Geschichten:Zunge wie ein Säbel - Die liebe Nachbarschaft
Junkertum Altmark, Winter 1045 BF
„Er schreibt - in seinem typisch gehässig-abgehobenen Ton - sie hätte eine stille Verfügung aufgesetzt. Und zwar gleich nachdem der Bann ihres nichtsnutzigen, wirren Gatten die Runde gemacht hat, sie hat jetzt diese Befugnisse. In dieser Verfügung bekräftigt sie nochmals ihren Bruch mit ihrem ehemaligen Gatten, dessen Pflichten sie schon, an seiner Statt, seit geraumer Zeit ausführt und dessen Vollmachten sie nun für ihre Kinder bis zu deren Erwachsenenalter übernehmen wird. Ausgenommen davon – und das ist springende Punkt dabei – ist explizit ihr erstgeborener, – Zitat aus seinem Servans Brief – „einfältiger, kränklicher und dennoch aufmüpfiger Sohn“. Anscheinend spricht sie in der Verfügung tatsächlich von seinem „ausnehmend sanften Gemüt, seinen körperlichen Besonderheiten und seinem madaischen Makel“ – eine vmtl. bewusst althergebrachte, nebachotische Wortschöpfung, in der Tradition der ihr sonst so spinnefeinden Altgestrigen. Natürlich verpackt in ihre typisch blumigen, weniger reizbaren Worte, die ganz beiläufig vorallem ihre Zweitgeborene hofieren, ohne expllizit zu werden. Fast schon mutig.
Unser verdeckter Vetter soll sich nun noch mehr um eine Früherziehung des Jungen kümmern, schreibt er, das politische ausklammernd, das wird er jedoch zu untergraben wissen. Zuletzt schreibt Servan noch von den üblichen Verdachtsmomenten zum Bündnis mit den Alxertisern, aber auch über angedachte Gespräche mit den garetischen Zweifelfelsern, bzgl. des nun vakanten waldsteinschen Wuchsenwald – oder auch mit des Gockels Hinterlassenen in der Kaisermark und in Eslamsgrund.“
Ailah von Altmark endete mit der Zusammenfassung und dachte laut nach: „Vielleicht ist dies der Beginn, dessen was die Intarsien der Lade beschreiben, ja beinahe ankündigen. Das Weißhaupt – ein erster Bruch mit dem Sohn. Dieser Schritt wird sie auf Dauer wanken lassen und dann ist unsere Zeit gekommen. Dementsprechend sollte Voltan bald seine neuen Kontakte spielen lassen, es ist noch Zeit, aber auch wir sollten uns positionieren. Vor allem sollte diese stille Verfügung eine laute werden. Einige werden zwar ihren aufgesetzten Mut, aus Althergebrachtem auszubrechen, bewundern, doch es wird auch sehr viel Misstrauen hervorbringen. Wir müssen nur den richtigen Zeitpunkt finden, jetzt wird derzeit noch alles durch ihren Gatten überschattet, daraus windet sie sich bereits heraus, doch wir werden ihr danach keine Ruhe gönnen.