von Palmyr-Donas war eine alternde Frau mit strengen Gesichtszügen. Sie war spindeldürr und trug hochgeschlossene Kleidung. Ihre Schreibstube war am anderen Ende des großen Raumes. Ramin mochte die Frau, seine angeheiratete Großtante, nicht besonders. Sie war viel zu humorlos und den Freuden des Lebens zu sehr abgeneigt. Daher beschloss er, sich dem jungen Tolmario zuzuwenden. Der schüchterne Junge würde wohl etwas Zeit brauchen um warm mit seinem neuen Umfeld zu werden, aber Zeit hatten sie nun ja. Salix kauerte unterdessen gelangweilt in einer Ecke rum, während Irisa neugierig zwischen den beschäftigten, oder vielmehr beschäftigt aussehenden Schreibern hin und her huschte. Tawil versuchte sich hingegen mit Zitronenwasser und aranischen Gebäck die Zeit zu vertrieben.

Geschlagene zwei Stundengläser später kam Reto wieder. Das Vier-Augen-Gespräch mit der Reichsvögtin schien erfolgreich gewesen zu sein. Zumindest wirkte Reto zufrieden.

Alcazaba Aimar-Gor

Alcazaba Aimar-Gor

Nach dem für die meisten doch eher ernüchternden Besuch im Alcazaba Zolipantessa sollte nun der Müßiggang wieder im Vordergrund stehen. Irisa, Romelio und Salix waren schon total aufgeregt auf die abendlichen Feierlichkeiten im Alcazaba Aimar-Gor. Auch Tawil konnte seine Vorfreude kaum verbergen, sollte es doch seine erste dieser Art sein. Reto hatte dem Eslamsgrunder schon vieles von der perricumer Art Feierlichkeiten zu begehen erzählt. Alles war irgendwie ungezwungener als in der Kaisermark, oder gar in Eslamsgrund.

Die herrschaftliche Residenz des Hauses Aimar-Gor befand sich im Villenviertel der Stadt. Ramin war hier schon oft gewesen – in seiner Jugend oder auch später – um die Annehmlichkeiten der Reichsstadt mit all ihre Verlockungen auszukosten. Doch noch nie hatte er eine Festivität seiner Base Charlyn beigewohnt.

Alcazaba Aimar-Gor war eine Stadtvilla im eslamidischen Stil. Die Fassade war verschnörkelt und bunte Steine sorgten für ein heiter farbenfrohes Bild. Zwei Türme flankierten den Bau zu beiden Seiten. Ramins Großvater Shulak hatte das Anwesen 1003 BF kurz nach seiner Ernennung zum gräflichen Seneschall erworben und aufwendig umbauen lassen. Seit dessen Tod 1031 BF diente es als Stadtresidenz der Mitglieder seines Hauses.

Nach dem Haffax-Feldzug bezog Ramins Base Charlyn mitsamt Gemahl und vier Kindern das herrschaftliche Gemäuer. Ramin empfand seine Base schon immer als etwas extravagant. Schüchternheit und Zurückhaltung waren nicht das ihre, wenn sie den Raum betrat wollte sie Aufmerksamkeit und im Mittelpunkt stehen. Im Gegensatz zu Ramin wuchs sie in der Reichsstadt auf. Die politisch Heikle Zeit um den berüchtigten Tag der Schande verbrachte Charlyn mit ihrer Familie im Garetischen. Doch sollte ihre Rückkehr nach dem Ende des Erzverräters um so glanzvoller werden. Ihre Bälle und Empfänge machten sie schnell zu einer der großen Damen der Stadt. Ihre enge Verbindung zur neuen Reichsvögtin und der Gesellschaft der Pfauen taten ihr übriges.

Seit seiner Zeit in Dürsten-Darrenfurt war Ramin nicht mehr in der Reichsstadt gewesen und so freute er sich sehr auf das Wiedersehen mit seiner Base. So kam die schwarze Kutsche vor der schmucken Treppe zum stehen, die in den Eingangsbereich führte. Sogleich schwirrte eine Vielzahl von Dienern herbei um beim Aussteigen behilflich zu sein und um das Gepäck entgegenzunehmen.

Das Innere der Residenz war wie ein Traum aus den Tulamidenlanden. Der Duft von frischer Minze und Lavendel umhüllte Ramin, durchmischt durch die herrlichen Aromen von Arangen und Zimt. Tulamidische Teppiche zierten die Wände und allerorten luden verschnörkelt gearbeitete Diwane und ausladende Sitzkissen zum Verweilen ein. Sehr ansehnliche Diener und Dienerinnen in körperbetonten, seidenen Gewändern brachten sogleich Wein, Datteln und weitere kulinarische Kostbarkeiten. Sanfte Klänge von Laute und Zither ließen alle Anspannung von Ramin abfallen. Die eindringlichen Melodien der Schalmeien wirkten schon fast beschwörerisch auf seinen Geist.

Die Festivitäten in diesem Hause waren eine Besonderheit und ein jeder der was auch sich hielt, begehrte Einlass. Doch es war nur den wirklich Reichen und Mächtigen der Stadt - und ihrer Protegés - vergönnt sich zu dem erlesenen Kreis der Eingeladenen zu zählen. In einer der zahlreichen Nischen erkannte Ramin die Ratsherrin Pernilla von Zolipantessa im angeregten Plausch mit der Patrizierin Aldessia Barûn-Bari und der Stadtadligen Vilthina von Rauleu. Mochte dies auch eine elitäre Feierlichkeit sein, so war die Frage wer reich und mächtig war weniger eine des Standes. Einträchtig sah Ramin hier Adelige, Patrizier und Händler Wasserpfeife rauchen – wie etwa Ginaya von Alxertis, Alsinthe Barûn-Bari und Abethine Schöllingh - mochten sie auch noch so verschieden sein. Was sie einte war ihre Abgrenzung vom einfachen Pöbel. Doch war die zur Schau gestellte Eintracht nichts als glitzernde Fassade, denn hinter den feinen Gewändern aus edlen Stoffen und den Schwaden der süßlichen Duftwässerchen, war es das Streben eines jeden einzelnen, mächtiger und reicher zu sein als sein Gegenüber.

Bezeichnend für das 'neue Perricum' war die Anwesenheit von Ratsherrin Oleana Silbaran. Das undurchsichtige, opulent mit dem teuersten Schmuck ausstaffierte Oberhaupt der Bankiersfamilie war nach dem Haffax-Einfall in den Stadtrat aufgestiegen. Welch Wunder, denn viele, auch aus den oberen Schichten, verloren in oder nach der Besetzung der Stadt ihr Vermögen – und wollten dennoch den Schein waren. Es schien Ramin, als gäbe es in der Stadt nur zwei Zeitrechnungen, 'vor Haffax' und 'nach Haffax'. Das 'während Haffax' versuchte ein jeder für sich auszublenden – und für die anderen zu vertuschen wenn die Weste nicht so rein war wie man vorgab.

