Geschichten:Heimkehr - Travias Segen über Eibenhain

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Königlich Neerbusch, Junkertum Eibenhain, Dorf Eibenheim, 30.Tsa 1034 BF


Eine kleine Menschenmenge versammelte sich am Dorfweiher vor dem neu errichteten hölzernen Pavillon, in dem eine Statue zu stehen schien, die allerdings von einem großen Leinentuch verdeckt wurde. Getuschel war zu vernehmen, sollten doch am heutigen Tage gleich zwei große Feste gefeiert werden – und das hier im sonst so beschaulichen Eibenheim. Zum einen war heute der Tag der Erneuerung, der höchste Feiertag der Simia-Kirche und zu diesem Ehrentag sollte ein neuer Simia-Schrein geweiht werden. Zum anderen sollte heute auch die Vermählung des Junkers Edorian mit der Junkerin Sari von Linara-Grünweiden aus der Baronie Linara stattfinden. Beide Feierlichkeiten sollten hier nun ihren Höhepunkt finden.

Nahezu alle Familienmitglieder der Familie Feenwasser waren anwesend, selbst Kanzleirätin Darvina Salva von Feenwasser war aus dem fernen Elenvina angereist und selbstverständlich ließ sich auch der Abt des Hesinde-Klosters St. Ancilla nicht nehmen zu erscheinen. Lediglich der Vater des Bräutigams, Lares, blieb den Feierlichkeiten fern, was für mächtig Gesprächsstoff unter den Gemeinen sorgte. Er sei krank, wussten die einen zu berichten; nein, Vater und Sohn hätten sich überworfen, berichteten die anderen, während wieder andere kühl meinten, Lares sei wohl einfach ein gutes Fest in der Kaiserstadt dazwischen gekommen, so dass er dabei schlichtweg die Einladung in seine Heimat vergaß... außerdem sei der Vater des Junkers schon seit über 10 Jahren nicht mehr in Waldstein gewesen.

Auch die Familie der Braut wurde neugierig beäugt, war doch gar eine echte Baronin nach Eibenheim gekommen und noch dazu eine elfische, also so wie ihre Gräfin... man fühlte sich auf einmal richtig wichtig. Tahlmare von Linara war selbstverständlich angereist um der Vermählung ihrer Adoptivtochter Sari beizuwohnen, hatte sie doch zusammen mit Edorian´s Großmutter Elaya diesen Traviabund eingefädelt. Begleitet wurde sie von den vier Geschwistern Sari´s und ihrem Knappen Allessandrian, dem erstgeborenen Sohn und Erben des Bräutigams, sowie Sari´s zwei Kindern aus einem vorigen Traviabund, Arik und Ava.

Nun schritt also das Brautpaar vor den Pavillon vor dem bereits Simion Tannhäuser wartete und alle Anwesenden reckten die Hälse um einen Blick zu erhaschen. Dem ein oder anderen aufmerksamen Beobachter mögen die tiefen Augenringe der nun zu Vermählenden nicht entgangen sein – trotz dem Versuch diese mit dicker Schminke zu kaschieren, so wie das wohl in Gareth üblich war. Doch schien das niemanden zu beunruhigen, wussten doch alle warum das Brautpaar so übermüdet war: Einer alten Sitte folgend, verbrachten Edorian und Sari die vergangene Nacht im Reichsforst, um ihr Geschick in der Firun gefälligen Jagd unter Beweis zu stellen, um so dem grimmigen Gott ihren Respekt zu zollen. Das so Erlegte sollte dann am heutigen Tage als Hochzeitsbraten dienen. Dieser wird dann aber nicht etwa der adligen Hochzeitsgesellschaft aufgetischt, sondern den Untertanen, die, verbunden mit reichlich Freibier und Gebrannten, so auch Anteil am Glück des Brautpaares haben sollten.

