Geschichten:Unruhige Zeiten - Klingende Kassen
28. Efferd 1044 BF, Auf der Kressenburg, am Vormittag
Erst spät am vorhergehenden Abend war Ardo aus Perricum zurückgekehrt und hatte nach einer Woche im Sattel nur noch seine Schlafstatt aufsuchen wollen. Zwar hatte ihn das Schreien der Kinderschar zeitig geweckt, aber trotzdem fühlte er sich nach einer kurzen Nacht im eigenen einfachen Bett erholter als in den weichen Daunenbetten, die es in der Perricumer Residenz gegeben hatte.
Nun hatte der Baron seine engste Familie und Berater in den großen Saal gerufen, um mit ihnen über das Kommende zu beraten. Ardo hat wie gewohnt am Kopfende der langen Tafel Platz genommen. Zu seiner Linken saßen seine Frau Praiadne und neben ihr sein Vater, der Ritter Wulfhart. Zu seiner Rechten hatte wie üblich sein greiser Vogt und Schwertvater Phexian Platz genommen. Wie zuletzt fast immer hatte er seinen Neffen Kasimir, den Kressenburger Stadtvogt, zur Unterstützung mitgebracht. Die Finger des Alten waren in letzter Zeit etwas zittrig geworden und so überließ er die Schreibfeder nun lieber dem Jüngeren.
„Ihr seid sicherlich gespannt, was sich in Perricum zugetragen hat“, eröffnete Ardo ohne große Umschweife das Gespräch. „Verzeiht, dass ich nicht schrieb, aber ein Brief hätte euch sowieso kaum vor meiner Ankunft erreicht.“
„Dann fang doch am besten mit der Heerschau an, Junge. Stimmt es, dass der Paligan in Garetien einmarschiert ist, um die Fehde zu beenden?“, polterte Wulfhart auf ebenso unverblümte greifenfurter Art dazwischen.
„Einmarschiert ist vielleicht das falsche Wort“, relativiert Ardo nachdenktlich, „aber ja, der Gemahl der Kaiserin hat sowohl seine Haustruppen als auch die kaiserlichen Garden in Perricum gesammelt. Diese haben sind nun unter dem Oberkommando von Veriya von Gareth in Richtung der Kaisermark begeben. Vorrangig geht es wohl darum, die Eigengüter der Kaiserin, die Pfalzen und Reichsstädte und den Handel auf den Reichsstraßen, vor den Auswüchsen der Fehde zu schützen. Wir wissen alle von Onkel Wulfhelms Berichten aus Randersburg, dass in Garetien den Grenzsteinen zuletzt nicht immer die notwendige Beachtung entgegengebracht wurde.“
„Also wird die Fehde nicht endlich beendet?“ Praiadne klang ehrlich enttäuscht.
„Ich denke nicht, dass dies der Absicht Paligans entspricht“, wand Ardo sich an seine Frau. „Dafür wäre wohl mindestens ein weiteres Göttinnenorakel notwendig. Was in Rondras Namen begonnen wurde, kann selbst Rohaja nicht so einfach beenden.“
„Zumal ich mir nicht sicher bin, dass es der Kaiserin Wille ist, die Fehde jetzt schon zu beenden“, wand der alte Phexian ein. „Die Großen Häuser Garetiens bekriegen sich, lassen Blut und Gold in dieser Fehde. Ich sage euch, was ich immer gesagt habe. Am Ende geht nur die Kaiserin und Königin Garetiens gestärkt aus dieser Fehde heraus.“
„Natürlich! Deswegen jetzt auch der zusätzliche Schutz ihrer Güter“, fiel sein Neffe ein. „Die Grafen können sich weiter gegenseitig befehden, Felder und Höfe niederbrennen, Ritter und Soldaten an Rondras Tafel senden, aber der Kaiserin Güter bleiben unversehrt. Wenn diese Fehde irgendwann endet, blühen die kaiserlichen Felder und Weiden und der Rest Garetiens liegt in Schutt und Asche“, endete er düster.
