Geschichten:Eine neue Herausforderung - eine neue Gelegenheit

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Ein wenig unwohl war Siegerain von Bregelsaum-Berg schon zumute, als ihm ein Soldat mitteilte, dass der Heermeister, Baron Zivko von Zackenberg, ihn nachher zur Praiosstunde in seinem Arbeitszimmer 'in einer dringenden Angelegenheit' aufzusuchen gedächte. Was mochte sein Vorgesetzter nur von ihm wollen? War irgendetwas vorgefallen? Oder hing es mit dem bevorstehenden Abmarsch von Teilen des Heeres gen Garetien zusammen? Oder etwa-? Fast schon ruckartig erhob sich Siegerain von seinem Stuhl. Genug der Fragen! Spekulieren half nichts und in ein paar Stunden hätte er – hoffentlich – Klarheit.
Der Kommandeur des Bombardenregiments ließ den Blick über den Raum schweifen, rückte hier und da einige Dinge zurecht, packte mehrere Dokumente in eine Schublade seines Schreibtischs und vergewisserte sich, dass sein Wappenrock in einem tadellosem Zustand war. Zu guter Letzt überprüfte er den Sitz seiner beiden Auszeichnungen sowie den Getränkevorrat in seinem Sekretär. Kaum etwas wäre peinlicher als der Umstand, seinem Vorgesetzten nachher nichts adäquates zu trinken anbieten zu können!
Zufrieden mit seinen Vorbereitungen wollte der Oberst sich wieder seiner eigentlichen Arbeit – der Unterzeichnung einiger vorbereiteter Regimentsbefehle – zuwenden, als ihm siedend heiß einfiel, dass er heute Mittag ja auch mit seiner 'geliebten' Gattin Olberthe zum Essen verabredet war, die über eine Absage desselben gewiss nicht erfreut wäre. Höflich ausgedrückt. Und am Abend ließe sie ihn dies in aller epischer Breite auch zweifelsohne spüren. Mit säuerlicher Miene rief Siegerain den Vorzimmersoldaten zu sich und befahl ihm, umgehend seine Gemahlin aufzusuchen und ihr mitzuteilen, dass ihm etwas dazwischengekommen sei, weswegen er das gemeinsame Mittagessen leider absagen müsse. Der Soldat musste kurz schlucken und wurde dann ein wenig bleich um seine schiefe Nase.
"Ja- äh, jawohl, Herr Oberst. Ich kümmere mich darum.", antworte der Mann tonlos, bevor er sich abmeldete.

Siegerain verspürte, entgegen seiner sonstigen Art, ein wenig Mitleid mit dem Mann, der offensichtlich schon seine Erfahrungen mit der Gattin seines Vorgesetzten machen durfte und vermutlich lieber draußen drei Stunden exerziert hätte, anstatt sich erneut den Launen dieser Frau auszusetzen. Das erinnerte den Offizier daran, sich endlich nachhaltig um Olberthe zu 'kümmern' – seiner eigenen Laune wie auch seiner Börse zuliebe.

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"Einen vorzüglichen Roten habt Ihr da, Oberst. Aber dennoch: Es sind ebenso wichtige wie dringende Angelegenheiten, die mich zu Euch führten und mir darob den Genuss dieses edlen Tropfens ein wenig vergällen."

Der Angesprochene hatte sich mittlerweile ein wenig entspannt. Die Begrüßung und das bisherige Auftreten des Heermeisters ließen vermuten, dass der Anlass seines Besuchs nicht negativer Art war.
"Natürlich. Wie kann ich Euch zu Diensten sein?", erwiderte Siegerain beflissen.

"Zunächst einmal möchte ich Euch noch einmal meine Anerkennung für die Organisation der Heerschau aussprechen; wirklich sehr gute Arbeit. Und wie mir zu Ohren gekommen ist, habt ihr Euch jüngst zusammen mit einigen Mitstreitern in Perricum auch recht erfolgreich als Ermittler versucht. Höchst bemerkenswert. Ich denke, wir sollten uns öfter sehen und austauschen, denn ich schätze Leute Eures Formats und meine Familie sähe es wohl auch so, zumal ich für meine Enkelin – aber dazu später mehr. Zurück zum Thema.
Wie Ihr wisst, sind die Vorbereitungen für die Inmarschsetzung unserer Truppen Richtung Garetien in vollem Gange und werden bald abgeschlossen sein. Doch bevor ich den Marschbefehl erteile, möchte ich noch ein kleines Vorauskommando in den Schlund entsenden, welches mit diesem von Hinn über einen möglichst störungsfreien Durchmarsch und idealerweise auch Versorgung unserer Truppen, ähm, 'verhandeln' und natürlich ganz allgemein Augen und Ohren offenhalten soll. Aufgrund Eurer bisherigen Leistungen möchte ich Euch damit betrauen, dieses Kommando aufzustellen. Es sollte nicht mehr als sechs Unterhändler plus einige Wachen und Schreiber umfassen, maximal ein Dutzend Köpfe. Ich will vermeiden, dass der Trupp zu groß gerät und am Ende von den Schlundern als Bedrohung und nicht als Verhandlungsdelegation aufgefasst wird. Was sagt Ihr dazu?"

Siegerain hatte den Ausführungen Zivkos aufmerksam gelauscht und insbesondere dessen lobende Worte mit großer Zufriedenheit zur Kenntnis genommen. Der Oberst hatte aber noch mehr herausgehört, nämlich eine gute Gelegenheit, weiter in der Gunst des Heermeisters aufzusteigen und die anderen Obersten des Heeres – insbesondere diese widerliche Zwickenfell – auszustechen.
"Ich verstehe," begann Siegerain und unterstrich seine Worte durch ein bedächtiges Nicken (oder was er dafür hielt). "In Anbetracht dessen, was auf dem Spiel steht, würde ich – Euer Einverständnis vorausgesetzt, natürlich – das Vorauskommando persönlich anführen wollen; ich wäre ein schlechter Kommandeur, verlangte ich den mir unterstellten Soldaten mehr ab, als mir selbst."

"Sehr gute Einstellung, Oberst; wirklich lobenswert. Ich bin einverstanden. Wenn Ihr Euren Trupp zusammengestellt habt, meldet mir dessen Namen schnellstmöglich, spätestens jedoch bis Ende kommender Woche. So, jetzt entschuldigt mich; auf mich wartet anderswo noch viel Arbeit. Und Danke nochmal für diesen vorzüglichen Wein!"

"Ich habe zu danken, Exzellenz. Sobald die Gruppe bereit ist, lasse ich es Euch selbstverständlich umgehend wissen."
Siegerain geleitete seinen Vorgesetzten noch zur Tür, verschloss diese danach und schenkte sich mit selbstzufriedener Miene ein weiteres Glas ein. Das war doch wirklich gut, nein, das war geradezu hervorragend gelaufen! Verliefen die Gespräche im Schlund erfolgreich, so hätte er sich wohl endgültig die Gunst Zivkos gesichert. Und wenn nicht: Nun, dann lag es wohl an dem Unvermögen der übrigen Unterhändler, die er, Siegerain, dafür natürlich umgehend zur Rechenschaft zöge.
Nichts konnte die Hochstimmung des Obersten an diesem Tage mehr trüben, selbst die abendlichen Vorwürfe seiner Gattin ob des ausgefallenen Mittagessens nicht.