Geschichten:Auf Travias Wegen - Erwachen

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Hesinde-Kloster St. Ancilla, Ingerimm 1036 BF:

Was für eine Nacht! Edorian war schreckartig aus seinem Schlaf erwacht - wie so oft. Er reckte sich und blickte dann, noch etwas verschlafen, neben sich. Dort lag er, auf der Seite zu ihm gewandt, noch seelenruhig schlafend. Der nackte Brustkorb bewegte sich sanft im Rhythmus des Atems. Es strömte eine Ruhe von ihm aus, die auch sogleich den Junker aus Waldstein erfasste. Edorian atmete tief aus und musterte seinen Gegenüber während dieser weiter schlief. Lange ist es her, dachte er sich und strich mit seinen Fingern durch die braun gelockten Haare des jungen Mannes. Es war nun eine gefühlte Ewigkeit her, dass sich die beiden Männer das letzte Mal gesehen hatten und ähnlich innige Momente zusammen erleben dürften. Es war auf der Hochzeit in Bärenau, stellte Edorian amüsiert ob des überraschenden Wiedersehens der beiden dort fest, aber es erschreckte ihn auch, waren seither doch mehr als zwei Götterläufe vergangen. Wie schnell die Zeit vergeht.

Was war nicht alles passiert seit ihrem letzten Aufeinandertreffen. Edorian hatte sich neu vermählt, war wieder Vater geworden, zweifacher sogar. Auch sonst lief es gut für ihn, er war königlicher Jagd- und Forstmeister zu Neerbusch und graflicher Wegevogt geworden. Auch hatte er seine Stellung innerhalb des Waldsteiner Niederadels mehr als festigen können. Aber es gab immer wieder diese eigenartigen Momente, diese Momente der inneren Leere, da sehnte er sich besonders nach ihm, nach seiner Anwesenheit, nach seinen Berührungen, danach seinen Atem zu spüren. Dann ließ er sich eine Karaffe mit Zyrpicumer Wein bringen und blickte zumeist Gedankenverloren in die undurchdringlich erscheinenden Tiefen des Reichsforstes.

Es war ja nicht so, dass Edorian keine Zerstreuung hatte, beileibe nicht, er war ja kein frigider Darpate. Seine Gemahlin verweilte zwar die meiste Zeit in Linara, aber mit ihr verband Edorian eh eher so etwas wie freundschaftliche Zuneigung und dies war so durchaus auch beidseitig der Fall. Eine angemessene Verbindung also. Nun, und für die körperlichen Gelüste gab es ja noch Hartudan und Yann. Das Buhlen der beiden um seine Gunst amüsierte und umschmeichelte ihn, auch wenn ihm die Eifersüchteleien der beiden zunehmend störten. Dann war da natürlich noch Leomar, ja, wer hätte gedacht, dass die beiden Männer nach der Sache im Kloster Neerquell mal ein Bett miteinander teilen würden – Edorian sicher nicht. Allerdings war der Kronvogt in solchen Dingen sehr sprunghaft und es gab ja noch andere die der Zweifelfelser im Namen Rahjas begehrte, wie der schöne Ritter oder seine frisch angetraute Gemahlin – eine Geweihte der Rahja! Ausgerechnet. Nach dem überraschenden Tod von Mirya hatte Leomar nicht lange gezögert – natürlich auch weil eine fette Mitgift winkte. Konkurrenz gab es am Neerbuscher Königshof also viel, aber er hielt die Beziehung zu Leomar auch hauptsächlich aufrecht um so größeren Einfluss auf den Kronvogt ausüben zu können. Wirkliches innerliches Begehren war da nicht, auch wenn Leomar sehr ansehnlich war. Politik wird in den Betten des Reiches gemacht. Edorian lächelte in sich hinein, während seine Finger immer noch mit den braunen Locken seines Gegenübers spielten. All die anderen waren ihm egal, es gab nur einen der ihm wirklich etwas bedeutete, an den er dachte, nach dem er sich sehnte und dieser jemand lag gerade neben ihm.

