Geschichten:Schwägerinnen unter sich III
Ungläubig wiegte Malina den jüngsten Sproß auf ihrem Arm in den Schlaf. Leise sprach sie dabei mit Lyn weiter. „Und sie hat sich euch anvertraut? Was hat sie gesagt, warum sie so unglücklich ist? Ist es wegen...des Umzuges? Oder doch wegen dem Brüderchen?“
Lyn war sich immer noch unsicher, wie sie ihre Vermutung der Schwägerin am Besten erklären konnte. Die wichtige Frage war ja, wie Malina zu Magie stand. „Nein, es ist nicht wegen dem Umzug und auch nicht wegen ihrem Bruder. Es ist…“ Sie machte eine kurze Pause. „Es ist etwas geschehen, was sie sehr erschreckt hat.“
Betroffen schwieg Malina. Eigentlich war ihre Tochter nie besonders ängstlich gewesen. Sie grübelte was seit ihrer Ankunft passiert war, und ob es einen Vorfall gab, an den sie sich erinnern konnte. Nach einer kurzen Weile meinte sie schließlich kopfschüttelnd. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen was es gewesen sein soll. Eigentlich hat sie sich immer wohl gefühlt, wenn Tiere um sie herum waren. Jeden Tag war sie im Stall bei ihrem Pony, und mit Aldron stromerte sie den Rest der Zeit über das Gelände.“ Nachdenklich blickte sie Lyn in die Augen. Die Frau Ra’ouls wusste es, was es war, das konnte man sehen. „Was hat sie so erschreckt, dass sie sich so verschlossen hat?“
Lyn sprach leise und in ihrer Stimme waren Zweifel zu hören. Zweifel ob das was sie jetzt sagte, Sinn ergab. „Es ist etwas geschehen, was sie sich selbst nicht so ganz erklären kann. Sie hat… „ kurz brach sie ab um nach den passenden Worten zu suchen „Hm, ich kenn mich nicht so gut damit aus, aber ich glaube, sie hat ohne es zu wollen und ohne es bewusst zu tun, die Hunde, die Aldron bedroht haben, erschreckt. Sagt, liegt vielleicht die Gabe Madas in Eurer Familie?“ Erleichtert, dass die Frage nun gestellt war, sah sie Malina an und beobachtete deren Miene.
„Madas Gabe...?“ Viel zu laut war das aus ihrem Mund gekommen, sodass das Kleine in ihren Armen unruhig zu wimmern anfing, und sie erneut damit begann es zu wiegen. Allerdings, so konnte Lyn sehen, geschah das eher mechanisch weniger aus Sorge um das Befinden. „Wie meint ihr das? Madas Gabe? Was hat sie in Rondras Namen getan?“ Die Augen der Hauptfrau sahen aus, als ob sie es nicht fassen konnte, was Lyn da gefragt hatte. Dann fiel ihr der bedauerliche Zwischenfall wieder ein, der am Zwinger passiert war. Der Rüde, der sonst die Meute anführte hatte sich in der Einzäumung derart ungeschickt versucht durch zu zwängen, dass er sich selbst ein Holz ins Kreuz getrieben hatte. Ungläubig und mit offenem Mund starrte sie jetzt Lyn an. „Ihr wollt doch nicht etwa sagen, dass Quenja...? Ganz ausgeschlossen. Sie würde niemals einem Tier...!“ Nach Worten ringend und den immer unruhiger werdenden Säugling noch immer im Arm begann sie auf und ab zu laufen.
Lyn trat an Malina heran und legte ihr beruhigend die Hand auf dem Arm. „Nein, sie würde niemals einem Tier absichtlich Schaden zufügen. Und doch glaube ich, dass sie unbeabsichtigt an dem Schicksal des armen Tieres Schuld hat. Der Rüde hat Aldron bedroht, und ich denke, dass sie in ihrer Wut unbeabsichtigt Kräfte freigesetzt hat.“ Sie sah Malina ernst an. „Wenn mein Verdacht richtig ist, dann sollte sie schnellstmöglich einen Lehrmeister finden, auf dass weder sie noch sonst jemand versehentlich zu Schaden kommt.“
Die Gedanken überschlugen sich in Malinas übermüdetem Kopf. Erst war der Nachwuchs die halbe Nacht quengelnd ständig wach geworden, und jetzt sollte ihre Tochter eine...eine...Magierin werden? Sie hielt sich mit der freien Hand die Stirne die bedrohlich anfing dumpf zu pochen. Das war zuviel für ihre Nerven. Sie musste sofort raus hier, sonst würde sie noch platzen. Madas Gaben...sie wollte Nachdenken.
„Danke, vielen Dank für eure Mühen, ich muss jetzt erst einmal ... nachdenken.“ Die Amme, die sich still im Hintergrund gehalten hatte, kam schnell heran, als sie Malinas suchenden Blick sah. „Wenn A’urel mich sucht, ich bin mit Phejanka unterwegs...“ Sie warf Lyn noch einen entschuldigenden Blick zu, bevor sie an ihr vorbei aus dem Raum stürmte.
Lyn sah Malina hinterher und seufzte. Vielleicht hätte sie der Schwägerin ihren Verdacht behutsamer mitteilen sollen, aber Diplomatie war noch nie ihre Stärke gewesen.