Geschichten:Ruhe in Perricum
Das Schwert der Schwerter, die gräfliche Regentin und der Graf von Perricum beraten gemeinsam
Marschall von Mühlingen visitiert das Land - Hohe Strafen über zwei garetische Barone verhängt
Nach den blutigen Unruhen der letzten Wochen wurde der Frieden in der Grafschaft Perricum wieder hergestellt. Obgleich eine Hand voll heldenhafter Recken mithilfe der Landrichterin Perricums die Volksaufwiegler unschädlich machten, bleiben die Verhältnisse in der Grafschaft verworren: Die Erhabene Ayla von Schattengrund trifft sich in Perricum mit der gräflichen Regentin Rimiona Paligan und dem jungen Grafen Rondrigan von Perricum zu einer umfassenden Unterredung. Marschall von Mühlingen sieht sich indes gezwungen, bis auf Weiteres mit seiner Leibschwadron in der verwüsteten Grafschaft zu patrouillieren.
Vom Ende des Aufstands
Kurz nachdem der Initiator des Aufstandes – der Träger eines alten korgeweihten Artefaktes - zu Fall gebracht worden war, sammelte sich unter dem Banner des Königreiches ein großes berittenes Aufgebot, das sich aus den kurz zuvor noch zerstrittenen Volksgruppen Perricums zusammensetzte. Wie man von den Einheimischen vernehmen konnte, soll der Träger der garetischen Standarte, wo immer man seiner ansichtig wurde, weitere Kämpfer gefunden haben, die überraschend vom Bruderkampf abließen um ihm zu folgen. Den verlässlichsten Aussagen zufolge sollen die Schwadronen über den Darpat gen Arvepass gezogen sein, um den dortigen, schwer angeschlagenen Truppen Entsatz zu bringen. Dazu die Berichte einiger Augenzeugen:
”Und als der Kerl oder die Frau, na ich weiß nich’ so recht ... Auf jeden Fall war da diese Rüstung, in der er sich auf’s Pferd schwang. Und ein Banner hat er geschwenkt, ließ sein Pferd steigen und galoppierte davon, worauf ihm alle lauthals brüllend hinterher sind. Ne richtige Gänsehaut hat’ ich, weil’s dann auf einmal so still war, so ruhig und friedlich ...”
”Ja genau, als ich ihn sah, fühlte ich mich auf einmal mächtig stark. Ich bin ihm sogar noch eine ganze Weile nachgelaufen, aber ich war nur zu Fuß und die hatten doch alle Pferde.”
”Ich rief ihm zu, wohin er denn reite, und er sagte ‚Arvepass‘. Da wusste ich, dass es gegen die Richtigen geht.”
Von der Wiederherstellung der Ordnung
Vorauseilende Boten kündigten die Erhabene Ayla von Schattengrund im Grafenpalast zu Perricum an, die entgegen allen Erwartungen nicht zuvor in der Löwenburg Einzug hielt, sondern zuerst das Gespräch mit der gräflichen Regentin und dem jungen Grafen suchte. Die Erhabene ließ sich aus gräflichem Munde über die Ereignisse und den momentanen Zustand der Grafschaft aufklären. Sie machte aber von Anfang an deutlich, dass ihr nicht daran gelegen war, die gräflichen Kompetenzen bei der Wahrung von Recht und Gesetz infrage zu stellen, sondern bot stattdessen mit umsichtigen und gemessenen Worten ihren Rat an. Wäre es nach dem jungen Grafen gegangen, so hätte die Kirche noch zur Stunde Truppen in die entfernteren Gebiete der Grafschaft entsenden sollen. Die gräfliche Regentin jedoch zügelte das aufflammende Herz des Grafen, das der Kirchenherrin so unumwunden zugetan entgegenschlug, und betonte, dass der rondrianische Ratschlag allein schon erwünscht und unschätzbare Hilfe sei.
So besprach man sich ernst, aber freundschaftlich bis in den späten Abend, und die Erhabene ermahnte, dass es an der Zeit wäre, die gräfliche Flagge im Lande zu zeigen und so Zeichen von Recht und Ordnung zu setzen. Die Grafenregentin und der junge Graf beschlossen, nicht länger zu warten, um noch am nächsten Tag ihren gemeinsamen Ritt durch die Grafschaft zu beginnen.