Im Zorganer Salon trafen die Weitgereisten schließlich auf den Gemahl der Gastgeberin, Astaran von Pfiffenstock. Dieser lauschte gerade, in freundschaftlicher Umarmung mit dem erhabenen Rashdan ay Ronissagam umschlungen, den Klängen eines Schlangenbeschwörers. Der adrette und wohlgestaltete Nebachote begrüßte Reto mit einem freundlichen Nicken und lud mit einer Handbewegung zum Verweilen ein. Tawil, Tolmario und Irisa kamen dieser Einladung auch fasziniert nach. Daheim in der Kaisermark bekamen sie so etwas nicht oft zu Gesicht.

Reto, Romelio, Salix und Ramin lockten unterdessen die rhythmischen Laute einer Vielzahl von Trommeln in den Anchopaler Salon. Die begeisterten Besucher folgten wie gebannt den Darbietungen des Säbeltänzers Harunjan aus dem Tempel der Morgenröte. Ramin war erstaunt und fasziniert von den Fertigkeiten des Tulamiden. Doch, er was nicht nur zum Vergnügen hier, er wollte lernen, die Augen offen zu halten. So sah er den Vorsteher des Rahjatempels Rahjan von Turatal im vertrauten Gespräch mit der ambitionierten Hesinde-Geweihten Argelia Irmina Schöllingh und der stellvertretenden Akademieleiterin der Schule der Austreibung Selara Moriani. Ja, solch Feierlichkeiten der hohen Gesellschaft dienten auch um offene wie geheime Absprachen zu treffen. Zu gerne wüsste Ramin, über was die drei hohen Herrschaften sich gerade austauschten. Einer der rahjagefälligen Diener trat an Reto heran und reichte ihm ein gefaltetes Pergament. Der Reichsvogt der Gerbaldsmark überflog die Zeilen und empfahl sich dann sogleich.

Da Romelio seine Augen nicht vom Säbeltänzer lassen konnte, schlenderte Ramin alleine in den Khunchomer Salon weiter. Dort erblickte er voller Freude die Gastgeberin des Abends. Charlyn – in einem edlen Gewandt aus leichter Seide gehüllt, das ihre grazile Gestalt umspielte – schritt in Begleitung von Reichsvögtin Sarina von Zolipantessa und der Salondame Mithrida Barûn-Bari auf Ramin zu. Beide begrüßten sich innig, während die Reichsvögtin nur kurz nickte. Charlyn bedachte Ramin mit einem verschmitzten Lächeln – dann zog sie auch schon weiter und ließ ihren Vetter etwas verdutzt zurück. Sicherlich würde es später die Gelegenheit geben mit ihr zu sprechen, hoffte Ramin.

Um ein wenig Luft zu schnappen zog es Ramin in den Gorischen Garten, einem pittoresken Steingarten, der, auch wenn der Name etwas anderes vermuten ließ, vor Blumen und Blüten nur so strotzte. Dort erblickte er an zwei Säulen Baronin Serima von Hengefeldt. Wie es schien, hatte sie Retos Einladung angenommen. Die Baronin wirkte, als ob sie auf irgendjemand warten würde. Ramin sollte Recht behalten, denn ein stattlicher Herr näherte sich der Baronin. Sollte er hier etwa Zeuge eine hochbrisanten Stelldicheins werden? Ramin hielt seinen Atem an, diese Anspannung war kaum zu halten. Als er den Herren erkannte, musste er fast vor Lachen losprusten, doch hielt er sich die Hand vor seinen Mund. Es war Reto! Nun gut, dachte er sich, die holde Rahja war wohl nicht Patin dieser Zusammenkunft. Hatte das Gespräch mit der geheimen Nachricht zu tun, die die Knappin der Hengefeldt Salix zugesteckt hatte? Nach einer kurzen Unterredung verabschiedete sich Reto bei der Baronin wieder. Ramins Blicke folgten seinem großen Vorbild. Der Reichsvogt der Gerbaldsmark blickte sich suchend um und fand schließlich sein Ziel in zwei adretten Herren mittleren Alters in Paradeuniform der Perlenmeerflotte. Es handelte sich um Konteradmiral Fedor von Zolipantessa und ein weiterer hoher Angehöriger des Flottenstabes, Kapitän Jaldrak von Sanzerforst.

Ramin wäre gerne näher herangeschlichen, doch merkte er urplötzlich den heißen Atem einer Person hinter sich. Als er sich hektisch umdrehte, tauchte er in smaragdgrüne Augen. Der schlanke Körper des sehr rahjagefälligen jungen Mannes mit den scharf-zügigen Gesicht verlor sich in Ramins Armen. Nun war die Zeit gekommen, den Abend zu genießen - geheime Botschaften und mysteriöse Treffen hin oder her.

Schloss Reichsgarten

Schloss Reichsgarten, Landjunkertum Reichsgard, Mitte Rahja 1041 BF:

Es war für Ramin immer etwas besonderes seine Tante in ihrem Palast zu besuchen. Die weitläufige Anlage thronte auf einem Felsrücken oberhalb des Marktes Reichsgard. Von hier hatte man einen atemberaubenden Blick über die schier endlosen Weiten des Perlenmeeres. Sulamith hatte sich hier ein Kleinod geschaffen, entsprungen wie aus einem Traum aus fernen Ländern. Auch wenn er selber noch nie in der alten Heimat seiner Familie war, so stellte er sie sich vor. Die Zwölfgöttlichen Paradiese konnten nicht schöner sein.

Auf der Reise von der Reichsstadt hierher hatte die Gruppe Station im Marschenhof gemacht. Dort residierte nunmehr die Schwester des Markgrafen, Maia von Perricum, mit ihrem Hof. Die Audienz bei der Landvögtin verlief äußerst unterhaltsam, um nicht zu sagen, es war eine großes Spektakel. Eine Vielzahl von Gauklern, Schaustellern und Musikanten wetteiferten um die Gunst des Publikums. Die Höflinge versuchten sich mit den beeindruckendsten Tanzdarbietungen zu überbieten. Die Räumlichkeiten waren prachtvoll hergerichtet und erstrahlten in den schönsten Farben – als hätte hier die liebliche Tsa persönlich gewirkt. Noch nie hatte Ramin einen Ort gesehen, der so sehr von der ewig Jungen und ihren göttlichen Geschwistern Rahja und Hesinde gleichermaßen geküsst worden war. Der eigentliche Grund für den Besuch verlief dann durchaus emotional. Mit sichtbar wässrigen Augen übergab die Landvögtin ihren Sohn Etilian in die Obhut von Reto. Dieser hatte die Aufgabe den Jungen an den Hof von Gerwulf von Gareth zu geleiten, wo er fortan an Knappe dienen sollte.

Die wenigen Meilen von Marschenhof bis Reichsgarten waren wie im Fluge vergangen. Hier konnte sich nun jeder dem Müßiggang und der Zerstreuung hingeben. Reto und Sulamith ließen sich in der kleinen Pagode mit besten Blick aus Perlenmeer nieder. Romelio, Salix, Tolmario und Toran lauschten gebannt den ausschweifenden Erzählungen von Meister Menning, während Isira Zeit mit ihrer Schwester verbrachte. Tawil bestaunte mit Etilian unterdessen den Pfauengarten mit dem riesigen Pfauenmosaik.

Ramin hingegen war Müßiggang noch nicht vergönnt. Sulamith schickte ihn mit einem Bündel voller Pergamenten nach Reichsgard. Es sollte diese dem Marktvogt aushändigen.


