Geschichten:Das Blut der Erben – In den dunklen Forst

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Junkertum Weißenstein, Ingerimm 1042 BF:

Vergnügt stromerten die beiden Pagen Alrik Melbert und Noring durch die Weißensteiner Au. Sie sollten für die Küchenmeisterin verschiedene Kräuter sammeln. Die beiden Jungen freuten sich immer sehr, wenn sie mal außerhalb des Marktfleckens Weißenstein - der praktisch nur aus der trutzigen Burg gleichen Namens und dem überdimensionalen Praios-Tempel, sowie ein paar Bauernhäusern, bestand - rumtollen durften. Hier, am Rande des Reichsforst, war kein Erwachsener, der sie permanent maßregelte. Zuhause, da hatten sie sich den strengen Regeln der Praioten unterzuordnen. Er durfte nicht getobt werden, nicht gerannt, nicht geflucht – also alles was Kindern in ihrem Alter Spaß machte. Zu jeder Praiosstunde, egal ob am Tage oder in der Nacht, pilgerte die Junkersfamilie mit ihrem Gefolge in den gegenüberliegenden Praios-Tempel um dort ehrfürchtig den Predigten vom Custos Lumini zu lauschen. Jedes Stundenglas ertönte vom Tempel aus der Praiosgong und jeder Bewohner Weißensteins wusste was er wann zu erledigen hatte. Alles hatte seine Ordnung. Selbst die nicht seltenen Hexenverbrennungen folgten einem strickten Zeitplan. Diese begannen stets zur Hesindestunde – fast mochte man den Weißensteiner Praioten Ironie unterstellen.

So tollten die beiden Jungen also durch die lichten Auen und kamen dem Waldrand immer näher.

"Wir sollten nicht zu weit gehen … der Wald … ich meine... ." Die wässrig blauen Augen des Weißensteiners sprachen von Unbehagen.

"Auch was, wir müssen in den Wald um alles zu finden was uns aufgetragen wurde. Komm, das wird lustig." Alrik war stets der Mutigere und auch der Stärkere von den beiden. Dennoch verband die Jungen etwas. Beide verloren ihre Väter, in Norings Fall auch seine Mutter. Seine Eltern wurden vor wenigen Götterläufen von ketzerischen Bekennern brutal ermordet. Alriks Vater starb im Duell mit Baronin Tahlmare von Linara. Oh wie sehr er doch diese Elfenbaronin dafür hasste. Eigentlich müsste sein Großvater Baron von Linara sein und er würde ihm dann nachfolgen. Doch in der Answinkrise verlor die Familie Leustein den Baronstitel von Linara.

"Sie haben uns aber verboten in den Wald zu gehen." Die Stimme Noring war beinahe flehentlich. Aber es war schon zu spät, Alrik war schon losgelaufen und verschwand im Grün des Waldes. Zögernd folgte ihm Noring.

Nahe des Waldrandes war der Wald noch licht und der Reichsforst wirkte wie jeder andere Wald auch. Doch schon nach wenigen Schritten wurde das Unterholz dichter und immer weniger von Praios Strahlen schaffte es durch das Dickicht. Noring hatte Mühe sich im Wald zu orientieren, außerdem hatte er große Angst vor dem Grauen des Reichsforstes. Der Custos Lumini warnte in jeder Predigt vor den düsteren Kreaturen des Waldes.

So langsam hatten sich seine Augen an die dunkleren Lichtverhältnisse gewöhnt. Er hatte Angst. Da wo Praios Strahlen nicht hinkamen konnte kein guter Ort sein. Vorsichtig kletterte er über umgestürzte Baumstämme und kämpfte sich durch dichtes Buschwerk. Dann hörte er Stimmen. In der Ferne sah er Alrik, doch er war nicht allein. Eine Frau und zwei Männer, in schwarzem Leder gekleidet, standen um ihn herum. Einer der Männer holte mit seiner Glefe aus und schlug Alrik mit dem Stiel gegen den Hinterkopf, so das der junge bewusstlos zusammenbrach. Noring hielt sich vor Entsetzen den Mund zu und verstecke sich hinter einem Baumstamm. Es musste eine Ewigkeit gedauert haben, bis er sich wieder rühren konnte. Vorsichtig blickte er in die Richtung, wo er Alrik und die Angreifer das letzte Mal gesehen hatte. Sie waren weg und Alrik hatten sie mitgenommen.


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Burg Weißenstein, nur wenig später:

An die Ohren schleifte Aldegund von Weißenstein Noring durch die Burg ins Amtszimmer des Junkers. Die Marktvögtin von Weißenstein mochte die siebzig Götterläufe schon weit überschritten haben, doch hatte sie nichts von ihrer Zähigkeit eingebüßt. Wachen hatten den Jungen nahe dem Hexenhügel aufgegriffen.

"Dieser Flegel war mit Alrik in der Au … und nicht nur das, die Burschen sind in den Reichsforst gegangen … und nun ist Alrik verschwunden."

"WAS?", brüllte Junker Arnulf von Weißenstein. "Wie könnt ihr es wagen."

"Er wurde verschleppt, von drei Schwarz gekleideten Rumtreibern … die haben ihn mitgenommen, ich schwör, bei Praios." Mit diesen Worten fing sich Noring eine Backpfeife ein.

"Du wagst es den Götterfürsten auf deinen Lippen zu tragen." Das Gesicht des Junkers war nun so Feuerrot die die brennenden Scheiterhaufen auf dem Hexenhügel. "In meinen Landen gibt es keine Herumtreiber. Geh in den Tempel, dort wirst du bis zur morgigen zweiten Praiosstunde beten."

Nachdem er wieder alleine in seinem Amtszimmer war, ließ sich Junker Arnulf in seinen Stuhl runter sinken. Welch Unbill, nun musste er seinem treuen Freund Irberod von Leustein mitteilen, dass sein Enkel im Reichsforst verschollen war.



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3. Ing 1042 BF
In den dunklen Forst


Kapitel 1

Der glutäugige Stier
Autor: Bega