Geschichten:Eine traute Runde
Mit einer Mischung aus Erleichterung und Freude hatte Siegerain die Meldung zur Kenntnis genommen, dass alle Eingeladenen – Arion von Sandern, Astaran von Pfiffenstock und Salix von Hardenstatt – zugesagt hatten und in Kürze bei ihm aufscheinen würden. Rasch hatte der Oberst Tee und Gebäck herbeibringen und auch sonst alles für die Ankunft des Trios vorbereiten lassen. Jetzt galt es nur noch, ging es dem Kommandeur des Bombardenregiments durch den Kopf, die drei von der Wichtigkeit der Mission und ihre Teilnahme an dieser zu überzeugen.
Fast zeitgleich trafen zur festgesetzten Stunde seine Gäste ein, wurden von Siegerain als Zeichen der Wertschätzung per Handschlag begrüßt, mit Getränken ihrer Wahl versorgt und gebeten, Platz zu nehmen. Nun galt es!
Mit einem – hoffentlich – gewinnenden Lächeln eröffnete der Offizier das eigentliche Gespräch.
"Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, euch so kurzfristig zu mir gebeten zu haben, doch ließen mir die aktuellen Umstände leider keine andere Wahl. Umso mehr freue ich mich jedoch, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Vorweg: Alles, was ihr gleich erfahren werdet, unterliegt natürlich höchster Geheimhaltung. Zumindest bis auf Weiteres darf darüber mit keinen Außenstehenden gesprochen werden. Ich kommen auch gleich zum Punkt, um eure Zeit nicht länger als unbedingt nötig in Anspruch zu nehmen.
Also: Dass demnächst eine perricumer Streitmacht nach Garetien inmarschgesetzt werden wird, dürfte mittlerweile hinreichend bekannt sein. Der Heermeister, Baron Zivko von Zackenberg, hat mir in dem Zusammenhang den Auftrag erteilt, ein kleines Vorauskommando, nicht mehr als ein Dutzend Köpfe zählend, aufzustellen, welches sich an der Grenze zum Schlund mit dem uns wohlbekannten Praiosmar von Hinn treffen und für unser Heer dessen Versorgung sowie eine reibungslose Durchquerung der Grafschaft aushandeln soll. Diese Gruppe werde ich persönlich anführen, begleitet von der Wächterin vom Darpat, Yanda von Gerben, sowie einigen Schreibern und Wachen. Ich möchte aber nicht nur Militärs dabei haben, da diese bei den anstehenden Verhandlungen vermutlich eher einschüchternd denn hilfreich sein dürften, sondern auch, wenn man so will, 'Zivilisten', die mir beim Erzielen einer Übereinkunft mit ihren besonderen Fähigkeiten, ihrer Loyalität gegenüber der Markgrafschaft sowie ihrer Verschwiegenheit helfend zur Seite stehen können. Und nach unserem jüngsten, nun ja, 'Abenteuer' dachte ich dabei sofort an euch. Wir brächen in etwa einer Woche auf, sodass genügend Zeit verbliebe, um vorher noch die eine oder andere Angelegenheit zu regeln. Ich – und mittelbar auch der Heermeister – wären jedenfalls sehr erfreut, wenn ihr euch dieser Mission zum Wohle der Provinz anschlösset. Dies in aller Kürze von mir. Ich nehme an, ihr habt Fragen?"
Erwartungsvoll schaute der Oberst seine Gäste der Reihe nach an.
Der Edle zu Zackenberg schaute etwas geschmeichelt und setzte ein feines Lächeln auf. "Bitte, verehrter Oberst, die Umstände entschuldigen Euch mehr als ausreichend". Dann griff er zu seiner Teetasse und nippte genüsslich daran. Mit einem Blick versicherte er sich, dass er niemandem die Worte verbot und sprach sodann weiter.
„Unabhängig von etwaigen Fragen möchte ich die einzige Antwort geben, die sich hier erlaubt. Selbstredend werde ich dem Ruf von Euch, dem Markgrafen und letztlich der Markgrafschaft folgen. Ihr könnt also auf mich zählen." Mit einem entschlossenen Nicken in die Runde quittierte der blonde Adlige seine Worte, ehe er fortfuhr.