„Was glaubst du was du da tust?“ kam es mit einem Male schleppend von Anshelm von Mistelstein, und ein Auge öffnete sich erst leicht, bevor auch das andere verschlafen folgte. Dunklen Kohlen gleich glitzerten sie aufmerksam sein Gegenüber an. Leicht verhangen vom Schlaf, doch keineswegs so kraftlos wie er vorgab. „Meine müden Knochen sagen mir, dass es unmöglich schon Zeit sein kann aufzustehen!“

Er fing die Hand ein, die sich eben von seinem Haar entfernen wollte, und hielt sie fest. „Noch immer diese Träume…?“ fragte er mitfühlend und strich mit der anderen Hand Edorians Haar aus seinem Gesicht um wenigstens etwas aus dessen Mimik zu erkennen.

Er hatte sich verändert, sehr verändert, oder war es eher so, dass Anshelm ihn nie kennen gelernt hatte wie er eigentlich war. Die gemeinsame Zeit verbrachten sie oft albern und voller Frohsinn, ohne sich Gedanken um das Morgen zu machen. Wie grau war im Vergleich dazu doch der triste und schnöde Alltag mit all seinen Sorgen, Nöten und Beschränktheiten.

Noch immer war zwischen Ihnen das vertraute Band - diese Erkenntnis hatte ihm beim Wiedersehen mehr erschreckt als gefreut. Fast hatte er gehofft, es wäre zerstört, vergangen, wie so vieles was vergeht im Laufe von Monden. Natürlich hatte er Ablenkung gesucht, und auch gefunden. Inzwischen bot er sogar einem ambitionierten Jüngling bisweilen Unterschlupf, wenn er es einmal wieder zu toll getrieben hatte mit seinen Eroberungen, doch was war das schon gegen die langen einsamen Stunden, die folgten, wenn die Leere sich ausbreitete wie die unausweichliche Flut im Frühjahr nach der Schneeschmelze. . Es gab wenig das half. Für waghalsige Kämpfe war er inzwischen zu sehr gereift. Kurze Liebeleien hatten immer einen schaleren Beigeschmack. Abwartend schaute er Edorian an.

„Verzeih mir mein Lieber, ich wollte dich nicht wecken.“ Liebevoll sah Edorian seinen Gegenüber an. „In meinem Kopf schwirren zu viele Gedanken umher... und dann noch dieses unsägliche Konkordat... eine Katastrophe ist das alles. Unsere plumpen Standesgenossen verbieten einfach mal so ein Kirche.“ Der Junker schüttelte verständnislos den Kopf. „Aber was soll´s, das soll uns heute nicht bekümmern.“ Ein sanftes Lächeln zauberte sich auf Edorians Gesicht und er legte seine Hand auf Anshelms Brust um seinen Herzschlag noch stärker zu spüren. Er wollte nicht mehr an Politik denken, an das Große und Ganze. Es war das kleine, das kostbare Glück, wonach er suchte. Und diese Momente der Zweisamkeit mit Anshelm gaben ihm dieses Gefühl des Glückes.

Dank seines Onkels, der Abt des Klosters war, hatte Edorian für sich und seinen Begleiter eines der Gästezimmer auf dem Gelände des Klosters erhalten. Welch Glück, denn die meisten eigens zum Konkordat von St. Ancilla angereisten Adligen müssten sich außerhalb des Klosters eine Bleibe suchen. Das Zimmer war klein und eher einfach eingerichtet. Ein breites, durchaus weiches Bett mit Schlangenschnitzereien versehen, eine kleine Kommode, darauf ein Spiegel und ein Stuhl. Mehr gab es nicht. Aber der Blick aus dem Fenster versöhnte, könnte man doch den prächtigen Schlangengarten sehen.

Anshelm reckte sich in den Decken, und verschaffte sich so Bewegungsfreiheit.

