Geschichten:Sonnenstand – Am Grafenhof II

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Burg Reinherz, Eslamsgrunder Grafenhof, zweite Hälfte des Jahres 1044 BF:

Die Kapelle war gut gefüllt, so dass die Gäste aus Monvaldorn im Eingangsbereich stehen blieben und nach Platz an einer der letzten Bänke Ausschau hielten. Damian ließ den Blick schweifen, bevor er sich auch zum 'beten' niederließ. Die meisten der Betenden waren in schlichten weißen Tuniken gekleidet und bar jedweder Standessymbole. Ganz vorne, vor dem Altar, stand der Graf mit Gemahlin und den beiden Töchtern mit gesenkten Haupt.

Bisher konnte Brinburga ihre Begleiter nur bedingt einschätzen und so hatte sie interessiert gelauscht wie der Ritter im Namen ihrer Gruppe sprach. Ganz offensichtlich fand er sich nicht nur besonders ansehnlich, sondern hörte sich gerne reden. Wobei er beides scheinbar nur zu bereitwillig mit seinen Mitmenschen zu teilen bereit war. Die Kapelle betreten, war die Vairningen gleichermaßen überrascht und auch wiederum nicht. Selten hatte eine Kapelle, außer zu wichtigen Anlässen, wohl derart viele fromme Gäste begrüßt. Andererseits passte es nur zu gut in das Bild, dass vom Grafen bekannt geworden war und einem Hof der sein Fähnlein im Wind ausgerichtet hatte. Ihre Position ganz hinten nutzend, suchten ihre Augen während des Gebetes nach Angehörigen des Hofes, die ihre Frömmigkeit mehr vorgaben, als das sie sie Lebten. Von ihnen, könnten sie vielleicht mehr erfahren, als eifrige Frömmler täten.

Zanira betrat als letzte die Kapelle, die stummen Ritter hinter sich lassend. Auf der einen Seite gefiel ihr die Intensität der Szenerie, auf der anderen Seite wirkte es auch sehr bedrängend und unterschwellig aggressiv auf sie, keine Lebenslust, keine strahlende Kraft wohnte dem inne, sondern eine tiefe Schwere, ein siedender Eifer, der drohte hervor zu brechen und alles zu verschlingen, was seinem Urteil nicht genehm war. Es war gespenstisch, es war unangenehm. Sie konnte kultischen Praktiken so einiges abgewinnen, doch dies hier schien mehr wie ein absurdes Theaterstück, mit absolut festgeschriebenen Verlauf und Positionen, beinahe wie ein Stillleben ohne Farbe. Nicht dass sie das nicht aus vielen der garetischen Praioskirchen kennen würde, aber das hier war unheimlicher, vehementer, ausschließender. Dementsprechend vorsichtig trat sie ein und gesellte sich zum Malaganter Papagei und der undurchsichtigen Vairningen. Auch sie versuchte etwas vertrautes, weniger gefährlich anmutendes in der Kapelle zu finden, während sie selbst ein kleines, stilles Gebet, aussandte, welches die Sonne pries, welche das (urtümliche) Land wärmte, das mit seiner ganzen Kraft zurück strahlte - in einem ewigen Für und Wider.

Die meisten der Anwesenden waren in schlichten, weißen Tuniken gekleidet. Doch wich der ein oder andere von diesem Kleidungsstil ab. So war eine schlanker, mutmaßlich eher kleiner Mann ganz in Blau gekleidet. Neben ihm saß eine rothaarige Frau, die komplett in Rot angetan war. Beide hatten beim Gebet die Augen geöffnet und blickten eher missmutig zum Altar. Eine weitere Frau fiel den Gästen aus Monvaldorn auf: Eine Frau mittleren Alters mit tulamidischen Zügen und tulamisch anmutender Kleidung. Auch sie schien sich dem einheitlichen Weiß der Masse zu widersetzen. Ihre Stirn warf Zornesfalten. In Zanira kam so etwas wie vorsichtige Erleichterung auf und sie entspannte sich etwas, als sie die drei Farbtupfer etwas weiter am Rand entdeckt hatte. Aber um nicht weiter aufzufallen, hielt sie weiter inne, nahm sich aber vor die “Tulamidin” nach der Messe etwas genauer in Augenschein und vielleicht ins Gespräch zu nehmen.

