Geschichten:Die Legende von Korbronn - Teil 10
Das feuchte Holz des Waldbodens knirschte leise unter den schweren Schritten der Gerüsteten, die sich dem Wiehern nun von beiden Seiten näherten.
In einiger Entfernung konnte man einen großen Findling aufragen sehen, zu dessen Füßen zwei Ritter auf alten, schwarzen Baumstümpfen saßen. Ein mit Moos dicht bewucherter Stein bildeten eine Art Tisch zwischen ihnen und es schien, als wären sie in ein Gespräch vertieft. Ein schwarzes Streitross stand einige Schritte neben dem riesigen Findling und graste an der Seite eines strammen Falben.
Ins Unterholz geduckt bedeutete Rondrigo den Seinen vorsichtig weiter vor zurücken. Auch Cordovan und sein Trupp näherte sich bereits von der anderen Seite.
Khorena sog scharf die Luft ein, als sie den schwarzen Ritter aus ihren Träumen wieder erkannte. Ihm gegen über saß ein Krieger in tief rotem Wappenrock, auf dem drei weiße Rosen zu sehen waren. Der Schild des schwarzen Ritters war ohne Wappen oder Zeichen.
Es hatte den Anschein, als würden die beiden ein Spiel spielen, welches sich zwischen ihnen auf dem niedrigen Stein befand. Ein Seitenblick zu ihrem Bruder bestätigte ihr, dass er den Ritter diesmal auch sah. Das war schon mal beruhigend, aber was bei den Zwölfen suchte er hier? Ihre Gedanken überschlugen sich. Würde er ihnen den Weg weisen oder waren sie endlich dem Ziel nähergekommen?
Gar’wain hatte sich hinter einen uralten mit Moos und Ranken bewucherten Mauerrest, der kaum noch zwei Spann hoch war geduckt und spähte vorsichtig in Richtung der Gerüsteten, die Hand bereits am Knauf seiner Waffe, entsetzt erkannte auch er den Schwarzgerüsteten.. Cordovan und der Rest der Truppe schlossen zum Nebachoten auf, um ebenfalls Deckung zu suchen. Der Edle vom Greifener Land beäugte den Mauerrest argwöhnisch, offenbar hatte hier vor Urzeiten einmal ein Haus gestanden, als diese Gegend noch nicht gänzlich vom Reichsforst verschluckt worden war.
Khorena schüttelte den Kopf und flüsterte: „Bei allen Göttern, was sind das für zwei Kerle?“
Weder Rondrigo noch der Zornesritter ben Drou wussten darauf eine Antwort. Galacher konnte sich beim besten Willen keinen Reim machen und wechselte besorgte Blicke mit Rondrigo.
Mit einem Mal erhob sich Ritter in Rot. Eine tiefe dröhnende Stimme erklang unter dem klobigen Topfhelm. „Das Spiel ist verloren, es hat keinen Zweck mehr.“
Der schwarze Ritter lachte, seine Stimme war eine Spur heller. „Man sollte niemals zu früh aufgeben mein Freund, das habe ich gelernt. Manchmal sieht alles schon hoffnungslos aus, doch man ist dann oft in seinem Selbstmitleid derart gefangen, dass man auch den kleinsten Ausweg am liebsten ignoriert.“
Er bewegte einen der Spielsteine und der Ritter in Rot nickte. „Weise gesprochen. Doch ich muss nun fort, deine Gäste sind gekommen.“
Der Krieger schritt zu seinem Ross, während Rondrigo leise fluchte. „Wie können die uns bemerkt haben?“
Er gab dem zweiten Trupp ein Handzeichen und sofort erhoben sich die anderen, um vor zu rücken.
Sie hatten den roten Ritter nur einen Herzschlag aus den Augen gelassen, doch nun war er verschwunden.
Als Khorena merkte, dass der rote Ritter verschwunden war, wurde ihr ganz seltsam zumute. Es ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Bewusst hielt sie sich etwas hinter Rondrigo, aber entfernte sich auch nicht zu weit von ihrem Bruder.
Cordovan fasste seinen Spieß fester mit beiden Händen, als er, dicht gefolgt von Wolfward, Eldwin und Gar’wain dem schwarzen Ritter entgegen trat.
Rondrigo und die anderen kamen ebenfalls herbei, allesamt angespannt wie ein zum Schuss bereiter Langbogen.
Schwerfällig erhob sich der schwarze Ritter und ein kalter Hauch fegte über die stark bewucherte Lichtung. Khorena zuckte zusammen, als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln vernahm. Sie fuhr hastig herum, doch außer den sich im leichten Wind wiegenden Büschen war nichts zu sehen. Es fühlte sich an, als wären die alten knorrigen Bäume ein Stück näher gekommen, bereit mit ihren langen, belaubten Armen nach den Greifenfurtern zu greifen.
„Die Zwölfe zum Gruße!“ rief Ritter Wolfward selbstsicher. „Erweist uns die Ehre, uns Euren Namen zu nennen, Herr Ritter.“
„Ihr kennt mich,“ erwiderte der fremde Krieger leise. Praios Antlitz wurde in diesem Moment von einer großen Regenwolke verdunkelt und die Lichtung färbte sich in einem eigenartigen, beinahe rötlichen Licht. Die dunkle Stimme des Kriegers ließ Khorena erneut zusammenzucken. Konnten Geister sprechen? Fasziniert lauschte sie seinen weiteren Worten.