„Verzeiht mein Unwissen, Herr Oberst, aber wieviel Handel steckt in diesen Verhandlungen? Wird es eher darum gehen, gute Miene zu machen, um nicht vollends aggressiv aufzutreten?“
Mit einem vieldeutigen Lächeln setzte Siegerain zu einer Antwort an.
"Erst einmal meinen aufrichtigen Dank, dass Ihr mich bei dieser für Perricum wichtigen Mission unterstützen wollt, Herr Salix; ich weiß dies sehr zu schätzen. Zu Eurer Frage: Wir verhandeln aus einer Position der Stärke heraus und haben das Mandat der Kaiserin. Uns gegenüber steht der Vertreter einer Grafschaft, die Teil dieser völlig aus dem Ruder gelaufenen Fehde ist und an deren Beendigung das uns folgende Heer mitwirken wird. Dass heißt, wir bitten nicht, sondern wir fordern, wenn auch zu Beginn vielleicht ein wenig freundlicher formuliert. Ein langwieriges Gefeilsche soll und wird es aber mit den Schlundern nicht geben. Sie erhalten die Gelegenheit, durch die Unterstützung unseres Heeres zu zeigen, dass sie wieder treue Untertanen der Krone und nicht länger Teil dieser närrischen Fehde sein wollen. Eine Weigerung wäre dagegen – höchst unklug."
Das Lächeln des Obersten hatte nun beinahe wölfische Züge angenommen. "War dies deutlich genug, Herr Salix?"
Astaran von Pfiffenstock hatte die meiste Zeit über unverbindlich gelächelt. Er war ein Ritter, sicherlich – auch wenn das für einen Nebachoten sehr ungewöhnlich war – aber er war beileibe kein Militarist. Er war ein Diplomat, Unterhändler, Lebemann. Ihm war noch nicht ganz klar, welche Rolle er in der ganzen Angelegenheit spielen würde – aber, so mutmaßte er, das würde sich wohl schon noch offenbaren. Er freute sich, den Hardenstätter wiederzusehen, der für einen Zackenländer erfrischend … zivilisiert war. So machte der Nebachote mit seinen Händen eine ausladende Geste."
Meine Herren, wer hätte gedacht, dass wir in dieser Konstellation so schnell wieder zusammenfänden. Umso mehr, da es an uns ist, für unsere Heimat, für unseren Markgrafen und für unsere Kaiserin ins Feld zu ziehen … sozusagen. Es ist mir eine Ehre. Endlich wird sich die wahre Stärke Perricums zeigen. Vivat Perricum!"
Astaran freute sich ehrlich auf diese Unternehmung, schien es doch wie ein Abenteuer aus vergangenen Tagen.
Sichtlich zufrieden nahm Siegerain zur Kenntnis, dass seine Gäste sich allesamt dazu bereiterklärt hatten, ihn bei der anstehenden Aufgabe zu begleiten und unterstützend zur Seite zu stehen.
Nach einer kurzen Unterhaltung über allerlei andere Dinge entschied der Gastgeber, dass es nun allmählich an der Zeit war, zu einem Ende zu kommen.
"Es freut mich sehr, dass ihr mit mir gemeinsam in den Schlund reisen und mich dabei unterstützen wollt, die Verhandlungen mit Praiosmar von Hinn zu einem für Markgrafschaft und Reich guten Ende zu führen. Dort mag kein Schlachtenruhm auf uns warten, wohl aber die Anerkennung und Wertschätzung seiner Erlaucht, sollten wir es vermögen – wovon ich überzeugt bin – die anstehenden Gespräche zu einem Erfolg zu führen, das weitere Vorrücken unserer stolzen Truppen zu erleichtern und somit unseren bescheidenen Teil dazu beizutragen, diese unselige Fehde zu beenden. Aber genug der Worte! Ich denke, ich habe eure kostbare Zeit nun lange genug in Anspruch genommen. Wir sehen uns dann in sechs Tagen wieder; ich freue mich schon sehr darauf.", schloss der Oberst und hoffte, dass sein zum Teil pathetisches Schlusswort bei den drei Adligen verfing.
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