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Wenig erbaut schlenderte Ramin nun durch die Straßen der größten Siedlung des nördlichen Herdentors. Viel lieber hätte er die vielfältig gebotenen Möglichkeiten der Zerstreuung im Palast genossen.

Reichsgard war sehr garetisch, wie Ramin empfand. Der neue, vergleichsweise junge Marktflecken war von einem früheren Baron am Reißbrett geplant worden. So waren die Straßen gerade, gepflastert und überaus sauber. Dafür sorgten kleine, künstlich angelegte Rinnen, die den Unrat der Bewohner in den Gold von Perricum spülten. Die Häuser waren adrett hergerichtet und mit Verzierungen und Blumen geschmückt. Steinerne Gebäude mit Spitzdach, oder welche aus Fachwerk prägten das Ortsbild. Eine Besonderheit waren die vielen, architektonisch oft opulent gestalteten Badehäuser.

Am Marktplatz angekommen, stand er vor der pittoresken Residenz des Marktvogtes. Hier bin ich richtig, dachte sich Ramin. Im Amtszimmer angekommen stand ein athletisch gebauter Mann Ende 30 vor ihm. Seine Gesichtszüge und die gebräunte Haut erinnerten an einen Aranier, doch seine Kleidung war die eines raulschen Ratsherren.

„Ah Ihr müsst der Neffe der Landjunkerin sein.“ Der Mann mit den rehbraunen Augen und dem schwarzen, kurzen Haaren erhob sich und reichte Ramin seine Hand zum Gruß. „Mein Name ist Rashan Feqzaïl. Meine Herrin berichtete mir von Eurem erscheinen – doch verschwieg sie mir welch rahjagefällige Schönheit Euch innewohnt.“

Ramin lächelte milde ob des Kompliments und reichte dem Ratsherren ein Bündel Unterlagen. „Meine Tante ist stets sehr überlegt, welche Informationen sie preisgibt.“

„Hahaha, ja da habt Ihr recht.“ Rashdan nahm die Unterlagen entgegen und legte sie auf seinem Schreibtisch ab. „Ich freue mich immer von Eurer Tante zu hören, auch wenn dies Arbeit für mich bedeutet. Doch genug Arbeit für heute.“ Der Ratsherr knöpfte seine Gewandung auf, entledigte sich seiner unbequemen Ratsherrenkleidung und schlüpfte in etwas Leichtes südperricumer Machart. Ramin sah ihm dabei genussvoll zu.

„Begleitet Ihr mich ins Badehaus? Dann könnt Ihr mir von Euren Reisen erzählen und ich Euch von meinen auch so aufregenden Leben als Ratsherr.“ Rashan blinzelte seinen Gegenüber an und natürlich nahm Ramin diese Einladung nur allzu gerne an.

„Aber vor möchte ich Euch noch was zeigen.“ Der Ratsherr tat betont geheimnisvoll und ließ Ramin ratlos zurück.


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So schlenderten die beiden wenig später die leicht abschüssige Hauptstraße vom Marktplatz Richtung Hafen entlang. Es war vielmehr eine von Schatten spendenden Bäumen gesäumte, mit hochwertigen Steinen gepflasterte, Allee. An beiden Seiten der Allee spülten Rinnen den Unrat der Straßen ins Meer. Welch Wunder, dass Reichsgard als einer der saubersten Orte der Markgrafschaft galt.

Am Hafen angekommen, führte sie ihr Weg zu einer kleinen Werft. Vor dem Rumpf eines halbfertigen Schiffes blieben die beiden stehen.

„Mit Verlaub, warum zeigt Ihr mir ein unfertiges Schiff?“ Ramin wusste nicht wirklich warum er hier war.

„Schaut Euch das Schiff genau an“, beschwor Rashdan seinen jungen Gast. Doch Ramin konnte nichts entdecken. „Der Name des Schiffes!“, löste der Vogt schließlich die Spannung auf. „Wie heißt das Schiff?“

„Eorcaïdos“, stellte Ramin erstaunt fest. „Meine Tante hat ein Schiff in Auftrag gegeben … warum sollte sie das tun?“

„Eine Perlenmeer-Karavelle neuster Machart, schnell, wendig und mit Geschützen bewaffnet“, referierte Rashan. „Es ist einiges im Gange innerhalb der altaranischen Familien … kürzlich waren Vertreter meiner Familie und der Barûn-Bari hier um mit Sulamith die Fortschritte zu begutachten.“

„Feqzaïl … Barûn-Bari … Aimar-Gor“, murmelte Ramin so vor sich her.

„Ja, die gefallenen Granden des alten Aranien“, führte Rashan den Gedanken seines Gegenübers weiter.

„Es scheint so eine Art Pakt der Eorcaïdos zu geben. Alles dreht sich auf irgendeine Weise um diese Schiff. Doch weiß ich nicht worum es geht. Es kann kein Zufall sein … kurz nach dem Treffen wurden die großen Pläne für den Ausbau des hiesigen Hafens auf unbestimmte Zeit verschoben.“

„Womöglich als Zugeständnis an die Barûn-Bari, denen als Ratsgesandte das nahe Pelkhafen untersteht“, kombinierte Ramin.

„Sehr richtig, Ihr kennt Euch gut aus.“ Anerkennung schwang in der Stimme des Ratsherren mit. „Es kann auch kein Zufall sein, dass ich von Eurer Tante angewiesen wurde, den Neubau des Kontors meiner Familie mit 'größtmöglicher Unterstützung' zu begleiten. Auch wurden meiner Familie weitreichende Handelsprivilegien gestattet.“

„Somit wäre auch klar, was die Feqzaïl von diesem Pakt haben … bleibt nur noch die Frage, was will mein Haus?“ Ramin schaute fragend zu Rashan.

„Das ist die große Frage. Alles nahm vermutlich seinen Lauf als die große Dame Eures Hauses hier in Perricum weilte.“

„Rymiona!“

„Ja, kurz danach wurde ich zum neuen Ratsherren und Marktvogt von Reichsgard berufen.“ Rashan schaute seinen Gegenüber tief in die Augen. „Seither ist viel passiert … so wurde Euer Haus vom aranischen Mhaharanyat rehabilitiert.“

„Die altaranischen Häuser schließen ihre Reihen“, murmelte Ramin, seine Gedanken schweiften weit aus. „Ja, das mag sein, doch ändert das nichts an unserer Lage, da unsere ehemaligen Besitztümer nicht mehr im Herrschaftsgebiet des Mhaharanyat liegen.“

„Bleibt immer noch die Frage, was das Haus Aimar-Gor vor hat.“ Der ernste Unterton machte bei den folgenden Worten einer koketten Leichtigkeit Platz. „Das können wir jetzt nicht beantworten. Ich führe Euch jetzt wie versprochen ins Badehaus. Möge die holde Rahja unser Herz erleichtern.“

Rashia'Hal

Rashia'Hal, Markgrafschaft Perricum, Ende Rahja 1041 BF:

Die schwarze Kutsche, auf deren Seiten der roter Aranische Malmer auf Weiß prangerte, kam mit einer Handvoll Reitern vor dem Tempel der lieblichen Rahja zum stehen. Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor, sein Sekretär Romelio und seine beiden Knappen Salix und Tolmario schälten sich sichtlich erleichtert aus dem Gefährt. Hinter ihnen stiegen die beiden Ritter Tawil und Ramin von ihren Pferden. Die junge Pagin Isira, die sich natürlich nicht nehmen lassen hatte mit den Rittern und Gardisten zu reiten, tat es ihnen gleich. Dabei lag etwas Wehmut in den Augen des jungen Mädchens, denn früher hatte sie all die Späße mit Xanjida zusammen erleben können. Doch diese verweilte nun am Markgrafenhof und es würde eine Ewigkeit dauern, bis sich die beiden wieder sehen würden. Mit diesem einfältigen Etilian konnte sie nichts anfangen.

