Geschichten:Mit Samthandschuhen (in Mendena) - Wer ist Dschafar?
Mendena, 30. Efferd 1037 BF
Vartosch Malur saß in der Gaststätte Voller Humpen und trank sein schales Bier. Er hatte schulterlange Haare, aufmerksame grüne Augen und einen gepflegten Knebelbart, doch seine Kleidung hatte schon bessere Tage gesehen. Vartosch war ein Händler und kam aus Eslamsbrück. Alle paar Wochen war er in Mendena, um Handelsgüter aufzukaufen, die er dann in seiner Heimatstadt weiter verkaufen konnte. Doch leider liefen seine Geschäfte nicht gut. Er hatte einfach kein glückliches Händchen in Handelsfragen und überlegte das eine oder andere Mal, ob er sich vielleicht der Garde Haffax´ anschließen sollte. Aber diesen Schritt zu gehen, fehlte ihm letztlich der Mut.
Zumindest war das die Geschichte, die er erzählte, wenn ihn jemand fragte. Denn sein Name Vartosch war genauso echt, wie die des Karmothgardisten Xandros – und beide waren in Wirklichkeit die selbe Person.
Vartosch hörte aufmerksam zu, was die anderen Schenkenbesucher erzählten. Es waren die üblichen Gespräche, die Sorgen der einfachen Menschen. Aber wer aufmerksam war, konnte aus diesen harmlosen Unterhaltungen einiges über die Stadt in Erfahung bringen.
So beschwerte sich beispielsweise ein Arbeiter aus der lebendigen Werft – unter vorgehaltener Hand – über die Anwesenheit der Garde. Daraus ließ sich schließen, daß Haffax der Werft einen besonderen Stellenwert entgegen brachte und daß die Arbeiter dort wohl schon einigen Ärger deswegen hatten. Das könnte eine gute Nährquelle für Aufstände geben, falls notwendig.
Doch eigentlich wollte er etwas über einen gewissen tulamidischen Magier namens Dschafar ibn Shariyar erfahren. Nachdem er die Dokumentenmappe, die er in der Unterkunft des Spions gefunden hatte, sorgfältig durchgelesen hatte, stieß er auf diesen Namen. Offenbar war er ein Magister ohne Lehrauftrag, der hauptsächlich thaumaturgische Auftragsarbeiten für das Heer von Haffax übernahm. Aus den Aufzeichnungen war zu entnehmen, daß der Agent meint herausgefunden zu haben, daß der Tulamide zum Dienst erpresst wurde und sogar geheime Kontakte zum tobrischen Widerstand an der Piratenküste pflegte. Und es wurde ein Wort doppelt eingekreist: "Samthandschuh".
Wer die Samthandschuhe waren, wußte Vartosch. Das war das Spitzel- und Agentennetzwerk von Haffax, das hatte er recht früh in Erfahrung gebracht. Vermutlich hatte dieser Dschafar etwas mit ihnen zu tun. Vielleicht eine Falle?
Sonst gab es in der Mappe nur Beschreibungen der hiesigen Machthaber und einige Einzelheiten zu ihnen. Nichts was Vartosch noch nicht gewußt und nicht bereits nach Gareth gesandt hatte.
Doch mittlerweile waren schon zwei Wochen vergangen und Vartosch hatte nicht viel neues erfahren. Dieser Magier war in der Stadt kaum bekannt. Lediglich als Karmothgardist Xandros ist ihm zu Ohren gekommen, daß es einen neuen tulamidischen Magier seit einigen Monaten in der hiesigen Magierakademie gab – vermutlich war das dieser Dschafar – und auf vorsichtiges Nachfragen, hatte er erfahren, daß dieser Magier ein sporadischer Gast im Vollen Humpen war.
Das war auch der Grund, warum er hier saß. Er wollte einen Blick auf diesen Magier werfen, doch bisher hat er ihn noch nicht zu Gesicht bekommen.
Groß nach ihm zu fragen, wollte Vartosch nicht, nicht in dieser Identität und auch nicht in der des Xandros, oder in den anderen, die er hatte. Denn damit hätte er nur auf sich aufmerksam gemacht und wenn es wirklich eine Falle war, konnte das tödlich für ihn enden. Es bestand die Möglichkeit, daß dieser Dschafar nur darauf wartete, daß sich ein mittelreichischer Agent ihm offenbart und dieser somit letztlich nur aufflog.
Vartosch verließ schließlich die Schenke, denn der Magier schien auch heute nicht aufzutauchen. Und davon abgesehen mußte er bald in die Garnision zurück.
Vorsichtig näherte er sich einem leerstehenden Haus. Und als er sicher war, nicht beobachtet zu werden, verschand er darin und begab sich in den Keller. Dies war eines seiner Verstecke und jedes mal verwendete er ein anderes, damit keine zufälligen Beobachter darauf aufmerksam werden konnten. In diesem Keller nahm er wieder die Idendität des Karmothgardisten an. Als Xandros das Haus diesmal durch die Hintertür wieder verließ, hatte er kurze Haare und war glatt rasiert und sein kräftiger Körper wurde durch ein gutes Kettenhemd geschützt. Vom Händler war keine Spur mehr zu erkennen – außer vielleicht die aufmerksamen, grünen Augen.
Eigentlich hatte Xandros bereits alle Informationen die er brauchte. Er mußte nur noch herausfinden, ob dieser Magier eine Falle war. Und dafür hatte er bereits eine Idee. Denn in dieser Schenke hatte er mehrmals den Vermieter des Hauses gesehen, in dem auch der Agent mit der Dokumentenmappe untergekommen war. Dieser Vermieter war offenbar jeden Tag hier.