„Keine Seite hat sich wirklich mit Ruhm bekleckert hier!“ Er rieb sich mit einer Geste den Schlaf aus den Augen. ‚Edorian wollte reden? Gut, aber dazu sollte ich wohl besser wach sein!‘ dachte er bei sich! Dann entgegnete er nach kurzem Nachdenken: „Wobei man nicht sagen kann, sie hätten nicht viel gewagt die hohen Herrschaften, wenn man den Berichten Glauben schenken darf! Jetzt gilt es wohl zusammen zu halten, was noch geht, und abzuwarten, ob sich der, der dies all schürte zeigt und angreifbar wird.“ Die Augen Anshelm‘s blitzten mit einem Mal auf, doch er sagte nichts weiter.

Herzhaftes Gähnen und strecken folgte, wobei er mit einer plötzlichen Bewegung seinen Gefährten zu sich her zog und sich halb auf ihn legte.

„Führst du immer solch anstrengenden Gespräche im Bett? Das könnte ja sogar mich dafür begeistern…“ meinte er und küsste ihn neckend am Ohr.

„Anshelm, ich weiß ich werde mich gleich anhören wie dein Vater und es wird dir nicht gefallen was ich zu sagen habe, aber der Feldzug der Kaiserin gegen Haffax naht und...“ Der Mistersteiner atmete schwer aus, ahnte er doch worauf Edorian hinaus wollte. „Die Götterläufe gehen ins Land und du wirst nicht jünger. Ich weiß deine Eltern drängen dich einen Traviabund einzugehen und ich weiß auch was du davon hältst, aber unser Stand gewährt uns nicht nur Rechte die es uns ermöglichen ein einigermaßen sorgenfreies Leben zu führen, sondern es werden uns auch Pflichten auferlegt und dazu gehört es unserer Familie, der wir alles verdanken, gerecht zu werden. Zumal deine Familie nicht sehr viele Seelen zählt... Auch ich habe im Namen der Familienräson geheiratet, sogar zweimal. Als Stammhalter ist das unser Pflicht.“ Edorian schaute Anshelm ernst an. „Verstehe mich nicht falsch, mir persönlich geht es nicht darum, ob du die Blutlinie deiner Familie fortführst, mir geht es...“ Edorian stockte. „ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dich gegen Haffax ziehen zu lassen, ohne das ein Teil von dir, dein eigen Fleisch und Blut, zurückbleibt.“

Mit offenem Mund starrte Anshelm ihn inzwischen an. ‚Träum ich oder wach ich?‘ fragte er sich, seitdem dieses ungeliebte Thema zur Sprache gekommen war.

War er soeben noch ein wenig schlaftrunken gewesen, und willens den Tag im Bett erst einmal rahjagefällig zu beginnen, so war ihm die Laune gerade gehörig verhagelt worden. Regelrechte Magenschmerzen begannen sich umgehend breit zu machen, oder drückte es eher in der Brustgegend? Das Unwohlsein, das in ihm hoch kroch, schien so allumfassend zu sein, dass es ihm ratsam schien aufzustehen, bevor er sich noch in den Laken übergab.

Langsam ließ er sich darum erst einmal zurück auf seinen Rücken gleiten und atmete tief und lange aus. ‚ Schon besser! Stellte er für sich nach einigen Momenten in Gedanken fest. ‚Ich muss raus hier… Luft! Ich habe wahrlich schon viele Männer kennen gelernt, aber der hier sticht nicht nur zu, nein er dreht die Klinge dann auch noch langsam herum!‘

„Bei Praios“, murmelte er schließlich leise, „ich kann mir in Gnitzenkuhl wahrlich nur einen vorstellen der es schafft mir innerhalb so kurzer Zeit die Lust so gründlich auszutreiben! Ich stehe wohl besser auf, mir scheint unsere morgendliche Zweisamkeit hat ein Ende!“

Er rollte auf der anderen Seite aus dem Bett wo er sich dann aufrichtete und vorsichtig nackt zu stehen kam. Das flaue Gefühl war noch immer nicht vergangen. Wie immer vergaß er ausreichend zu essen, wenn es ihm gut ging, weswegen ihm aber der Rebensaft nicht weniger gut gemundet hatte am Vorabend. Mühsam, und um Selbstbeherrschung bemüht, schaute er Edorian ziemlich irritiert und verwirrt an.

