Geschichten:Herr auf dem Sturmfels - Ein Grollen und Beben
Auf dem belebten Markt von Hordenberg, der Bericht eines, der Zeuge war. Ende Ingerimm / Anfang Rahja 1042 BF
"Am Ende konnte es ein jeder der illustren Scharr vernehmen, das Grollen des Erzenen in den Ohren, sein Beben des schroffen Landes in den Beinen, getragen in den Körper eines jeden Zeugen. Der Berg, der Gigant, er hatte denjenigen erwählt der sein neuer Herr und Diener sein sollte. Nur ein Fremder aus dem Herz des Reiches, konnte ebenjenes des Giganten erreichen und mit seinem verschmelzen, so dass es nun ebenfalls von Erz ist."
Der kleine Mann in karierter Perricumer Tracht, mit der untersetzten Haltung und der langen Nase eines Vogels hob den Finger.
"Ucurian von Sturmfels! Der Name verheisst Triumph und Wille, Stärke und Wahrhaftigkeit. Schüler der vorangehenden Herrin, die den Giganten in Gram und Fehde verließ. "Ucurian von Sturmfels" - rief auch der Gigant aus und wir alle erzitterten unter seiner Macht, nur der neue Herr des Berges stand dort wie der Fels selbst."
Mit den Händen formte der kleine Erzähler mit der etwas sonoren Stimme ein Dreieck, als Symbol des Berges oder der Zuflucht.
"Doch der Gigantensohn ließ unsere Scharr teilhaben daran wie er dies zu schaffen vermochte, er sprach von dem flüsternden Ruf des Walls und des Landes, wie er das Grollen nannte. Wer es verstand darauf zu hören - im steten Mahlen des Gesteins, seinem glutvollen Inneren, dem plätschern der Bergbäche, wie auch im Grollen und Beben - der konnte den Willen daraus ergründen und eins werden."
Der Erzähler kniff seine Augen zusammen und wandt seinen Kopf langsam im Halbkreis.
"Doch damit nicht genug, er sagte Jahrhunderte lang ergründeten die Diener und Herren des Sturmfelses nun schon seinen flüsternden Ruf, doch erst das Wiedererscheinen Korgonds und der Fall der Sterne würden uns nun seine Worte verstehen lassen, die nun nicht mehr länger nur ein flüsterndes Grollen sein sollten, sondern mit ihm, dem Gigantensohn, nun ein lautes Sprachrohr haben sollten. Er würde nicht nur Ergründer, sondern auch Vermittler sein. Seinem Namen Ucurian anstehend."
Die Hände des Mannes öffneten ihre Handflächen nach Außen und stoben mit gespreizten Fingern bedächtig auseinander.
"Wir alle - auch viele derer die zuvor noch gegen ihn um die Gunst des Giganten stritten - verbeugten uns ganz natürlich vor seiner urtiefen Weisheit, die aus diesem jungen Körper sprudelte. So kniete auch der Wasserburger Junkersmann Ronderich vor ihm und bot ihm symbolisch sein Schwert, ganz erfasst vom Triumphesglanz des Ucurian. Er sprach ihm die Treue als neues Oberhaupt aus und lobte seinen triumphalen Sieg vor dem Giganten in großen Worten, da er noch nie ein Geschöpf der Götter sich so in den Bergen bewegen gesehen hätte. Er selber hatte den Berg nicht verstehen können. Und so nahm ihn der Gigantensohn auf an seine Seite. Und tat es gleich mit seinen vorherigen Kontrahenten, wie u.a. den Wohlgeborenen Herren Abelmar, der zuvor noch überheblich seine Aussichten gefeiert hatte, dem aber seine höfischen Finessen im Wettstreit mit den Hängen des Giganten nicht hilfreich waren. Auch die stattliche Ritterin Ayana kniete nun vor Ucurian, so gut ihr ramponiertes Bein es zu ließ, welches ihr beinah von einem herabfallenden Fels zerschlagen worden wäre. Der Gigant hatte offenbar ihrer nachlässigen Art gezürnt und sie seine Härte spüren lassen. Gestützt wurde sie dabei von Ritter Leuhelm, der zwar nicht am Ringen teilgenommen hatte, aber dennoch dem neuen Herren seines Hauses in vorderster Reihe Tribut zollte. Sie beide waren angereist mit der Edelgeborenen Ritterin Nera, die in der Heimat an der Küste tiefe Sorgen plagten und die deshalb ihr Schicksal im Wettstreit hier gesucht hatte, doch die Sorgen hatten ihr die Sicherheit des Griffs an Felswand und am Schwerte genommen, so dass der Gigant sie abgelehnt hatte. Auch sie hatte sich neben ihre Anverwandten aus Brendiltal gesellt, doch verlangte es ihr danach fürderhin an der Seite vom Gigantensohn zu stehen."