Auch die Vairningen war erleichtert darüber zumindest einige wenige Abweichler zu sehen und versuchte sich neben ihrer bereits, zumindest für diesen Hof, auffälligen Kleidung auch ihre Gesichter zu merken. Insgeheim fragte sie sich derweil bereits schon, was ihnen diese drei wohl anderes über das Leben im Umfeld des Grafen erzählen würden, was sich von dem der getreuen Schäflein unterschied.

Der Praiosdienst endete mit dem Segen der Praiota, die einen auffälligen Schlunder Akzent aufwies. Nachdem sich der Graf und seine Familie mit eben jener Geweihten in die Räumlichkeiten hinter der Kapelle zurückgezogen hatte, erhoben sich die Anwesenden und bewegten sich gemächlich gen Ausgang.

Zanira erhob sich als die meisten schon die Tür durchschritten hatten, behielt dabei aber die “Tulamidin” im Blick, der sie dann in gemäßigten Schritt folgte. Auf dem Hof fing sie sie ab, vielleicht einen tick zu direkt begrüßte sie die Frau auf nebachotischem Tulamidya: “Marascha, ede’bastra Sayidam.” (Marascha = Begrüßungsformel, ede’bastra Sayidam = edle Dame)

"Marascha", antwortete die Frau mit Khunchomer Dialekt.

Zanira begegnete der Antwort mit einem Lächeln und fuhr in Nebachotisch fort: “Mein Name ist Zanira von Pfiffenstock, Zanira han Fir’Enock in der nordtulamidischen Zunge, Ihr seit mir als willkommener Farbtupfer in der Kapelle aufgefallen und ich dachte ich könnte mein eingestaubtes Tulamidya einmal wieder auffrischen, also verzeiht mir wenn es vielleicht etwas kantig wirkt, was man aber ohnehin über unseren Dialekt sagt.”

"Die gleißende Sonne überstrahlt diesere Tage die Farben des Regenbogens", antwortete die Tulamidin mit den dunkelbraunen Locken im weitaus geschmeidigeren Tulamidya, "mein Name ist Sulibeth saba Rhayada, ich bin Medica an diesem Hof."

Abwägend, wie offen sie ihre Gedanken dazu äußern sollte, ließ sich Zanira Zeit: “Ist es nicht die Sonne die uns die Herrlichkeit des Regenbogens erst erblicken lässt? Während des Regenbogens Pracht wiederum die Sonne erfreut in seiner Unschuld. Zwei Geschenke die einander bedingen und dem Leben und dem Land Wahrhaftigkeit schenken.”, zufrieden nickte sie der Heilerin zu, schaute ob ihre (un)freiwilligen Gefährten noch in der Nähe waren und knüpfte an: “Aber wer möchte schon solch huldvolle Geschenke vergleichen? Ich jedenfalls nicht, es gibt derer so viele, das ich frohlocke ob dieser Vielfalt, die uns auch das Sonnenlicht Zeuge sein lässt. Es freut mich jedenfalls Eure Bekanntschaft zu machen, edle Sulibeth, ehrhabenes Mädchen, welch schöner Name. Was verschlug jemanden wie euch an diesen Hof? – Aber bevor ich euch mit Fragen löchere, ich bin als Teil einer Gesandtschaft aus dem nahen Monvaldorn angereist, um dem Sonnengrafen die Aufwartung zu machen.”

Sulibeth musterte die nebachotische Fremde mit einem schwer zu deutenden Blick. "Ihr verweilt noch nicht lange an diesem Hof, nicht wahr? Ihr sprecht wahre Worte, die mein Herz berühren, doch hier verbrennt die gleißende Sonne alles was schön und farbenfroh ist. Das war nicht immer so. Auch muss ich Eure Hoffnungen enttäuschen, der Graf empfängt niemanden mehr außer der Geweihten des Herrn Praios." Die Tulamidin kam einen Schritt dichter an Zanira heran und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: "Folgt mir in mein Quartier … gerne auch mit Euren Begleitern. Bei einer Wasserpfeife lassen sich Dinge entspannter bereden."