„Du willst also ins gleiche Horn blasen wie meine Altvorderen? Mir sagen was ich zu tun und zu lassen habe…wegen Haffax?“ Unglaube blickte ihm trotzig entgegen, und seine Körperhaltung drückte aus, dass ihm hier keineswegs ein Mann gegenüber stand, der in diesem Thema mit ihm gleicher Meinung war.

Edorian erkannte, dass er Anshelm mit Vernunft oder Gefühlsduselei nicht erreichen konnte. So waren sie die Künstler, sie kannten nur ihre eigen Freiheit und sahen jeden gut gemeinten Rat als persönlichen Angriff auf ihre Person. Nun, dann eben anders.

„Du missverstehst mich mein lieber Freund. Ich möchte dir nichts vorschreiben noch zu etwas drängen.“ Edorian richtete sich nun auch auf. „Ich wollte auf zweierlei hinaus: Zum einen bewahrst du dir deinen Frieden und deine so geliebte Freiheit in dem du heiratest. Ja, es mag auf dem ersten Blick absurd klingen, aber was für eine Freiheit ist es, wenn dir deine Eltern immer wieder mit dem Thema in den Ohren liegen? Dich drängen oder gar unter Druck setzen? Das würde unweigerlich zu einem Bruch zwischen dir und deiner Familie führen. Also warum nicht heiraten und so beiden Seiten zufrieden stellen? Deine Eltern würden Ruhe geben und du hättest deinen Frieden wieder und könntest ungestört deinen Interessen nach gehen. Mein Lebenswandel hat sich durch meine Vermählung mit Sari nicht verändert. Wir sehen uns nur zu wichtigen Familienanlässen und sonst geht jeder seiner Wege.“

Anshelm sah ihn kritisch an. ‚Ist das wirklich so?‘ überlegte er bei sich. In der Tat war Sie ihm bislang nicht über Gebühr aufgefallen diese neue Frau an Edorians Seite.

Edorian stand nun auf und ging, ebenfalls noch unbekleidet, langsam auf Anshelm zu, dessen Miene noch immer dem eines kleine Jungen glich, den man zwingen wollte Schnallenschuhe anzuziehen, wo er doch lieber barfuß rennen wollte.

„Zum anderen wäre das eine Möglichkeit unser Band weiter zu vertiefen. Also, warum nimmst du nicht einfach meine Base zur Frau? Damit würden sich unsere Blutlinien vereinen.“ Edorian hatte sich damit sehr weit raus gewagt, was ihm auch bewusst war. Aber die Verbindung mit Anshelm war für ihn einen Herzensangelegenheit, also warum nicht durch seine Base Daria – die natürlich noch von nichts wusste, aber eins nach dem anderen.

Jetzt schaute Anshelm wirklich arg verblüfft.

„Du hast…“ erklang zunächst einige Stimmlagen zu hoch und zu heiser, dann nach einem energischen Räuspern und einem weiteren Schritt in Richtung Fenster: „… Du hast das schon geplant? Du hast am Ende gar schon mit ihr geredet und das Ganze ist bereits abgemacht?“

Wie ein Pferd, das vor einem zu hohen Hindernis scheut und dann alarmiert den Reiter abzuwerfen sucht, um doch noch mit heiler Haut davon zu kommen begann der Ritter rückwärts zu seinen lose verstreuten Kleidern zu stolpern. Alarmiert konnte man am besten das nennen was sein Gesicht zum Ausdruck brachte, ob des inzwischen sehr konkreten Vorstoßes seines Geliebten.