Vor dem Tempel wartete bereits die Geweihte Rashane von Waraqis mit der Novizin Canyreith auf die Ankommenden. Freudig schloss Reto seine Nichte in seine Arme. Ihr letztes Aufeinandertreffen war schon etwas länger her.

„Lass dich ansehen, mein liebes Kind, was bist du groß geworden“, staunte Reto.

„Den starken Willen hat sie auch immer noch“, lächelte Rashane.

'Ganz die Mutter', dachte sich Romelio im Stillen.

„Es freut mich euch hier in Rahjas Garten begrüßen zu dürfen.Tretet herein und lasst eure Sorgen draußen.“ Mit einem Augenzwinkern für Rashane fort. „Ach, bevor ich es vergesse, ihr werdet schon sehnsüchtig erwartet.“

„Onkel Reto“, brabbelte Canyreith aufgeregt drauf los, „Sharbana ist dir aus Wasserburg extra entgegen gereist.“

„Ach Liebes, jetzt hast du die Überraschung verdorben.“ Rashane lächelte das junge Mädchen an. Ihr konnte man einfach nicht böse sein. „Aber, Sharbana steht seit kurzem dem heiligen Haus der Rahja in Drosselau vor.“

„Welch freudige Überraschung“, erwiderte Reto erfreut.

„Da ist sie auch schon … und sie ist nicht alleine.“

Aus einem Nebengang trat ein älterer Herr, der sich bei der bildschönen Rahja-Geweihten und einem jungen, nicht weniger schönen Mann eingehakt hatte.

„Mishan!“, platzte es aus Reto heraus. „Du hier? Wobei, das hätte ich mir eigentlich denken können.“

Der Angesprochenen erwiderte ebenso erfreut. „Mein Junge, es war mir als wäre es gestern, als ich just hier deine liebe Mutter traf.“ Der junge Mann stellte sich als Shahîn von Waraqis vor und war der Enkel des Araniers. Ramin und Romelio gleichermaßen waren sogleich Feuer und Flamme für den Geweihten, dessen muskulöser Körper sich in deinem engen, seidenen Gewandt abzeichnete, während Reto Sharbana mit einer innigen Umarmung begrüßte. „Lasst uns nun die Bäder aufsuchen und uns an den Segnungen der lieblichen Rahja erfreuen.“ Mit diesen Worten schritt Sharbana voran. „Es gibt so viele Neuigkeiten die ich dir unbedingt erzählen muss.“

„Meine Lieben, entspannt und kostet von den Gaben der Schönen!“ Rashane lächelte vielsagend. „Später dann, wenn Körper und Geist wieder eins sind, wird die holde Yarasha sich unserer heiteren Runde anschließen. Anschließend erwartet euch Mutter Ayalind zum Mahle.“

„Hab Dank für die Gastfreundschaft im Namen der lieblichen Schwestern!“ Reto deutete eine Verbeugung an.

Ramin hatte diese Worte schon gar nicht mehr vernommen. Wie gebannt ruhte sein Blick aus Shahîn. Er würde die Zeit hier in vollen Zügen genießen, markierte sie doch das Ende der gemeinsamen Reise. Reto und die Seinen würden in den nächsten Tage zurück in die Kaisermark aufbrechen und er wurde wieder in Dürsten-Darrenfurt erwartet. Er freute sich darauf, auf seinen Dienstherren, den er auch seinen Freund nannte und natürlich auf Hamedan. Aber etwas Wehmut schlich sich in seine Gedanken. Er genoss die Ausflüge auf das große politische Parkett immer sehr. Darüber war er Reto sehr dankbar und hoffte inständig, dass dieser ihn bald wieder mitnehmen würde. Hatte er nicht von irgendwelchen Feierlichkeiten in Punin gesprochen?“


Autor: Bega

Abberufen

Schloss Darrenfurt, Baronie Dürsten-Darrenfurt, Boron 1042 BF:

Nandrian von Altmark saß an seinem Schreibtisch und sah die Korrespondenz des Barons durch. Bittsteller, Gratulanten, Schmeichler – der junge Baron von Dürsten-Darrenfurt wurde umgarnt und das nicht zu knapp.

Der unscheinbare Meister der Schreibstube überflog die Briefe und ordnete sie penibel nach Wichtigkeit. Der Baron hasste es mit Kleinigkeiten belästigt zu werden. Ein gesiegelter Brief fiel ihm dabei ins Auge – es war das Siegel von der Junkerin von Darren-Ulah, der Tante des Barons. Nandrian überflog die Zeilen immer und immer wieder, denn so richtig glauben mochte er den Inhalt nicht.

In diesem Moment stürmte der Baron mit seinen beiden Hausrittern Ramin und Hamedan herein. Alle drei wirkten ausgelassen, geradezu neckisch. Bestimmt kamen sie gerade von ihrem morgendlichen Ausritt zurück. Und ja, die schmutzige Kleidung der der jungen Männer bestätigte seine Annahme.

„Ist das nicht ein wunderschöner Morgen?“ Thorondir breitete die Arme aus und strahlte über das ganze Gesicht.“

„Ja, es gibt nichts schöneres als den Tag mit einem wilden Ausritt zu beginnen“, stimmte Hamedan mit ein, während Ramin zustimmend nickte.

„Ah mein guter Nandrian, wie immer schon fleißig.“ Thorondirs Blick fiel auf die Stapel auf dem Schreibtisch.

„Ich habe Eure Korrespondenz wie immer nach Wichtigkeit geordnet“, antwortete der Schreiberling pflichtbewusst. „Dieses Schriftstück dürfte Euch besonders interessieren.“ Nandrian übergab dem Baron das Schreiben von dessen Tante.

„Ah, was will meine verehrte Tante denn nun wieder?“ Die Worte des Barons hatten einen deutlich ironischen Unterton.

„Kurz gesagt, sie bittet um Entlassung von ihren Ämtern als Zeugmeisterin und Hofkaplanin, sowie der Entbindung von ihren Pflichten als Junkerin von Darren-Ulah.“

Ramin schaute ungläubig erst zu Hamedan und dann zu Throndir. „Sie will was? Nach all den Scherereien dir wir darum hatten?“

„Was ist ihre Begründung?“, wollte Hamedan wissen.