Einen überraschten Blick tat der Vogelgesichtige darauf hin.
"Mit ebenso heeren Zielen war ein Kind des Sturmfels des Nordens angereist, deren Name Geriane bereits von Heldentaten kündet, so hatte sie zu Beginn verlauten lassen, nicht in Fehdeabsicht zu kommen, sondern in der Absicht die Häuser nun endlich zu einen, in einem Haus des Sturmes. Doch - auch wenn sie vielleicht des Herren Ucurians größte Widersacherin war - reichte ihr Ehrgeiz nicht aus um den Gigantensohn zu gefährden, zu sicher hatten seine Schritte gesessen, zu kraftvoll sein Griff, zu stark sein Wille zum Sieg. Und so ging die Sturmfelserin des Nordens wie sie gekommen war, in ehrlichem Willen zur Einigung und mit ehrerbietigem Gruße an ihren garetischen Bruder, den Herren des Sturmfels. Hinter all diesen glanzvollen Geschichten sollen andere nicht zurücktreten müssen, sowie die Hohe Dame Elea mit den Sommersproßen, von der Sonne geküsst, sowie die all über all respektierte und weise Junkersfrau Junivera. Die aber beide dem Giganten nicht so gerecht werden konnten wie sein höchster Sohn. Ebenso die vielen anderen Willigen, aus welcher Ferne sie immer kommen mochten und wenn sie auch noch so arm wie die Hartsteener Sturmfelser waren oder ein Land fernab des Giganten ihre Heimat nannten, wie Koscher, Almadaner oder gar Aranier und Horasier. Sie alle hatten hinter Ucurian zurückstehen müssen. Und nicht wenige von ihnen zollten dem nun Tribut. Ihre Rufe gellten seinen Namen, der an den Wänden des Giganten wieder hallte und sich mit dem Grollen vermischte. Und er - in seiner weisen Ruhe - aber auch denen gedachte die dem Ringen erlegen waren.
Zum Abschluß aber warf der Erzähler den Zuhörenden noch einen sinisteren Blick zu.
"Doch wo so viel Glanz und Triumph ist, ist auch Argwohn und Neid nicht weit. So war es zum Beispiel eine der erwähnten Erlegenen, die ihren Kontrahenten, vorallem Ucurian, den Vorsprung geneidet hatte. Und so sie gar, als ihr Gatte Ronderich die Uneinholbarkeit des Gigantensohnes anerkannte, diesem die Ehefehde erklärte. Mit solch Hader im Herzen konnte sie den Aufgaben des Giganten aber nicht Herrin werden und der Gigant nahm sie zu sich in die Tiefen seiner Schluchten, was den Ritter Ronderich in seiner trauigen Treue nur noch bestätigte. Doch noch viel hasserfüllter und finsterer waren die Drohungen des verschmähten Alrik XIV., Sohn Alriks XIII. der den Bund mit dem Giganten im Jahre '33 abgelehnt hatte, so dass an seiner Statt nur eine Platzhalterin treten konnte. Der Gigant zürnte der Blutlinie seiner alten Herren und Diener, die ihm so lange gute Verbündete waren, wohl gar heftig, so dass er den vierzehnten Alrik sang- und klanglos scheitern ließ. Der, ebenso erzürnt, weil er sich betrogen sah, verfluchte Berg und dessen neuen Sohn und schrie nach Vergeltung. Doch die treuen Streiter und respektablen Verlierer scharrten sich um ihr neues Oberhaupt, so dass Alrik XIV. nur gellend den Rückzug antreten konnte, nicht ohne seine Wiederkehr anzukündigen."
Ein gefälliges und gütiges, aber müdes Lächeln legte sich unter die große Nase des Mannes.
"Doch der Gigantensohn - anstatt dem Rufschänder ernsthaft zu zürnen - antwortete nur dröhnend, dass er hier harren würde, um sich dieser Prüfung zu stellen, wie ihn der Gigant auch wieder und wieder prüfen würde. Kein Sieg ohne Stärke, kein Triumph ohne erzene Behaarlichkeit und Treue zum Giganten und dem bergigen Land des Walls. Und so forderte er auch Treue für sich ein - unter denen die noch vor ihm standen. Denn Treue zu ihm bedeutete Treue zum Haus und diese die Treue zum Giganten selbst."
Und mit den Worten "Und wir alle frohlockten dem Gigantensohn Ucurian an diesem Tag und riefen ihn hoch." beendete der kleine Vogelmann und Erzähler seine Geschichte, erhob sich schwerfällig und ging in seinem eigentümlichen Gang auf sein freudiges Publikum zu, welches ihm bereitwillig ein paar Geldstücke angedeihen lies.