„Bei allem Verständnis für…für…ach ich weiß eigentlich gar nicht wofür ich Verständnis aufbringen sollte! Du hast dich ewig nicht in Gnitzenkuhl blicken lassen, ich wusste gar nicht ob ich dir überhaupt willkommen bin, und jetzt, jetzt soll ich deine Base ehelichen, die ich weder kenne, noch dass ich bislang den Eindruck hatte dir mehr zu bedeuten als…als einer dieser Speichellecker hier! Ich bin kein Hengst den man mal eben an die nächst Beste verschachert.“

Dabei klaubte Anshelm seine Kleider auf und stand dann mit dem Bündel unter den Armen vor Edorian und funkelte ihn erbost an. Allerdings wartete er wohl auf eine Antwort, denn er machte keine weiteren Anstalten zu gehen.

„Anshelm, ich habe gar nichts geplant“, Edorians Stimme klang ruhig und gesetzt, „der Gedanke kam mir heute Nacht. Meine Base weiß von nichts.“ Sanft berührte er seinen Gegenüber am Oberarm.

„Versteh doch, sollen tust du gar nichts, sieh es als Vorschlag meinerseits, nicht mehr und nicht weniger. Wenn du mir jetzt sagst, diese Option käme für dich absolut nicht in Frage, dann ist das eben so. Ich werde das Thema nicht mehr ansprechen und es geht alles weiter wie bisher. Es war dann eben nur ein Versuch dir zu helfen. Solltest du aber diese Option in Betracht ziehen, dann können wir Daria, so heißt sie, einen Besuch abstatten wenn du willst. Sie ist Verwalterin des Klosterguts Grünau und das liegt nur wenige Meilen von hier entfernt.“

„Wir werden ihr nicht sagen warum wir sie besuchen, sie wird auch keinen Verdacht schöpfen, ich wollte sie sowieso besuchen. Danach kannst du mir dann mitteilen was du von ihr hältst und dann passiert entweder gar nichts, oder ich leite das Nötige in die Wege... Es ist allein deine Entscheidung, mein lieber Freund.“

„Und ja, ich habe mich lange nicht in Gnitzenkuhl blicken lassen, aber ich habe nun Verantwortung in Waldstein zu tragen, gegenüber meinen Untertanen und nicht zuletzt gegenüber meiner Gräfin. Was meinst du wie oft ich aus den Fenster in den endlosen Reichsforst gestarrt und mir gewünscht habe bei dir zu sein.“

Ein tiefes Seufzen kündete von einer anstehenden Kapitulation des dunkel gelockten Mannes. Die sichtbar gewordene Anspannung in seinen Brustmuskeln ließ nach konnte Edorian sehen, und er wirkte nun nicht mehr wie ein Luchs vor dem Sprung. Stattdessen sah der Ritter aus der Markgrafschaft Perricum müde aus, als er sich jetzt langsam wieder auf das Bett sinken ließ und Edorian lange zweifelnd anblickte. „Daria also?“ Er schaute ihn unglücklich an. ‚Wieso sollte diese Frau von hier weg wollen?‘ überlegte er, allerdings gingen seine Gedanken viel mehr zurück an das hier und jetzt, denn zu dieser Frau. „Was wird es für einen Unterschied machen? Deine Verpflichtungen werden nicht weniger fürchte ich. Wir werden uns nach wie vor selten sehen! Wozu dann sie?“ Er strich sich die Haare aus der Stirn und zog sich weiter zurück auf das Bett. Missmutig warf er die Kleidung von sich und schaute zu seinem Geliebten auf. „Machen wir uns nichts vor, das ist unerheblich wer es ist!“

Edorian setzte sich langsam zu seinem Geliebten aufs Bett und streichelte ihn mitfühlend über den Oberschenkel. So unglücklich hatte er ihn noch nie erlebt. Beide hatten ihre seltenen Treffen stets dazu genutzt dem Alltag zu entfliehen. Sie hatten sich so ihre eigene Welt geschaffen, in der es kein Platz für schlechte Laune oder negative Gedanken gab. Eine Traumwelt. Nun aber brach der Alltag mit voller Wucht auf sie ein, sie waren aufgewacht – und Edorian hatte einen großen Anteil daran. Schließlich war er es, der dieses für Anshelm heikles Thema ansprach. Dennoch fühlte sich der waldsteiner Junker seinem Geliebten in diesem Moment so nah wie nie zuvor. Vielleicht war es an der Zeit sich dem Alltag zu stellen. Vielleicht war es aber auch der Anfang einer noch intensiveren Beziehung zwischen den beiden Männern. Edorian wirkte nachdenklich, doch eins war für ihn klar, er würde Anshelm auf keinen Fall aufgeben.