„Nun, ganz so schlimm wird es schon nicht werden“, beschwichtigte Ardo den Stadtvogt. „Selbst wenn Rohaja der Sinn danach stünde, die großen Häuser Garetiens zu schwächen, um sich selbst mehr Geltung zu verschaffen, darf man doch auch nicht vergessen, dass das Königreich Garetien als Ganzes einen guten Teil ihrer Hausmacht stellt. Die Kaisermark allen voran, aber auch die Grafen samt ihrer Truppen, unterstehen Rohaja nicht nur als Kaiserin, sondern in erster Lehensfolge vor allem als Königin Garetiens. Wird das Herz des Reiches zu sehr geschwächt, schwächt das auch Rohajas Position gegenüber den anderen Provinzherrschern.“
„Also wird sie die Fehde doch beenden?“ Praiadne wurde aus dem Gerede über die große Politik nicht ganz schlau. „Beziehungsweise beenden lassen, durch den Paligan?“
„Wie gesagt, die Fehdehandlungen von heute auf morgen komplett zu beenden ist nicht so einfach.“ Selbst Ardo, der zu vielen Gelegenheiten bei kaiserlichen Hoftagen gewesen war, fiel es schwer die Beweggründe sinnvoll zu erklären. „Aber ja, so wie die Fehde bisher geführt wurde, kann sie der Kaiserin nicht gefallen haben. Nach allem was man hört, ist sie von Beginn an sehr unritterlich geführt worden. Viel zu oft wurde in den Kämpfen Kor statt Rondra gehuldigt. Viel zu oft sind Bauern, Händler und Reisende ernsthaft zu Schaden gekommen, also jene Wehrlosen, die wir als Ritter bei unserer Ehre geschworen haben zu beschützen.“
„Sichere Straßen und sichere Ernten sind brennenden Höfen und geplünderten Handelskarren auf jeden Fall vorzuziehen“, brummte Ritter Wulfhart zustimmend. „Es wird nur schwieriger werden unsere Waffen und Rüstungen zu verkaufen, wenn nur noch Ritter, Junker und Barone gegeneinander streiten und nicht mehr ganze Söldner- und Landwehrbanner.“
„Zum Glück werden wir auf die Grafen und ihr Gefolge in nächster Zeit nicht angewiesen sein.“ Ardo konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. „Ich habe mit dem neuen Perricumer Heermeister eine Vereinbarung treffen können. Jetzt wo die Perricumer Truppen zu Hunderten fern ihrer Garnisionen im Garetischen stehen, wird es auch für sie mit dem Nachschub komplizierter.“ Der Baron nahm eine gesiegelte Pergamentrolle aus der Reisetasche, die neben seinem Lehnstuhl auf dem Boden gelegen hatte und reichte sie an Phexian weiter. „Das hier garantiert uns enorme Heeresaufträge für die im Felde stehenden Perricumer und Kaiserlichen Truppen. Wir liefern zu vereinbarten Standorten entlang der Reichsstraßen und an Pfalzen. Keiner wird uns dabei behindern können wie im letzten Götterlauf der Hagenbronner bei unseren Lieferungen an Graf Drego, wenn er nicht riskieren will vor das Reichsgericht zu kommen.“
Der Kressenburger Vogt hatte sich den Liefervertrag inzwischen zu Ende durchgelesen. „Garantierte Abnahme, gute Preise, minimales Risiko. Den Vertrag hätte Herr Phex selbst kaum besser aushandeln können. Ich freue mich, dass du auch in dieser Hinsicht ein paar Dinge von mir lernen konntest, Ardo.“
„Ihr wart wirklich ein guter Lehrmeister, lieber Phexian.“ Der Baron nickte seinem alten Schwertvater dankbar zu. „Ich denke, seiner Exzellenz von Zackenberg ging es vorrangig darum, dass zuverlässig und pünktlich geliefert wird. Solange alles funktioniert, kommt es ihm auf ein paar Dukaten mehr nicht an. Unser erstes Ziel muss es also sein, dass alles wie vereinbart an Ort und Stelle ist. Da uns diesmal niemand in die Quere kommen sollte, der sich nicht auch mit der Kaiserin anlegen will, liegt es allein bei uns.“ Ernst sah er zu seinem Stadtvogt. „Kasimir, ich will, dass du im Stadtrat darauf drängst, dass alles was mit diesen Lieferungen zu tun hat vorrangig zu behandeln ist. Im Zweifelsfall schicke mir Meister Durac, damit ich noch einmal persönlich mit ihm reden kann. Vater,“, wandte er sich an sein Familienoberhaupt, „bitte auch Rahjamunde mit ihrem Lehrmeister zu sprechen. Ich bin mir zwar sicher, dass der alte Durac sehr gut einschätzen kann, was dieser Auftrag für die Stadt und die Gilden bedeutet, aber es hängt vor allem mein Ruf daran, dass alles glatt geht.“
„Wir werden alles in die Wege leiten. Sei unbesorgt Ardo.“ Jetzt war es der alte Kieselholmer, der sich von seinem Neffen ein Pergament und ein paar sauber bedruckte Blätter Büttenpapier reichen ließ. „Ich hätte hier noch ein paar Entwürfe der Silzer Steinmetze, mit denen ich wegen der Innengestaltung des Praios-Tempels in Verhandlung bin. Ihre Preisvorstellungen sind nicht günstig, aber Qualität hat ihren Preis und ich denke mit dem neuen Handelsvertrag als Rückversicherung, müssen wir diese zusätzliche Ausgabe nicht auf den nächsten Götterlauf verschieben. Vielleicht wird der Tempel dann sogar noch pünktlich zum Jahreswechsel fertiggestellt.“
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