Simion Tannhäuser, ein um die 30 Götterläufe zählender Ingerimm-Geweihter der den Lehren Simias folgte, begann nun vor den Versammelten zu sprechen. Er sprach vom schöpferischen Neubeginn, die dieser Moment für das Brautpaar bedeuten würde und hob hervor, dass Eheleute, die sich unter dem Schutz Simias vermählen, ein ereignisreiches und fortlaufend wandelbares Leben bevorstehen würde... er sprach davon, dass man sich hier in Waldstein Simia am nächsten fühlen und das ohne sein Erfindungsreichtum das Leben der Menschen viel beschwerlicher sein würde. Die Götter hätten in all ihrer Weisheit jedem Lebewesen, so auch dem Brautpaar, seinen Platz zugewiesen, doch war es Simia, der sie ermutigte das Beste daraus zu machen und nach Neuem zu streben, treu dem Wahlspruch der Familie Feenwasser entsprechend `Aus Altem wird Neues erwachsen´. Schließlich gab Simion Tannhäuser dem Brautpaar seinen Segen und endete die Zeremonie mit der wundersamen Erneuerung von einem am Vortag vom Brautpaar zerschlagenem Tonkrug. Er übergab Edorian und Sari den von feinen Fäden in den Farben des Regenbogens durchzogenen Krug als Zeichen ihres neuen Lebensabschnittes, den sie nun gemeinsam beschreiten würden. Die beiden drehten sich zu der Menschenmenge um und Jubel brauch aus. Einige der Anwesenden waren sichtlich gerührt, so konnte die hochschwangere Saria von Feenwasser, die mit ihrem Gemahl Caradan von Vierok aus der Kaisermark angereist war, ihre Freudentränen kaum unterdrücken, während ihre Zwillingsschwester Salka das ganze Treiben eher ungerührt verfolgte.

Edorian´s Schwester Salina strahlte förmlich das Brautpaar an, während ihr Gemahl Hartudan von Hartwalden-Hartsteen eher grimmig dreinschaute. Viel wurde über die beiden getuschelt, ging doch das Gerücht um, es stünde mit ihrem Traviabund nicht gut. Der Umstand, dass Salina nun schon seit gut einem Götterlauf in Leihenbutt für den Zornesorden das Edlengut Perainelob verwaltete und ihr Gemahl weiterhin hier lebte, befeuerte dieses Gerücht umso mehr. Einige Bedienstete glaubten gar zu wissen, dass Hartudan eine Rahja gefällige Beziehung zu dem gerade vermählten Edorian unterhalten würde... was, nach deren Meinung, zumindest seinen Unmut erklären würde. Was denn wohl die Braut dazu sagen würde, warfen einige auf, worauf andere erwiderten, dass adlige Hochzeiten eh alle arrangiert sein würden, da hätte Rahja nichts mit zu tun.

Zeit um sich zu sammeln gab es allerdings keine, denn nun sollte gleich der nächste Höhepunkt des Tages folgen, die Enthüllung der Statue des neuen Simia-Schreins, der als Geschenk es Junkers an seine Untertanen anlässlich seiner Vermählung gedacht war.

Sari und Edorian schritten in den Pavillon und zogen feierlich das weiße Leinentuch von der Statue. Zum Vorschein kam ein, auf einem Sockel ruhendes, mannsgroßes Abbild von Simia, der eine geschwungene und verästelte Krone trugt und in der Hand, weit nach oben gestreckt, einen faustgroßen Feueropal hielt. Im Sockel waren Töpferscheibe und Webstuhl, als dessen Erfinder Simia gilt, sowie einige Schwalben eingemeißelt. Wieder brach Jubel aus, die Schönheit und das Filigran der Statue ließ einige vor Staunen den Mund offen stehen.

Nun setzte sich die Hochzeitsgesellschaft in Bewegung zum Tempel der Schwanentöchter, der etwas außerhalb des Dörfchens Eibenheim lag. Die frisch Angetrauten wollten hier für den nächtlichen Jagderfolg danken. Sari und Edorian betraten zusammen mit Allessandrian Simariel von Feenwasser und Arik von Linara-Grünweiden (den jeweils Erstgeborenen des Brautpaares aus vorigen Traviabünden) den hölzernen Tempel und wurde von den beiden Tempelvorstehern Tarjo dem Jäger und Thorhalla Schwanenkind stumm nickend begrüßt. Die kleine Gruppe blieb andächtig vor dem ausgestopften großen weißen Hirsch im Zentrum des Tempels stehen und gedachte hier für einige Minuten schweigend Edorian´s Großvater Sigman, dem Stammvater der Familie Feenwasser und Stifter dieses Tempels. Schließlich begaben sie sich zu dem Altar des Firun vor dem ein kapitaler Eber lag – die Beute aus der nächtlichen Jagd. Allessandrian und Arik wurde nun, an des Brautpaares statt, die Ehre zuteil, den Eber zu Häuten. Das Fell verblieb als Opfergabe im Tempel, während der Eber nun in Kürze für das Festmahl hergerichtet werden sollte. Sari und Edorian begaben sich nun zum Altar der Schwanentöchter, dankten für ihr Geschick mit Bogen und Speer und gelobten die alten Jagdgesetze auch weiterhin zu ehren. Abschließend gab Thorhalla den beiden den Segen des Grimmigen und der lieblichen Schwanentöchter mit auf dem Weg.