„Sicher werden wir beide unsere Verpflichtungen haben, ich in Waldstein und du in Perricum, aber wenn unsere Familien erst einmal verbunden sind, werden sich öfters Gelegenheiten ergeben uns zu sehen als jetzt. Ich würde es mir nicht neben lassen meine nächste Bestellung Zyrpicumer Wein persönlich abzuholen“, Edorian begann zu schmunzeln, „und sicherlich wäre es angebracht der Heimat deiner neuen Gemahlin ab und an einen Besuch abzustatten. Ich weiß aus sicheren Quellen, dass das Oberhaupt von ihrer Familie das verlangen würde... warte mal, „Edorian stutzte etwas gekünstelt, „das Familienoberhaupt bin ja ich.“ Der Waldsteiner grinste breit und stupste seinen gegenüber neckisch mit der Schulter an.

Anshelm lächelte ihn an, und legte seine Hand auf die wesentlich zartere des Waldsteiners. Warum musste sein Leben nur so eingeengt sein. Bisweilen beneidete er die, die immer umher zogen und frei wie die Vögel am Himmel schienen. Dann könnte er einfach hier verweilen, sich nicht um das Morgen kümmern müssen, sondern einfach…sein! Er blickte auf das Bild das sich ihm bot hinab, und hatte sogleich wieder eine Idee für ein Kunstwerk- aus weißen Marmor am besten, besser noch 2 Steinsorten, es wäre allerdings schwer diese zu verschmelzen optisch…! Eine zarte Berührung Edorians holte ihn in den Augenblick ihrer Zweisamkeit zurück, und er lächelte ihn entschuldigend an. Die Hände des Künstlers waren vom Umgang mit Hammer und Meißel nicht so weich und geschmeidig wie die seines Geliebten, sondern eher kraftvoll und zupackend. Dennoch hielt er nun die Hand des Waldsteiners sacht als sei sie aus feinem Glas und drehte sie um, um sich ihre Beschaffenheit genau einzuprägen, während er erneut ansetzte zu sprechen. „Du hast sicher Recht..“ kam langsam und mit Bedacht, „es ist sicher der rechte Moment sich den Tatsachen zu stellen, den Tatsachen die durch Haffax noch gewaltiger dreuen, als bislang. Ich weiß, ich neige dazu Dinge, die mir unbequem erscheinen und…mich schmerzen oder mir lästig sind so lange wie möglich hinaus zu zögern - aber in diesem Fall ist es wohl an der Zeit einmal Nägel mit Köpfen zu machen!“ Gedankenverloren strich er mit einem Finger Adern nach die sich wie blaue Schnüre über die feinen Handknochen legten. ‚ Ich muss ihn Zeichnen solange ich hier bin, damit ich nichts vergesse!‘ sinnierte er bei diesem Anblick, bevor er weiter sprach.

Seine Hand wanderte nun den Arm hinauf, wo er sich jede Einzelheit einzuprägen versuchte. „Wir werden deine Base wie du wünscht einmal besuchen, wenn du denkst, dass sie wirklich überhaupt willens wäre sich einer solchen Idee… zu beugen! Glaub aber nicht, dass ich ihr etwas vorspielen würde! Sie soll wissen auf was sie sich einließe!“



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Texte der Hauptreihe:
23. Ing 1036 BF zur mittäglichen Ingerimmstunde
Erwachen


Kapitel 1

Daria & Anshelm
Autor: Bega, Tomira