„Der Ruf ihrer Kirche. Die Leuin schickt sie in den Sturmwächter-Tempel in den Wall. Zur Einkehr und Besinnung auf die Tugenden Rondras, wie es heißt. Weltliche Ämter wären in diesen Zeiten nur Ballast den es sich zu entledigen gilt.“ Nandrian schaute in die Runde.

„Aber sie hat doch so für weltlichen Einfluss hier gekämpft – auch gegen dich Thorondir.“ Hamedan konnte es immer noch nicht glauben.

„Ja und sie hat verloren und sich davon nie erholt.“, fügte Ramin hinzu.

„Dann kam noch der Sternenfall, Haffax … .“

„Mein Herr“, der Meister der Schreibstube räusperte sich, „nun ist es an Euch einen neuen Junker für das nun vakante Lehen Eurer Tante zu berufen. Ihre Kinder kommen nicht in Frage, da das eine tot und das andere ebenfalls im Schoß der Kirche verbleiben soll. Wenn ich einen Denkanstoß geben darf, Viburn von Aarenhaupt verwaltet das Lehen bereits erfolgreich seit Jahren an Eurer Tantes statt.“

„Ja, der Aarenhaupt, ein loyaler Mann.“, murmelte Thorondir vor sich hin und die aufmüpfige sog. Liga würde es auch beruhigen, dachte er kurz. „Ein guter … Denkanstoß … mein guter Nandrian. Doch ich habe mich bereits anders entschieden. Ramin, hiermit ernenne ich dich zum neuen Junker von Darren-Ulah. Knie nieder und leiste mir den Eid!“

Der Angesprochene blickte seinen Herren beinahe erschrocken mit großen Augen an und fiel sogleich ergeben vor ihm auf die Knie.


Autor: Bega

Im Tal der Pferde

Ort: Baronie Herdentor

Zeitleiste wichtige Ereignisse

  • Anfang Praios 1041 BF - Martok beim Turnier in Gareth
  • Praios 1041 BF - Wulfhelm und die Familie regeln hinter den Kulissen Verlobungen etc.
  • Praios/Rondra 1041 BF - Entführung Darian von Brendiltal durch den Korbrunner (öffentliche Bekanntwerdung erst gegen Boron)
  • Ende Travia 1041 BF - Martoks Prozession und "Erleuchtung".
  • Anfang Boron 1041 BF - Beginnende Krise in Herdentor, wegen "Abwesenheit" Martoks, laute Ansprüchen Darians, Aurels und Irians II. auf Herdentor
  • Ende Boron 1041 BF - Treffen der Frauen in Haselhain (Bündnisse werden angegangen)
  • Mitte/Ende Hesinde 1041 BF - Tod Wulfhelm von Sturmfels
  • Ende Hesinde 1041 BF - Irian II. von Brendiltal muss Handeln und setzt einen Brief auf (an wen? Sulamith?)
  • Ende Hesinde 1041 BF - Herdentorer Hof ist gelähmt, Sebarin rasselt mit den Säbeln und die aranische Brut lächzt (Roschane zieht sich zurück?)
  • Ende Hesinde 1041 BF - Ein Treffen in Dreitempelhof wird organisiert.
  • Anfang Firun 1041 BF - Treffen in Dreitempelhof? (Sulamith, Mara, Roschane)
  • Ende Tsa 1041 BF - Dreitempler-Orden wird gegründet
  • Mitte/Ende Peraine 1041 BF - Kollegseröffnung und Malmerzusammenkunft

Sonnendämmerung

Gerüchte am Markgrafenhof

Schloss Perringrund, Sitz des Markgräflichen Hofes zu Perricum, Anfang Tsa 1041 BF:

Die weitreichenden Stallungen für die Reittiere der Höflinge waren wie immer in einen sehr guten Zustand. So, als würde eine Inspektion des Markgrafen persönlich anstehen. Aber so war Brendtil von Turatal, der Stallmeister von Schloss Perringrund. Er liebte 'seine' Pferde und hegte und pflegte sie wo er nur konnte. Das wusste auch Irian von Brendiltal nur allzu gut.

Der 30 Sommer zählende Nebachote mit Glatze und Dreitagebart schlenderte den langen Gang des Stalls entlang. Rechts und links von Pferdeboxen gesäumt. In einen der Boxen fand er schließlich den Stallmeister.

„Brendil, alter Freund, natürlich finde ich dich hier.“ Die Begrüßung der beiden ungleichen Nebachoten fiel freundlich aus. Beide kannten sich schon seit vielen Jahren, sahen sich aber denkbar selten dieser Tage. „Da ich weiß wie sehr du auf Rösser stehst, habe ich keine Kosten und Mühen gescheut und dir das hier mitgebracht.“ Irian übergab dem Stallmeister ein paar Skripte.

„Ah über die Zucht der Shadif, hab Dank!“, entgegnete Brendil sichtlich erfreut. „Ich schau gleich mal nach meiner Geldkatz.“

„Ach wo, nicht nötig“, winkte Irian gönnerhaft ab, „ist ein Geschenk.“

„Wie komme ich denn zu der Ehre?“ fragte der Stallmeister etwas überrascht.

„Für einen alten Freund, denn diese sind unserer Tage kostbar.“ Irian lächelte breit. „Erzähle mir vom Leben am Hof. Ich bekomme doch in der Abgeschiedenheit Sebarins nicht wirklich was mit.“

„Du weißt doch ich schwere mich nicht um die Spielereien der Hofschranzen.“ Brendil griff wieder zu seiner Schaufel um den Pferdemist aufzusammeln.

„Na, irgendwas wirst du doch bestimmt gehört haben, mein Freund!“ Das Grinsen Irians verhärtete sich zu einer Fratze.

„Die alte Misha aus der Küche hat mir erzählt, dass bald eine hochadlige Knappin aus dem Garetischen eintreffen soll.“

„So?“

„Ja eine aus dem Kaiserhaus … ne aus Maraskan oder so. Eine Sanzerforst. Sie soll wohl gut reiten können.“

„Davon bin ich überzeugt.“ In Irians Augen blitze unaussprechliche Gier auf. „Aber das ist für mich nicht weiter wichtig. Was hast du noch gehört? Was zu Brendiltal … ich meine Herdentor?“ Irian spie die letzten Worte förmlich aus.

„Ah, du meinst die Verblendung des großen Martok. Man ist am Hof nicht glücklich über die neusten Entwicklungen … nun da auch noch der alte Sturmfels zu Boron gefahren ist.“

„Ja ja, die Martok-Linie hat sich als unfähig erwiesen den Norden Brendiltals zu beherrschen. Es wird Zeit das zu ändern, sonst reißt Eslams Hure noch unsere ganze Familie mit in den Abgrund.“

„Der Markgraf wird schon das richtige tun“, antwortete der Stallmeister lakonisch und schippte weiter fleißig Pferdescheiße.

„Ja sicher, der Markgraf … .“

Als der Stallmeister das nächste Mal aufblickte, war sein Gesprächspartner bereits verschwunden.