Nun zog sich die adlige Hochzeitsgesellschaft zu einem Umtrunk auf das Gut Eibenheim zurück, während im Dorfhaus die Vorbereitungen für das Festmahl am frühen Abend schon im vollem Gange waren. Auf dem Weg durchs Dorf wurden besonders Aurentian und Salerian von den jungen Maiden und auch einigen Burschen mit schmachtenden Blicken bedacht, waren die beiden Ritter doch wahrlich eine Rahja wie auch Rondra gefällige Erscheinung.

Schließlich begann das Festmahl, das Edorian mit einer kleinen Rede eröffnete, in der er den gemeinsam mit seiner neuen Gemahlin Sari Firun gefällig erjagten Eber seinen Untertanen zum Geschenk machte... und die ließen sich das nicht zweimal sagen und langten ordentlich zu. Die adligen Herrschaften blieben bisweilen unter sich und saßen etwas erhöht auf einem Podest, während die Gemeinen unten Speis und Trank dankbar genossen. Zur Erbauung der Brautleute spielte Rohalia von Feenwasser, begleitet von ihrem Vater Adran, eine von ihr extra für diesen Anlass komponierte Weise auf ihrer Violine, was ob ihrer Schönheit auch die Gemeinen einen Moment inne hielten ließ und die adligen Gäste ganz und gar bezauberte.

Im weiteren Verlauf hörte man den Waldsteiner Hausritter Alarion von Feenwasser gemeinsam mit Gernot von Linara-Nordaue wie die beiden die militärisch-strategische Lage der Grafschaft diskutierten und die Mutter des Bräutigams, Simiane Sumudai vom Mandlaril-Feenwasser, wie sie mit Tahlmare von Linara über die Lage der Gildenmagie in Garetien philosophierte.

Während dessen ließ Allessandrian seinen Blick schweifen und blieb bei Jurga, der Pagin seines Vater hängen. Er wusste, dass sie ihm in Travia versprochen war... aber das lag noch in weiter Ferne für ihn, außerdem fand er sie...nett und das sollte für einen Traviabund ausreichen, wusste er doch von seinem Vater, dass man die Angelegenheiten Rahjas und Travias nicht immer unter einen Hut bekam und offensichtlich war dies auch nicht immer nötig – und die Familie ging vor. Er blickte weiter zu den beiden Knappen Linnert und Arik. Er verstand sich mit beiden sehr gut, auch wenn er Linnert nun nur noch selten sah, seit dem er, Allessandrian, an den Hof der Baronin von Linara gegangen war. Dort lernte er Arik kennen, der dort ebenfalls als Knappe diente. Am Anfang verstanden sich die beiden Jungen überhaupt nicht, sie waren zu verschieden – Allessandrian, der ruhige Schöngeist und Arik, der gerne auch mal laut los polterte. Das passte nicht. Mit der Zeit aber wussten sie sich in ihrer Verschiedenheit zu schätzen und ergänzten sich sehr gut. Fortan gab es sie am Hofe nur noch im Doppelpack – und nun waren sie Stiefbrüder, was ihre Freundschaft noch vertieften würde, glaubte Allessandrian. Nun fiel sein Blick auf Iserion, dem Scholar seiner Großmutter Simiane. Er war ein paar Götterläufe älter als Allessendrian und er kannte ihn nicht sehr gut, aber trotzdem fühlte er sich ihm verbunden, sollte er ihn ansprechen? Nein... Allessandrian riss sich schließlich aus seinen Gedanken und ging zum Tisch der anderen Knappen.

An einem anderen Tisch saß Thalia von Feenwasser zusammen mit ihren Basen Hesine und Linai und die drei Damen unterhielten sich prächtig mit den beiden Schwestern Sari´s, Livia von Linara-Waldwacht und Caya von Linara-Südaue. Anstoß ihres Gelächters waren die wenig von Hesinde gesegneten Waldsteiner Edelmänner. So manch böse Zunge behauptet später gar spöttisch, dass diese zur Schau gestellte Arroganz der fünf adligen Damen wohl der Grund dafür sei, dass sie allesamt noch unvermählt waren.

Zu fortgeschrittener Stunde zogen sich die Mitglieder der beiden Familie Feenwasser und Linara wieder auf Gut Eibenheim zurück, den Rest des denkwürdigen Abends wollten die Adligen unter sich verbringen um in vertrauter Runde dem vollendeten Harfenspiel der Waldsteiner Hofmusikerin Rohalia von Feenwasser zu lauschen, während die Gemeinen unten im Dorf weiter ihren Junker und ihre neue Junkerin feierten – auch, um so vergessen zu machen, dass am nächsten Tage wieder der graue Alltag und schwere Arbeit auf sie wartete.



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30. Tsa 1034 BF
Travias Segen über Eibenhain
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Kapitel 6

Travias Segen über Eibenhain
Autor: Bega, Tahlmare