Geschichten:Kaiserturnier 1041 BF - Ankunft der almadanischen Entourage

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„Bei den Göttern, mir war entfallen, wie diese Stadt stinkt!“, rümpfte Rahjada von Ehrenstein-Streitzig die schöne Nase, kaum, dass die Außenbezirke der Kaiserstadt in Sichtweite waren.

„Du hättest ja nicht mitkommen brauchen, Schwesterherz“, verdrehte Romina, die Jüngste der Töchter des Grafen von Ragath, die Augen. Eine durchaus treffende Anmerkung, immerhin hatte die mittlere der drei Schwestern vor kaum zwei Monden ihren zweiten Sohn zur Welt gebracht. Und nicht nur hätte jeder verstanden, wenn sich Domna Rahjada lieber noch im heimischen Ragath geschont hätte – die meisten Mitglieder der Reisegesellschaft hätten es ganz ohne Zweifel sogar begrüßt.

Denn ob sie die Schönste der drei Töchter Graf Brandils war, mochte im Auge des Betrachters liegen – die Anstrengendste war sie auf jeden Fall, da war sich ein jeder einig. Zumindest hinter vorgehaltener Hand. Und so war der Zug nur langsam voran gekommen, immer begleitet von den Launen der Comtessa. Bei den ausgiebigen Rasten beklagte sie sich über die Trostlosigkeit der Landschaft – zumindest im Hochland von Caldaia vermochte man ihr da zugegebenermaßen kaum zu widersprechen – obgleich sie ohnehin bis zum Markt Grambusch, wo man gestern eine letzte nächtliche Rast eingelegt hatte, die Bequemlichkeit einer Reisekutsche dem Sattel und dem damit verbundenen steten Blick auf die Landschaft vorgezogen hatte. Nun freilich wollte sie es sich als Almadanerin nicht nehmen lassen hoch zu Ross in die Kaiserstadt einzuziehen, und hatte auf den letzten Meilen des Weges auf ihr edles Elenviner Vollblut gewechselt.

Auch der Grafenhof zu Eslamsgrund zuvor war für die Comtessa eine kaum verhohlene Enttäuschung gewesen. Hier hatte man bei der Verwandtschaft einen mehrtätigen Aufenthalt eingelegt, doch vermochte die Hofhaltung des praiosfrommen Grafen und seiner Gemahlin, einer einarmigen Inquisitorin, in ihren Augen in keinster Weise mit dem lebensfrohen Treiben mitzuhalten, welches ihr gleichermaßen landesfremder Vater auf Castillo Ragath inszenierte. Immerhin gehörten Graf Brandils Empfänge, Bälle und Jagden zu den Höhepunkten im almadanischen Festivitätenkalender, dazu das Grafenturnier als einziges Turney von überregionaler Bedeutung im ganzen Fürstentum.

So war also diese gesamte Unternehmung aus Sicht Domna Rahjadas bislang höchst unpläsierlich verlaufen. Natürlich war trotzdem niemals zur Debatte gestanden das Kaiserturnier als eine Versammlung der Edelsten des Reiches zu verpassen. Gestank hin oder her. Allenfalls als ihre Schwester Concabella ihrerseits die Reise absagen musste, weil sie in guter Hoffnung war, mochte sie kurz gegrübelt haben, doch hatte sie sich schließlich doch von dem kleinen Gwain getrennt – der spitzen Zungen auf Burg Wendesin zufolge ohnehin mehr Zeit bei der Amme verbrachte, denn bei seiner hochwohlgeborenen Mutter.

Hernán von Aranjuez schmunzelte, als er eine Reihe dahinter Zeuge des Gespräches der ungleichen Schwestern wurde. Was würde seine liebe Gattin erst sagen, wenn sie erführe, dass sie nicht etwa im exquisiten Seelander logieren würden, sondern im freilich ebenfalls recht noblen Hotel Garetien? Nicht, dass der Baron und Junker ein Dukatenfuchser war – auch das Hotel Garetien würde mit einem kleinen Vermögen zu Buche schlagen – doch waren im Hotel Seelander schlicht nicht genug Zimmer frei gewesen. Und das, obgleich sie Gesinde und Waffenknechte ohnehin schon in eine preiswertere Herberge ausgelagert hatten.

Denn die Almadaner reisten mit einer beachtlichen Entourage, war doch das Kaiserturnier zwar das Ziel ihrer Reise, aber beileibe nicht der einzige Grund sich von Ragath her auf den Weg zu machen. Der erwähnte Familienbesuch auf Burg Reinherz, und dann würde es für einen Teil der Aranjuezer weiter nach Perricum gehen, wo mit Yamira von Aranjuez eine der ihren vor knapp einem Jahr einen Alxertis geheiratet hatte, der beim Eliteregiment Perricum diente, und keinen Urlaub bekommen hatte. Statt sich nun also in Gareth zu treffen, würde man von dort nach Perricum weiter reisen.