Autor: Bega



Drei Frauen in Dreitempelhof

Dorf Dreitempelhof, Baronie Herdentor, Anfang Tsa 1041 BF:

Der Ort bildete in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit in der Markgrafschaft. Zum einen, weil es keine gewöhnliche Siedlung war, sondern vielmehr eine Art kleine Tempelstadt der drei lieblichen Schwestern, dem wohl nur Rashia'Hal das Wasser reichen konnte. Zum anderen, war das Fehlen von Leibeigenen bemerkenswert. Einzig freie Bauern und Handwerker lebten hier und bewirtschafteten ihr eigenes, oder das vom Tempel gepachtete Land. Die Bewohner waren freundlich, Fremden gegenüber aufgeschlossen und fleißig. Die Güte der göttlichen Schwestern stand ihnen zu Gesicht geschrieben, wie die anderen Herdentorer über die Dreitempelhofer zu sagen pflegten.

An einem Tage im Firun begab es sich, dass drei Frauen edlen Geblüts den Tempelkomplex betraten. Die Erste, vorsichtig, gar ängstlich im Gang, schritt durch die Halle der gütigen Peraine; die Zweite, schwungvoll und entschlossen, durchquerte die Halle der lieblichen Rahja; während die Dritte erhaben und stolz, die Halle der Tsa in Richtung des zentralen Kuppelgewölbes durchschritt. Eine jede edle Dame hielt vor dem jeweiligen Altären der drei Göttinnen inne und die ein oder andere mochte ein kurzes Gebet gesprochen haben.

Vor dem Altar der ewig wandelbaren Tsa kamen die drei Frauen schließlich zusammen.

„Warum bin ich hier?“, die schneidige Stimme Sulamiths durchbrach die Stille.

„Herdentor steht am Scheideweg. Mein Sohn wird auf absehbare Zeit nicht aus Praiseneck zurückkehren. Mein Vater ist tot. Unsere Feinde stehen bereit uns zu zerfleischen.“ Maras Stimme wirkte ernst.

„Ihr habt Angst um Eure Macht“, Sulamith funkelte die Baronsmutter vielsagend an. „Ihr habt Angst, das der Sebariner Eure Enkel abschlachtet, nun, da Eurer Sohn 'indisponiert' ist.“ Bei den Worten zuckte Roschane unwillkürlich zusammen.

„Wer sagt Euch denn, dass ich nicht auch den Sturz Eures Blutes will?“, fügte Sulamith kalt lächelnd hinzu.

„Der Sebariner wird auch vor Euch nicht haltmachen, wenn er erst mal meine Kinder … .“ Roschanes leise Stimme erstickte förmlich an den ausgesprochenen Worten. Der Gedanke war zu grausam.

„Der Sebariner ist ein größeres Übel für Euch und das ist Euch auch klar.“ Die Stimme Maras klang fester und durchdringlicher als von Sulamith erwartet.

„Angenommen ich würde nicht auch Euren Sturz wollen – zumindest jetzt nicht - was schlagt Ihr mir vor?“

„Lasst uns gemeinsam, wie die drei lieblichen Schwestern, zusammenstehen und Herdentor vor dem Untergang verteidigen.“ Maras Worte klangen beschwörend.

„Ganz selbstlos? Wie die lieblichen Schwestern?“ Sulamiths klang fordernd.

„Ihr bekommt meinen Sohn!“, platze es aus Roschane heraus, während sich Sulamith und Mara überrascht anschauten. „Das Haus Aimar-Gor wird die Gemahlin des Thronfolgers stellen und somit weitreichenden Einfluss auf die Geschicke Herdentors nehmen können.“

„Ihr bietet mir Euren Sohn um an der Macht zu bleiben – welch sonderbare Wendung. Doch ist dies nur die Offerte der Pfiffenstock, wie stehen die stürmischen Brendiltal zu dem Vorschlag?“ Wie eine Spinne im Netz lag Sulamith auf der Lauer.

„So wie es Roschane sagt!“ Maras Stimme klang bestimmt. „Yaron wird eine Aimar-Gor ehelichen und Euch die Türen zu mehr Macht öffnen.“

„Nun, verehrte Damen, dann werden wir wohl nun zusammen für das Wohl Herdentors streiten. Die Einzelheiten unserer Abmachung werden wir dann an einem weniger öffentlichen Ort festlegen.“ Sulamith blickte zufrieden in die Gesichter der beiden anderen Damen. Auch Roschane wirkte erleichtert. Doch Mara beschlich das dumpfe Gefühl, soeben das Ende ihrer Blutlinie besiegelt zu haben, doch hatte sie keine andere Wahl. Sie würde versuchen den Griff des aranischen Malmers nicht zu fest werden zu lassen.

So verließ eine jede der edlen Damen den Tempel wieder und der Bund der drei Frauen von Dreitempelhof war somit geschlossen.


Autor: Bega

Schwarze Audienz in Altentreu

Wehrschloss Altentreu, Baronie Sebarin, Peraine 1041 BF:

Irian schritt mit Shelkor die langen, dunklen Gänge entlang. Sein Herz überschlug sich nahezu, denn Baron Al'Arik hatte in den Thronsaal geladen um etwas zu den neusten Entwicklungen in Herdentor kundzutun.

Der Thronsaal, bewacht von zwei Kriegern der Zwillingsblutgardisten, war eingetauscht in diffuses, rötliches Licht. Die dunklen, fast schwarzen Wände spiegelten die kriegerische, Furcht einflößende Atmosphäre wieder, die für die Herrschaft von Korbaron Al'Arik so kennzeichnend war. Die meisten Anwesenden waren hochgerüstet, vereinzelt fanden Übungskämpfe mit dem Säbel oder mit den baren Fäusten statt. Das Gegröle nebachotischen Krieger erfüllte den ganzen Thronsaal.

Am hinteren Ende des martialisch anmutenden Saals, saß Baron Al'Arik auf seinem Thron, der eigentlich mehr eine große Kisseninsel mit ausladender Lehne war. An seiner Seite sein Sohn und Erbe Tar, sowie Hofkaplan Radamir Ralasodt. In gebührenden Abstand hatte der Hofherold Fesalon von Waraqis Aufstellung bezogen. Kastellan Halimon von Zoll und Schatzmeister Raschadan Zifara hielten sich im Hintergrund auf.

Mit Leidenschaft und Blutgier in den Augen verfolgte der Baron die Kämpfe seiner Krieger. Jeder Blutspritzer schien ihm eine korgefällige Freude zu sein. Doch als er genug von dem Treiben hatte, erhob er seinen rechte Faust und der Saal tauchte unmittelbar in eine nahezu greifbare Stille. Dem Gott des Blutes gefällige neunmal pochte der Korgeweihte mit seinem schwarzen Ritualspeer, der Kors heilige Waffe Razhashthar symbolisierte, auf den Steinboden. Gebannt versammelten sich Irian und Shelkor zu den anderen Kriegern vor dem Thron ihres Herrschers.

„Der Bastard des Nordens ist gefallen“, erhob der Baron mit kehliger Stimme das Wort, „mag er in den Augen seiner raulschen Kriecher auch noch am Leben sein, für uns Sohne Nebachots ist der tot.“

Unbändiger Jubel brach aus.

„Der Herr der Schlachten hat sich von dem Bastard abgewendet und ihm den ehrenhaften Tod in der Schlacht verwehrt. Es gibt keine größere Schande!“

Wieder kannte der Jubel keine Grenzen.