„Umzingelt von Feinden, wird das Spiel alsbald verloren gehen, wenn nicht eine neue Taktik Einzug hält. Das alte Konzept hat ausgedient. Oder vielleicht doch nicht?“
Irritiert blickten die Suchenden den schwarzen Ritter an. Was wollte er bloß von ihnen?
Der Fremde drehte sich um und fegte das Spielbrett mit einem Tritt von seinem steinernen Podest.
„Umringt von Feinden müsst ihr euren Blick zunächst zurück und dann nach vorne richten.“ Rondrigo wollte die Hand heben und etwas sagen, doch im nächsten Augenblick fuhr der schwarze Ritter herum, riss sein Schwert aus der simplen Scheide und schlug auf den Stein, auf dem das Spielbrett geruht hatte.
Klirrend zerbrach die Klinge in mehrere große Stücke und ein Schwall dunklen Wassers spritzte den Greifenfurtern entgegen. Die Fontäne riss die Suchenden von den Beinen und entlockte der einen oder anderen Kehle einen überraschten Schrei.
„Wohin ist er?“ rief Cordovan als er sich wieder aufrappelte. Gar’wain blickte sich nervös um und hatte seine Waffe nun schon in der Hand. „Ainä Fallä!“
Rondrigo half seiner Schwester auf, während Galacher ben Drou vom Orden des Heiligen Zorns noch ausgestreckt dalag. Er schüttelte sich benommen, denn er hatte die volle Wucht der Fontäne abbekommen. Das Wasser sprudelte nun noch immer aus dem Stein, doch nun sah es mehr wie ein kleiner Quell aus. Vom schwarzen Ritter war weit und breit nichts zu sehen.
„Das Wasser,“ keuchte Khorena beinahe entsetzt. Die übrigen Männer sahen die Quelle an, dessen Wasser sich nun blutig rot färbte.
Auch Galacher ben Drou, der komplett durchnässt war, wischte sich das eben noch klare Wasser aus der Stirn und blickte auf einen blutigen Handrücken. Fluchend blickte sich Galacher um, er konnte nicht glauben was er hier sah. Etwas seltsames ging hier vor und es gefiel dem Wächter des Ordens des heiligen Zorns der Göttin Rondra ganz und gar nicht.
Gar’wains Nackenhaare richteten sich auf. So hatte er sich das mit den alten Legenden und mystischen Geschichten nicht vorgestellt. Was war hier nur los? Schritte und das Klappern von Waffen und Rüstungen erklang mit einem Mal. Die Geräusche schienen aus allen Richtungen zu kommen.
Nervös blickten die Suchenden sich um, als sich die Unbekannten zeigten. Gedrungene Gestalten, kleiner als ausgewachsene Männer traten auf die Lichtung. Den struppige, verfilzten Pelz mit ledernen Rüstungen bedeckt, Äxte und schartige Säbel in den haarigen Fäusten traten sie näher. Das kehlige Knurren aus ihren bestialischen Kehlen ließ die Greifenfurter zurück weichen und aus kleinen, tief in den Höhlen liegenden Augen starrte sie das Gesicht des Erzfeindes aller Greifenfurter an.
Gebleckte gelbe Hauer wurden offenbar und schnell wichen die Menschen zurück um einen Kreis zu bilden.
„Das müssen über zwei Dutzend sein,“ keuchte Wolfward, während er sein Schwert zog. Knurrend und in ihrer hässlichen Sprache fluchend kamen die Schwarzpelze näher...
Gar’wain freute sich schon fast auf diesen Kampf. Endlich lernte er die Ferkinas des Nordens kennen und endlich geschah etwas, mit dem er umzugehen wusste.
Das Schwert ihres Vaters lag gut in Khorenas Hand. Leider hatte sie zu lange kein Schwert mehr geführt, so dass sie etwas außer Übung war. Doch hier und jetzt musste es reichen. Das Schwert in der erhobenen Hand erwartete Khorena den ersten Angreifer. Sie brauchte nicht lange warten, als auch schon der erste Ork auf sie zustürmte. Ihre Bewegungen kamen automatisch und fließend. Attacke, Parade, der Versuch eines gezielten Schlages. Der Ork war ein recht guter Kämpfer, so dass Khorena schon bald der Arm zu erlahmen drohte. Das Gewicht der Waffe war ungewohnt, wenngleich auch die oft trainierten Schläge ohne ihr Zutun zu ihr zurückkamen. Wieder ein Hieb des Orken, diesmal reagierte Khorena den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Die Waffe des Orken fuhr schneidend in ihren Oberschenkel. Der Schmerz drohte Khorena zu überwältigen, aber sie riss sich zusammen. Mit aller Macht attackierte sie erneut ihren Gegner. Von der Welle ihrer Aggressivität überrascht, begann auch der Schwarzpelz Fehler zu machen. Als die nächste Finte ihn aus der Reserve locken sollte, reagierte er prompt darauf, worauf Khorena ihn mit einem heftigen Hieb auf seinen Hals endgültig erledigte. Blut spritzte, als der Ork auf dem Boden aufprallte. Keuchend schaute Khorena sich um. Würde gleich ein Neuer Gegner den Platz einnehmen?