Man war zu dem Schluss gekommen, dass eine Bedeckung bestehend aus der gräflichen Garde, nebachotischen Stammeskriegern, raulschen Milizionären, der Landrichterin von Perricum und zwei einfachen Geweihten der Rondra die größten Aussichten auf einen Erfolg dieser Reise verspreche. Am frühen Morgen spendete die Erhabene der gräflichen Unternehmung im Hof des Palastes den rondrianischen Segen und beobachtete zufrieden und beruhigt den raschen Aufbruch. Dann kehrte sie der Stadt den Rücken und betrat nach zweijähriger Abwesenheit zum ersten Mal wieder die Löwenburg.
Der Ritt der Grafenregentin Rimiona Paligan und des jungen Grafen Rondrigan von Perricum geriet wahrhaftig zu einem gelungen Unternehmen. Sie schlichteten, wo es des Schiedsspruches bedurfte, richteten, wo es im Argen zu liegen schien, und dankten den Tapferen und Beherzten ob ihres raschen Eingreifens in der Not.
Je weiter der gräfliche Trupp ins Hinterland vordrang, umso gegensätzlicher schien die Stimmung der Bevölkerung zu sein. An manchen Orten fand man Raulsche und Tulamiden einträchtig versöhnt, an anderen wiederum war noch so manches tadelnde Wort zu sprechen, bis die wütenden Reden verstummten.
Als schließlich der Marschall Ugo von Mühlingen mit seiner Schwadron über den Darpat setzte, da hatten die Grafenregentin und der Graf Recht und Ordnung wieder fest in ihrer Hand. Dennoch war Marschall Ugo fest entschlossen, bei der Klärung der Umstände in der Grafschaft zu helfen, auch wenn er dabei manchem Freund unangenehm werden sollte.
Von der Rechtsprechung
Kopfzerbrechen bereitete den Hohen von Perricum die zahlreichen auswärtigen Opfer des Aufstandes. In diesen Fällen tat sofortige Rechtsprechung Not, damit man mit angemessenen Entschädigungen für Schlichtung sorgen konnte.
So forderte der Aufstand nicht nur das Leben einiger aranischer Gemeinen und darpatischer Fuhrleute sowie Flussschiffer, sondern auch das eines almadanischen Kaufmannes, der sich hasserfüllt mit einer tobenden Meute von Winzern einer Gruppe nebachotischer Reiter entgegengeworfen hatte. Zu seinem großen Unglück jedoch wurden die Berittenen von Baron Eslam von Brendiltal, dem Bannerherrn der perricumschen Tulamiden, und von Baron Yendor von Gallstein angeführt – zwei Männern, die für ihren Jähzorn berüchtigt sind und daher die Weinbauern auch sofort niederschlagen ließen. Sodann verfuhren die wutentbrannten Barone mit den Überlebenden nach ihrem Gutdünken, wobei keiner mit dem Leben davonkam – auch der Almadaner nicht.
Wegen eigenmächtiger, gemeinschaftlicher, unrechtmäßiger Hinrichtung verurteilte die Kadi von Perricum die beiden Adligen im Beisein der Grafenregentin zu einem horrenden Bußgeld von 10.000 Golddukaten bzw. der Gegenleistung von zwanzig Streitrössern. Da man bei der Urteilsverkündung Tumulte befürchtete, war eine Vielzahl bewaffneter Gerichtsdiener im Saal zugegen. Auch hierzu die Meinungen einiger Anwesender:
”Das Urteil ist ein Skandal – das kann Praios nicht wollen! Und außerdem kann ich nicht verstehen, warum so jemand Ehrenwertes wie unser Marschall mit den Angeklagten noch brüderlich in einem Schankhaus sitzt ...”
”Ich denke, es muss noch etwas mit dem Urteil geschehen. Das hat die Kadi doch nur so hoch gemacht, weil die Grafengroßmutter da war.”
Auch innerhalb des garetischen Adels wurde die Entscheidung sehr zwiespältig aufgenommen.
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