„Der gnadenlose Herr gebiete uns, diesen Unwerten aus den Annalen unseres Volkes zu tilgen. Niemals soll sein Name Einzug in unsere heilige Halle der Ahnen finden.“

Die geifernde Menge überschlug sich nahezu.

„Wir werden durch das Blut des Weibes waten, das sich anmaßt im Namen der einst ehrwürdigen Beshir a Danal zu sprechen.“

Der Schmerz über die Worte des Barons von Sebarin saß tief. Doch hatte er Recht, nunmehr war es Eslams Hure die die Fäden seiner Familie zog.

„An meinem Hof weilt einer der letzten ehrenhaften Beshir a Danal und es ist nun an der Zeit das wir ihm die Ehre zukommen lassen die ihm durch sein Blut gebührt. Auf das er den Söhnen Nebachots auf dem Thron des Tals der Pferde wieder zu neuer Glorie verhelfen werde. Aus diesem Grunde werde ich diesem stolzen Beshir a Danal meine Nichte zur Frau geben. Unser vereintes Blut wird in den altehrwürdigen Mauern von Besh hassal Ammay shar herrschen, von jetzt bis immer da!“

Irian nahm die ihn anstarrende, grölende Menge nicht mehr wahr. Er fühlte sich tief beglückt über die Ehrerbietung, die ihm durch Al'Arik zuteil wurde.

Kor gefällige neunmal pochte der Geweihte des Blutigen mit seinem schwarzen Speer auf den Boden und das zweiflügelige Tor öffnete sich. Irian und Shelkor schauten irritiert nach hinten und hörten dumpf die Worte des Heroldes.

„Kor gibt euch D'arian han Beshir'a Danal, Enkel des große Eslam und zukünftiger Herrscher des Tals der Pferde.“

Irian glaubte zu taumeln. Darian? Der Sohn des Säufers Aurel? Welch Schmach. Shelkor führte den innerlich brodelnden Irian schnellstmöglich aus dem Thronsaal, doch Irians Kampfgeist war geweckt, er würde sich nicht von einem achtjährigen Jungen um den ihm zustehenden Thron bringen. Niemals!


Autor: Bega

Begegnungen in Marschenhof

Gut Marschenhof, Sitz des Markgräflichen Hofes zu Perricum, Peraine1041 BF:

Die Gästeschah sammelte sich in der prunkvollen Eingangshalle des Marschenhofes. Statuen und so manches Kleinod aus verschiedenen historischen Epochen Perricums säumten die Halle. Ein großes Wandmosaik zeigte eine silberne Krone auf schwarzem Grund und verdeutlichte den Anwesenden wer hier das Sagen hatte – das Haus Paligan.

Landvögtin Maia von Perricum lud nun schon zum zweiten Male den Adel der Perrinmarschen und der näheren Umgebung zum 'fröhlichen Feste zur Huldigung des neugeborenen Frühlings'. Auch Sulamith Eorcaïdos von Aimar-Gor war aus dem benachbarten Reichsgard angereist und mit ihr ihre kopfstarke Entourage. So begleiteten die Landjunkerin ihre beiden Hofdamen Yaela von Rabenstock und Mira von Waraqis, sowie ihre Zofe Yandora von Zolipantessa. Auch der alternde Gelehrte Menning Barûn-Bari, sein Schüler Toran und der Gesellschafter Cassim von Agur waren mit von der Partie. Möchte der Hof der Landvögtin auch kein Ort für nüchterne Karrieristen sein - denn Maia umgab sich viel lieber mit Künstlern, Musikanten und Poeten – so schien es Sulamith angebracht zu sein das Umfeld der Schwester des Markgrafen im Auge zu behalten. Denn man konnte es drehen und wenden wie man mochte, Maia war allein schon ob ihrer Geburt und ihrer Stellung eine der einflussreichsten Adligen der Kulturlande. Dafür verließ sogar Sulamith die Bequemlichkeiten ihres Palastes – zumal er nur wenige Meilen vom Marschenhof entfernt lag.

Wie erwartet waren alle üblichen Verdächtigen angereist. Junker Welferich von Rabicum, Junkerin Drigelfa von Quittenstein, beide in gegenseitiger Abneigung zueinander vereint, würdigten sich keines Blickes. Leodane von Firunslicht-Bleichkraut war in Vertretung ihres am Arvepass weilenden Gemahls aus Matlakur angereist. Junkerin Samaria von Efferdsand hielt wie gewohnt mit festen Blick die ganze Szenerie im Auge, stets bereit jeden aufkommenden Zwist schon im Keim zu ersticken. Die Edlen Astaran von Pfiffenstock und Riman von Greifenwacht hielten sich derweil im Hintergrund. Auch waren Vertreter der Familie Zackenberg und des darpatischen Hauses Sturmfels zugegen – ein bemerkenswertes Detail am Rande, wie Sulamith empfand. Des weiteren waren erstaunlich viele Niederadlige anwesend, deren Familien von den Paligans profitiert hatten.

Das Stimmengewirr ebbte schlagartig ab als die Hausherrin in fließenden Bewegungen die imposante, freitragende Treppe hinab schritt. Die alterslos hübsche Landvögtin wurde dabei von zwei ihrer Hausritter – dem Rosenritter Holdwin von Drosselpfort, der auch gleichzeitig ihr Liebhaber war, und dem Lilienritter Leto von Sandern – sowie ihrem Sohn Etilian begleitet. Auf halber Höhe hielt Maia von Perricum inne und begrüßte die Anwesenden in ausschweifenden und blumigen Worten. Nach der Begrüßung zog es Sulamith und die ihren in den weitläufigen Park. Allerorten spielten Musikanten, zeigten Gaukler und andere Künstler ihr Können und versuchten die Gäste der Landvögtin bestmöglich zu unterhalten. Poeten trugen ihre Verse vor und hier und da trafen sich Gelehrten zum philosophischen Austausch.

So suchte ein jeder nach seiner Art der Unterhaltung. Meister Mennig und der junge Toran mischten sich sogleich unter das gebildetere Adelsvolk und suchten so nach Hesinde gefälliger Zerstreuung, während sich Cassim in einem anregenden Plausch mit der hiesigen Kämmerin Ranara von Efferdsand wiederfand. Sulamith beobachte derweil die Szenerie bis ihr Blick an einer Person hängenblieb die sie hier nicht erwartet hatte. Auch Mira schien ebenso überrascht wie irritiert.

„Herrin ist das dort drüben nicht … .“

„Ja, Irian von Brendiltal“, beendete Sulamith den Satz ihre Hofdame.

„Ich dachte der wäre im Exil in Sebarin da er sich doch mit dem Bastard-Baron überworfen hatte.“

„Der Bastard sitzt verblendet in Praiseneck, keiner hat mehr Angst vor ihm. Daher traut sich jetzt auch diese Ratte von Irian aus ihrem Loch.“ Verachtung lag in der Stimme der Aimar-Gor. Mira konnte jedoch nicht deuten ob die Martok oder Irian galt – oder gar beiden.

