Geschichten:Unter Geiern – Traurige Kunde

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Burg Scharfenstein, 8. Tsa 1044 BF

Eylrun von Erlenfall blickte Baron Drego fragend an. Zur seiner Linken stand seine Hofkaplanin, Lindegard Tempeltreu. Sonst befand sich niemand im Raum. Nicht einmal seine Knappen. Augenblicklich fühlte sich die Erlenfallerin unwohl.

„Setzten wir uns doch“, der Altjachterner deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. Die Ritter setzten sich. Lindegard Tempeltreu reichte beiden einen Becher Wein, blieb jedoch stehen, obgleich es noch einen freien Stuhl neben dem Baron gab. Ihr Blick glitt immer wieder zum Fenster in den Innenhof.

„Obgleich Eure Familie mit mir im Zwist liegt, bin ich sehr froh, dass das auf unser Verhältnis nicht zutrifft“, hob der Baron an.

Die Erlenfallerin nickte bestätigend und nippte an ihrem Becher Wein um nichts sagen zu müssen.

„Die ganze Situation bereitet mir natürlich trotzdem Sorgen“, fuhr er fort, „Euer Oheim hat noch immer seinen Lehenseid nicht geleistet. Er hat auch niemanden anderen an seiner statt geschickt.“ Nun zuckte er sichtlich hilflos mit den Schultern. Wieder einmal stellte die junge Ritterin fest, dass Drego von Altjachtern dem Baronsreif nicht wirklich gewachsen schien und wären da nicht die Raukenfelserin und all die anderen Mitglieder seinen Hofes, wäre ihm der Baronsreif gewiss schon längst abhanden gekommen – vielleicht sogar mit seinem Kopf. „Und dann auch noch die Fehde mit den Pfortensteinern.“

„Die aber nichts mit Euch zu tun hat, Hochgeboren“, meinte Eylrun da, „Und auch nichts mit mir. Zumindest nicht direkt.“

Nun nickte Baron Drego nachdenklich.

„Ich war die meiste Zeit meines Lebens hier auf Burg Scharfenstein. Zuerst war ich bei Baron Raulfried Pagin, später seine Knappin, nach seinem Tod in der Fehde wurde ich zu Eurer Knappin und kurz darauf habe ich von Euch meinen Ritterschlag erhalten. Bei meiner Familie war ich in all den Götterläufen nicht sonderlich häufig. Ich weiß daher recht wenig von den Dingen, die da vor sich gehen. Ich kann euch also weder etwas zur Fehde sagen, noch zu den Gründen, warum noch immer der Lehenseid meines Oheims Euch gegenüber aussteht.“ Die letzte Aussage entsprach nicht ganz der Wahrheit. Zwar konnte sie nicht ganz sicher sein, doch sie hatte einen Verdacht. Ihre Familie beanspruchte seit jeher den Baronsreif Schwarztannens. Immer wieder hatten sie auch versucht ihn zu erlangen. Einer dieser Versuche hatte darin geendet, dass sie als Pagin nach Scharfenstein gebracht worden war – als Pfand. Damals hatte ihre Familie im Schatten der Erbstreitigkeiten der Familie Schwarztannen versucht sich den Baronsreif zu sichern. Geglückt war das nicht. Und um sicher zu stellen, dass ihre Familie dem neuen Baron und Intimfeind der ganzen Familie nicht in den Rücken fiel, hatte man sie 1029 BF nach Scharfenstein gebracht. Seit dem war nichts mehr geschehen oder viel mehr hatte niemand von einem erneuten Versuch den Baronsreif zu erlangen erfahren. Bis die Fehde gekommen war. Sie hatte vieles verändert und sehr wahrscheinlich sah ihr Oheim nun die Zeit gekommen erneut nach dem Baronsreif zu greifen. Und irgendwie konnte sie das auch verstehen. Baron Drego schien seiner neuen Aufgabe nicht wirklich gewachsen. Vermutlich war dies der Grund, warum der Lehenseid noch ausstand und warum das auch in absehbarer Zeit so bleiben würde.

„Aber deswegen habt Ihr mich doch nicht rufen lassen, nicht wahr?“

Baron Drego senkte seinen Blick und schüttelte den Kopf und bestätigte „Nein.“ Plötzlich wirkte er merkwürdig blass.

„Warum denn dann?“

Er schluckte, hob seinen Blick und wollte gerade anheben etwas zu sagen, da verkündete Lindegard: „Sie kommt gerade. Wartet einen Moment, Hochgeboren. Es ist besser, wenn Perainidane mit ihr spricht.“

„Per... ?“, die Worte blieben Eylrun im Halse stecken, „Worüber soll Perainidane mit mir sprechen?“ Die Ritterin blickt vom Baron zu dessen Hofkaplanin. Diese wirkte plötzlich seltsam angespannt.

„Was ist geschehen?“, wollte die Erlenfallerin von der Geweihten wissen.

Lindegard schluckte: „Eure Familie war in eine Auseinandersetzung verwickelt.“

„Im Rahmen der Fehde mit den Pfortensteinern?“

Ein kurzes Nicken.

„Gibt es Gefangene? Lösegeldforderungen?“

Kopfschütteln.

„Tote?“, nun klang ihre Stimme nicht mehr wie ihre eigene.

Sowohl der Baron als auch seine Hofkaplanin schwiegen. Sie tauschten vielsagende Blicke aus.

„Wer?“, Eylruns Stimme klang noch fremder als zuvor.

„Es tut mir sehr leid“, rang sich schließlich die Hofkaplanin durch, „Es ist Euer Vater.“