Gleich zwei Grafentöchter verlangten natürlich nach entsprechender Bedeckung, wenngleich zumindest der Wildfang Romina recht gut alleine zurechtgekommen wäre. Und so war ihre ungewöhnlich schnippische Antwort vorhin wohl dem Umstand geschuldet, dass sie sich bei einem Übungskampf mit Graf Siegesharts Rittern verletzt hatte, sodass ihr nicht nur das Reiten schwer fiel, sondern auch an eine Teilnahme am Kaiserturnier nicht mehr zu denken gewesen war. Zumindest nicht, ohne sich vor dem versammelten Reich zu blamieren.

Diesen schwerfälligen Zug aus gewisslich zwei Dutzend Reitern, drei Reise- und mehreren Trosskutschen, Packpferden und am Zügel geführten Schlachtrössern einzuholen, war für Nazir von Franfeld, seines Zeichens Obrist der Ragather Schlachtreiter, seinem Adjutanten und einem Burschen nicht sonderlich schwierig gewesen. Den Besuch des Eslamsgrunder Grafenhofes zuvor hatte er als echter Caldaier höflich aber bestimmt abgelehnt, und war daher erst jetzt auf der letzten Etappe zu dem Zug gestoßen.

So schritt sein Ross neben dem des Barons und Junkers an zweiter Stelle, während die beiden Grafentöchter vorneweg ritten. Hinter den beiden alten Soldaten ritten die drei Bannerträger: Lilithrud Ernathesa von Silvansbühler mit dem purpur-goldenen Rebengeviert der Grafschaft Ragath flankiert von Dom Nazirs Adjutanten mit der silbernen Distel auf blauem Grund des Hauses Franfeld und der junge Firumir vom Silbernen Tann mit dem silbernen Rabenschnabel auf schwarzem Grund des Hauses Aranjuez. Das Banner war viel zu groß für den kleinen Greifenfurter, doch hatte man auch hier kurz vor Gareth einen Wechsel vorgenommen. Anzures Ballan, Waffenmeister und bei solchen Gelegenheiten Aushilfs-Knappe Dom Hernáns, war bereitwillig in der Reiterkavalkade nach hinten gerückt, um dem jungen Pagen beim Einzug in die Metropole diesen Ehrenplatz zu überlassen.

Mit großen Augen bestaunte der Junge aus der Baronie Reichsweg auf seinem Pony die größer und größer werdenden Silhouetten der Capitale am Horizont. Seit einem Jahr diente er nun Hernán von Aranjuez als Page, und er hatte nicht gedacht, dass es eine noch größere Stadt als Punin geben könnte. Natürlich wusste er trotz seiner wenigen Jahre, dass Gareth noch größer war, doch war es beim Anblick Punins schlicht nicht vorstellbar gewesen, dass irgendwo noch mehr Menschen auf einem Flecken leben sollten. Und ebenso unvorstellbar, dass es hier doppelt, vielleicht gar dreimal so viele sein sollten, wie in der gesamten Markgrafschaft.

„Wie viele Ritter aus Greifenfurt werden zugegen sein?“, rief er mit heller Stimme nach vorne.

Hernán von Aranjuez wandte sich im Sattel halb zu seinem Zögling um: „Ich fürchte, mein junger Firumir, dass nur wenige Greifenfurter zugegen sein werden. Viele der besten Streiter Gräfin Irmenellas werden in der Mark benötigt, wo sie mit starkem Arm die Reichsgrenze gegen den Ork halten.“ Einer etwaigen Enttäuschung über das Abschneiden seiner Landsleute, hatte der Condottiere somit hoffentlich ein wenig vorgebaut. Denn eEs war nicht so, dass der Sohn des Barons zu Reichsweg an Selbstbewusstsein mangelte, aber hin und wieder schien es, als ließe sich der Junge noch zu sehr von Größe und schönem Schein seines neuen, südlichen Zuhauses blenden. Es war nun nicht so, dass der Baron und Junker gerne mit seinen greifenfurter Standesgenossen tauschen wollte, doch schien es ihm geboten, dass sein junger Page darüber seine stolzen Wurzeln nicht vergäße.

„Wen werdet Ihr fordern?“

Eine gute Frage. Beim Buhurt gab es nichts, was dem Aranjuezer mehr Vergnügen bereitete, als irgendwelche hochgekommenen Neuadligen aus dem Sattel zu prügeln. Beim Lanzengang war er ungleich konservativer, und hätte es sich am liebsten verbeten, dass irgendwelche Krämerssöhne und -töchter gemeinsam mit ihm in die Schranken traten. „Nun“, zuckte er mit den Schultern „…zunächst einmal muss ich ja zu den Reizern gelost werden. Aber natürlich hoffe ich, dass ich im Laufe des Turniers einmal die Lanzen mit dem herzoglichen Gatten meiner Schwägerin kreuzen kann.“

Der Obrist neben ihm lachte. „Natürlich erst nachdem ich Dom Nazir hier aus dem Sattel gestoßen habe“, zwinkerte er Firumir zu, drehte sich wieder nach vorne und stimmte in Nazir von Franfelds Lachen ein. Es versprachen einige interessante Tage zu werden.



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Texte der Hauptreihe:
Autor: Karim I.