„Wer ist dieser junge Mann neben ihm?“

„Der junge Marix.“

„Die gefallenen Al'Anfaner?“

„Die mögen zwar ihren Ratssitz verloren haben, aber unterschätze sie nicht mein Kind.“

„Oh der Brendiltaler schaut zu uns herüber und er … nickt grüßend mit dem Kopf. Was will der?“

„Irgendwelche Spielereien der Sebariner, das soll uns nicht weiter kümmern.“ Sulamith wandte sich ab und der Hoflieferantin aus dem Handelshaus Feqzaïl zu „Ah Ayla meine Gute, schön dich zu sehen, wie laufen die Geschäfte?“

„Meine beste Sulamith, für unsereins ist es hier wie in Phex alveranischer Schatzkammer. Die Höflinge gieren nach Luxus.“ Die Stimme der Händlerin mit der prägnanten Hakennase und der asketischen Gestalt überschlug sich förmlich.

„Was wohl auch die Anwesenheit des Silbaran aus der Reichsstadt erklärt“, Sulamith schmunzelte vielsagend. „Welch gegenseitig befruchtende Verbindung ihr doch eingegangen seid.“

„Woher die hohen Herren ihr Gold haben, soll mit einerlei sei – ob nun selber verdient oder von meinem Gemahl geliehen. Die Hauptsache ist, sie geben es bei mir aus und sorgen so für volle Auftragsbücher.“

Die Damen lachten und Sulamith befahl ihrer Zofe Wein zu holen. Anders als die Aimar-Gor hatten die Feqzaïl ihr Heil nach der Abspaltung Araniens im Bürgertum gesucht und waren zu wohlhabenden Händlern aufgestiegen. Damals wie heute galten sie als enge Verbündete ihres Hauses. Diese Treue zählte für Suamith viel.

Nachdem die beiden Damen mit besten Raschtulswaller Roten zusammen angestoßen hatten, trat Aleandra von Palmyr-Donas an Sulamith heran. Die junge Zofe der Landvögtin übergab ihr ein zusammengefaltetes Pergament.

„Verzeiht, dies soll ich Euch aushändigen.“

Sulamith nahm das Pergament entgegen und entfaltete es, nur um es wenige Augenblicke wieder zusammenzufalten. Es war von Irian von Brendiltal.


Autor: Bega

Aussichten in Salinehr

Burg Salinehr, Baronie Sebarin, Peraine 1041 BF:

„Warum hast du mich hier hoch gezerrt?“, schnaufte Shelkor von Kollberg hörbar außer Atem.

„Die Aussicht, mein Freund, die Aussicht!“ Irian von Brendiltal grinste seinen Kumpanen breit an. „Seh dort drüben, das ist Besh hassal Ammay shar, mein zukünftiges Zuhause.“

„Das ist doch schon Herdentor, oder nicht?“, fragte Shelkor unwissend. Er war noch nicht lange in Sebarin und kannte sich mit den hiesigen Verhältnissen nicht gut aus. Doch er lernte schnell. So wusste er bereits, dass Brendiltal nicht gleich Brendiltal war. Die Familie war stark zersplittert, deren einzelne Fraktionen sich untereinander abgrundtief hassten. So gab es da die Linie Brendiltal-Sturmfels, oder Bastard-Linie, wie sie Irian verächtlich nannte. Diese hatte unter der Führung von Eslams Bastard-Sohn Martok die Macht in Nord-Brendiltal, dem heutigen Herdentor, ergriffen. Niemand von Eslams leiblichen Kindern oder Enkeln konnten sich den Machtanspruch Martoks widersetzen. Raul war tot, sein Sohn und Erbe verschollen und Aurel ein Säufer. Die anderen beiden Brendiltal-Junker Hadilan und Remus hielten sich bedeckt und verfolgten ihre eigenen Pläne. Einzig Irian forderte lauthals die Würde des Familienoberhauptes und den Baronsreif von Herdentor für sich. Doch Martok konnte sich auch Dank seiner Garde an der Macht halten. Nun aber war Martok verblendet, die Macht der seinen zerfiel zusehends. Shelkor ahnte, dass Irian nun seine Zeit für gekommen sah.

„Ja, bald schon werde ich in Eslams Palast herrschen, seine Hure wird meine niederste Sklavin sein und sie wird mit ansehen wie ich ihre ach so teuren Enkel als Zielscheibe für meine Schießübungen missbrauchen werde.“

„Noch hat Eslams Hure die Zügel in der Hand wie mir scheint. Die Pfiffenstock und die Aranische Spinne scheinen ihr zu folgen.“ Shelkor zückte mit den Achseln.

„Pah, diese Hure erdreistet sich im Namen meines Blutes zu sprechen“, Irian spie die Worte förmlich aus. Die kündeten von tiefsitzenden Hass. „Die stolzen Nebachoten der Erblande meiner Familie werden ihr niemals folgen. Jetzt, wo Martok gefallen und in Praios heiliger Kloake vor sich hin darbt, ist die Zeit gekommen gegen die Bastarde auf dem Thron aufzubegehren und sie in die Salzschächte der Salzberge zu werfen.“

„Wie willst du das erreichen?“ Shelkor wusste nur zu gut aus eigener Erfahrung, was es bedeutete gegen die Obrigkeit vorzugehen. Nach seinem gescheiterten Putschversuch in Weißbarûn hatten er und seine Familie alles verloren und mussten fliehen. Zuflucht erhielten die Kollberger in Sebarin – wie auch Irian.

„Die stolzen Turatal werden mir folgen und wenn der verstockte Remus endlich zu Boron gefahren ist, wird Omar ihm als Junker folgen. Auch er wird sich mir anschließen.“

„Bleiben immer noch die Fir'Enock – und die immer mächtiger werdende Aranische Spinne von Reichsgard.“ Shelkor schien nicht überzeugt

„Unsere Brüder vom Stamm der Ammayin haben ihre Wurzeln verraten. Auch sie werden nun von einer Frau beherrscht und lassen sich herumkommandieren wie Tiere.“ Tiefe Verachtung lag in den Worten Irians. „Was die Aranische Spinne angeht, da habe ich vorgesorgt. Ich habe etwas was sie will.“

„Wie meinst du das?“

„Wir hatten neulich bei dieser furchtbaren Feierlichkeit im Marschenhof eine aufschlussreiche Unterredung. Sie ist gewillt Eslams Hure zu verraten - sie hat mir sogar die Hand dieser Aimar-Göre Nedime angeboten. Ha, die Alte frisst mir aus der Hand und sobald ich habe was ich will, zerquetsche ich sie mitsamt ihres Netzes.“

„Unterschätze die Aranier nicht“, mahnte Shelkor, „besonders nicht diejenigen, die nach der Aranischen Unabhängigkeit alles verloren hatten. Sie sind hinterhältig, ihnen ist nicht zu trauen. Das gilt im Besonderen für die Spinne von Reichsgard.“

„Ich werde mit diesem Aranischen Abschaum schon umzugehen wissen.“ Irians Blicke glitt nun wieder sehnsüchtig in Richtung Herdentor. „Dort mein Freund liegt unsere Zukunft und jeder der sich mir in den Weg stellt werde ich vernichten!“

Die Entschlossenheit in Irians Stimme beeindruckte sogar Shelkor.


Autor: Bega

Im Tal der Lieblichen Schwestern

Ort: Baronie Hengefeldt