Positiv überrascht über die Offenheit der Tulamidin – Zanira gab dem vertreuten und wohl nicht für alle verständlichen Tulamidya einen guten Anteil daran – schätze sie die Heilerin Sulibeth kurz ab, gab sich dann aber einen Ruck, schon allein weil sie die Frau interessant fand und eben auch weil sie genau deswegen hier waren. Noch einmal schaute Nebachotin mit ihrem “Ilmenblatt”-Blick sich um zu ihren Gefährten, die sich gerade den anderen beiden Farbtupfern (stimmt das?) widmeten und gab dann zur Antwort: “Ja, es heisst, dass die Sonne anderswo heißer und unerbittlicher brennt, weil sie doch verlernt hat das ihre Strahlen eigentlich Leben heißen. Und so würde ich darüber nur allzu gerne bei einer guten Huqa philosophieren. Vielleicht leisten uns meine Gefährten und ihre Bekanntschaft ja Gesellschaft? Denkt ihr diese taugen für solche hohe Philosophie?” Zanira selber hätte sich tatsächlich auch wohler gefühlt, wenn ihre Monvaldorner Gesellschaft an ihrer Seite wäre, auch wenn sie diese auch immer noch mit Maß nahm, aber man wusste ja nie.

Die tulamidische Medica blickte zu den beiden in Blau und Rot gekleideten Personen hinüber. "Wolkenbolt und Feuerborn meint Ihr? DIe Narren am Hof … nunmehr in vieler Hinsicht. Die Wänder flüstern, die beiden wurden noch von der seligen Mutter des Grafen in Dienst gestellt - und zwar für mehr als nur die Narren zu spielen. Doch wie mir scheint, haben sie die Gunst des Grafen verloren."

Das Ende der Predigt oder vielmehr das Verhalten des Grafen, zogen die Linien im sich abzeichnenden Bild mit dicken Strichen nach. So verließ Brinburga gemeinsam mit den anderen Anwesenden langsam die Kapelle, während sie den Herrn in Blau im Auge behielt. Ganz in der Rolle einer erfahrenen Hofdame, schlenderte sie auf den Herrn zu und wandte sich in einem ihr passend erscheinenden Augenblick an ihn: “Praios zum Gruße, guter Mann! Meine Gefährten und ich sind erst kurz vor der Predigt aus dem nahen Monvaldorn hier angekommen und so ist uns der Hof noch unvertraut. Eure prächtig blaue Gewandung erregte meine Aufmerksamkeit, ähnelt es doch dem Blau des Himmelszelts und Efferds prächtigen Wogen im Silvandorn. Könntet Ihr uns womöglich helfen, sodass wir nicht wider des Protokoll am Hofe handeln?” Derweil blickte sie ihn gleichermaßen freundlich, aber auch aufmerksam an.

"Aus den dunklen, neuen alten Landen Monvaldorn, die mal Höllenwall hießen, seit Ihr also an den lichten Hof der Sonne gekommen. Na dem." Ein breites Grinsen legte sich auf das Gesicht des kleinen, schlanken Mannes. "Mein Name ist Wolkenbolt, gräflicher Akrobat und Gaukler. Das zumindest beschreibt meine Profession in früheren Tagen. Geblieben ist das Blau meiner Kleidung. Dem Grafen ist nicht mehr nach belustigender Unterhaltung. Wenn Ihr und Eure Freunde nicht auffallend wollt, so kleidet euch ins reinste Weiß das ihr finden könnt."

Etwas belustigt sah Brinburga an sich herab, trug sie schließlich ein weißes Gewand - wenn auch mit schwarzen Nähten abgesetzt. Die von ihr sonst getragene Alternative wäre Schwarz mit silbernen Nähten gewesen. “Danke für diesen Rat, ich werde meinen Gefährten diesen Rat weitergeben.”

Sie nickte ihm zu und lächelte wohlwollend. “Es betrübt mich zu hören, dass wir nicht in den Genuss Eurer Künste kommen werden. Doch freut es mich zu hören, dass Euer Geist noch immer so frei ist, wie der Himmel weit.”

Derweil nahm sie sich vor, sich als nächstes zur Pfiffenstock zu begeben. Jedoch kamen Zanira und die Medica der Vairningen zuvor. "Herrschaften, wir sind erfreut neue Gesichter bei Hofe zu sehen", sprach Sulibeth im Akzent freien Garethi. "Ich würde gerne mein Angebot, dass ich der Dame von Pfiffenstock bereits unterbreitet habe, erneuern. Ziehen wir uns doch in meine Räumlichkeiten zurück. Zu viele bunte Farbtupfer auf einem Fleck mögen unangenehme Aufmerksamkeit auf sich ziehen."



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4. Tsa 1044 BF 16:00:00 Uhr
Am Grafenhof II
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Kapitel 5

Am Grafenhof III