Geschichten:Ein zufälliges Treffen
„Ja Wohlgeboren, wie ich euch schon sagte, wir werden uns der Sache annehmen. Doch verzeiht mir, wenn ich so offen spreche, es gibt, wissen die Zwölfe, Wichtigeres als die Prüfung eurer Bücher, die ihr als Ritterin eigentlich eigenverantwortlich regeln solltet. Die Sighelmsmark regiert sich schließlich nicht von selbst und die Belange des Burggrafen müssen nun einmal Vorrang haben!“
„Das verstehe ich ja, doch wann wollt ihr euch meiner Sache endlich annehmen? Im Rahjamond sagtet ihr mir ziemlich genau das Gleiche.“
Es fiel Jendwina von Bleusingk sichtlich schwer Ruhe zu bewahren. Wie sie merkte, hatte sie ihre Hände unwillkürlich zu Fäusten geballt. Ihre Handflächen waren schweißnass. Sie wusste, dass ihre rondragefällige Wut ihr hier nicht weiter helfen würde. Die Beherrschung zu verlieren würde alles noch schlimmer machen; adlig und formal höhergestellt oder nicht, sie war diesem studierten Tintenkleckser von einem Notar ausgeliefert, wenn sie ihre Bücher geprüft haben wollte. Einen rechtsgelehrten Verwalter auf eigene Kosten zu beschäftigen, konnte sie sich im Augenblick beim besten Willen nicht leisten.
„Ja das mag sein, aber seit Ingerimm geht hier alles drunter und drüber. Hört Wohlgeboren, ich werde mich der Sache so bald wie irgend möglich annehmen. Darauf gebe ich euch mein Wort, doch nun muss ich bitten, mich zu entschuldigen. Die Arbeit ruft und je schneller die getan ist, desto schneller komme ich zu euren Büchern.“
Ohne ein weiteres Wort stürmte Jendwina aus dem Raum. Die Tür fiel laut hinter ihr ins Schloss, doch sie bemerkte es kaum. Keinen Augenblick länger hätte sie es in diesem Raum ausgehalten und den schulmeisterhaften Ton dieses vermaledeiten Notars. Es war zum aus der Haut fahren. Erst hatte sie einen Brief an ihren Burggrafen geschrieben, in dem sie Alarich Ruhmrath von Gareth-Sighelmsmark ihre Situation schilderte und um Hilfe bat. Zurück erhalten hatte sie nur ein paar kurze Zeilen, dass die Verwaltung der Herrschaft Bleusingk ihre und nicht des Burggrafen Aufgabe sei. Wahrscheinlich hatte seine Hochwohlgeboren den Brief nie zu Gesicht bekommen. Darum war sie nach Schloss Neu-Sighelmsstein gekommen und hatte sich direkt an den Burggrafen gewandt. Dieser hatte sie freundlich und geduldig angehört und sie dann mit besten Wünschen an seine Kanzlei verwiesen. Wahrscheinlich hatte er ihr Problem gleich darauf wieder vergessen. Die Herrschaft Bleusingk war ein kleines Licht in der Sighelmsmark und so blieb sie auf sich allein gestellt und diesen Tintenklecksern ausgeliefert.
Wutschnaubend und schnellen Schrittes bog die junge Ritterin um eine Ecke… und stieß mit einem jungen Mann zusammen, der sie eben so entgeistert anblickte, wie sie ihn.
„Hoppla die Dame, was ist denn in uns gefahren?“ Ein spöttisches aber nicht unfreundliches Lächeln breitete sich auf seinen Gesicht aus. Jendwina musste ansich halten um es ihm nicht mit ihrem Kettenhandschuh herauszuprügeln. Artiges Palaver mit einer der in Samt und Seide gehüllten Schranzen des Burggrafenhofes war das letzte, wonach ihr nun der Sinn stand. Wer war dieser Mann eigentlich? Er trug teure Stoffe, aber konservativ geschnitten. Seine Haare waren dunkelbraun – beinahe schwarz – und er ließ sich einen Kaiser Reto Bart stehen. Mit seinen blauen Augen funkelte er sie immer noch spöttisch an. Irgendwoher kam ihr dieser Mann wage bekannt vor, doch sie kannte das Wappen auf seinem Wams nicht. Eine Weide in natürlichen Farben auf silber über einem blauen Wellenschildfuß ... Eigentlich war es ihr auch egal. Sie wollte nur noch aus diesem verfluchten Schloss heraus. Einen wilden Ritt durch die Felder und Weinberge, das braucht sie jetzt, das würde ihr helfen auf andere Gedanken zu kommen.
„Verzeiht, ich war etwas in Gedanken. Bitte entschuldigt.“ Behende schlängelte sich Jendwina an ihrem Gegenüber vorbei. Sie war einige Schritte weit gekommen als sie seine Stimme hinter sich vernahm: „Es ist wohl nicht gut gelaufen beim alten Bertram. Ja diese Notare in der Kanzlei können einem wirklich den letzten Nerv rauben. Ich kann euch versprechen, was immer euer Anliegen ist, ihr könnt auf seine Dienste warten bis Schwarztobrien befreit, das Liebliche Feld wieder fürs Reich gewonnen und unsere geliebte Kaiserin alt und grau geworden ist. Es sei denn natürlich ihr lasst etwas springen – Ehrerweisungen, ihr versteht. Oder aber ein hoher Würdenträger macht den gelehrten Geistern mal etwas Druck in eurer Sache und verzeiht mir, wenn ich sage, dass euer Onkel da kaum der richtige ist.“
Jendwina drehte sich zu dem Mann um. Wie sie diese lästigen kleinen Spielregeln des Hofes verabscheute, aber er hatte ihr Interesse geweckt.
„Und dennoch habe ich keine Dukaten über, um sie diesen gelehrten Geistern, wie ihr sie nennt, in den Rachen zu werfen und auch Kontakte habe ich hier bei Hofe nur wenige.“
„Ah, ich verstehe euer Problem. Nun vielleicht kann ich euch dabei helfen. Es lässt sich sicher der ein oder andere finden, der mir da einen kleinen Gefallen tun würde. Wenn ihr mir vielleicht sagen könntet, worum es genau geht. Ihr seid Jendwina von Bleusingk, wenn ich richtig gehe?“
„Ja ihr geht richtig. Aber wer seid ihr und warum solltet ihr mir so freimütig helfen wollen?“
„Oh wie ungehobelt von mir, bitte verzeiht“, der Mann deutete eine leichte Verbeugung an und wieder lag ein Lächeln auf seinem Gesicht als er sich aufrichtete: „Mein Name ist Cyberian von Weidenhoff und was eure zweite Frage betrifft: Sagen wir doch einfach, ich habe heute einen guten Tag.“