Geschichten:Eine Grafschaft zu ordnen – Süße Dornen am See
Königlich Dornensee bis Burg Dornensee, 17. bis 19. Praios 1046 BF
Über den Höllendorn-Pfad, dessen Name u.a. noch vom alten Namen Monvaldorns herrührte, gelangte die Gruppe um den Landvogt also in den Süden Dornensees. Das königliche Lehen sollte die erste echte Station auf ihrer Reise sein, es wurde schon seit etlichen Jahrzehnten von Albur von Mersingen für die Königin verwaltet und er hatte es meist aus größeren Konflikten heraus gehalten, so auch aus denen der nahen Vergangenheit, generell schien er ein zurückhaltender Mann. Sein Lehen schien laut Karten und Erzählungen ein großer Flickenteppich von kleineren Herrschaftsgütern zu sein. Die meisten davon waren Vasallen der hiesigen Junker. Zwei davon gehörten den Familien Norden und Schartenstein, welche sich seit dem Blutigen Jahr immer mehr bzw. wieder den Pulethanern angeschlossen hatten, wusste der Ritter Bardsam stolz zu berichten. “Vor allem die Pulethaner sehen sich als Eslamsgrunder durch und durch, obgleich sie hier in einem königlichen Lehen ansässig sind. Am liebsten sähe ich sie Reih in Reih mit den caldaischen Brüdern und Schwestern der Familien Dorst und Yossenstein, doch so muss ich hier noch den Mittelsmann spielen.”, ergänzte er.
“Die insgeheim einflussreichste Familie, nach dem Kronvogt, ist allerdings die Familie Tannenheim”, fügte die Hogenthalerin etwas zu schnippisch hinzu. Mit diesen Feststellungen rastete man im kleinen Ort Süßfurt, wo man den Ort und seine Bewohner persönlich in Augenschein nahm und die örtliche Schulzin Joana Pagenmaiser die Gruppe in ihrem Haus so standesgemäß unterbrachte wie es ihr eben möglich war. Das fast fünfzig Sommer zählende Oberhaupt einer gutbetuchten Viehzüchterfamilie, war eine resolute Frau, die ein paar nette lokale Anekdoten erzählen konnte, aber auch nicht mehr. “Der örtliche Sauerbach, hieß vor dem Krieg der Magier noch Süßquell. Heute führt er zwar wieder Wasser, dafür schmeckt es allerdings häufig schal und säuerlich.” Dies sei aber nichts besorgniserregendes, die Dorfbewohner wüssten den Bach zu handhaben. Mit ein paar Kräutern wäre das Wasser wieder halbwegs genießbar. Dies hießen die Bannstrahler aus dem zum Glück entfernten Kloster Praiofold zwar für nicht hinnehmbar, aber diese seien, seit der "Praios-Graf" in Ungnade gefallen sei ohne etwas kleinlauter geworden und weniger reisefreudig (bzw. ruhten vor dem Sturm?). Jedenfalls sammle man diese Kräuter, mit Erlaubnis natürlich, im Wald beim benachbarten Ritter von Knochenfeld, wo es ob des nahen namensgebenden Feldes zwar spuke, dafür aber ganz besonders hilfreiche Kräuter wuchsen. Die Erlaubnis mit dem Nachbarn habe sie selbst ausgehandelt da der örtliche Junker, der ab von hier, auf Köttelstein lebe, oft anderweitig beschäftigt sei, mit “...nunja, er nennt es Buff-ta-ta.” zitierte sie etwas verlegen. Damian von Malagant spie sowohl bei dem Namen Köttelstein, als auch bei “Buff-ta-ta” beinahe sein Bier aus vor Amüsiertheit. Er hatte schonmal von Köttelstein gehört und wusste, dass es so hieß, weil die Burg kein schöner Anblick war. Das andere war ihm wiederum neu. “Jedenfalls hält Bruder Lucrann die Kräuter für unbedenklich, wenn auch ungewöhnlich.”
“Bruder Lucrann?” fragte Felian. “Ah, natürlich, Bruder Lucrann ist ein Laienpriester der gütigen Herrin Peraine, dessen Gattin hier aus der Gegend stammt und er deshalb des öfteren vor Ort war, um unseren Schrein zu pflegen. Er ist der einzige Ort, an dem wir für ein gutes Leben, gute Ernte und sattes Vieh beten können, da wiederum unser Tempel der schönen Göttin, Peraines Schwester, leider schon seit längerem verwaist ist.”
“Interessant.” murmelte der Perainsgartener und ließ es die Grumharren notieren. “Jedenfalls ist Bruder Lucrann mittlerweile nur noch selten hier. Soweit ich weiß weilt er im Norden oder bei dem Mann, der diesen Fuchsprinzen, von dem alle geredet haben, gesalbt oder gekrönt hat, was weiß ich, davon verstehe ich nichts.”
Nachdem man den Abend noch mit ein paar weiteren Anekdoten, etwas Bier und harten Betten verbracht hatte, brach die Gruppe am nächsten Tag wieder auf. Der, jetzt nur noch Dornenpfad genannte, Weg führte sie gen Norden weiter durch das recht satte und urtümliche Junkertum Sauerbach bis nach Königlich Dornau, wo der Dornensee sie begrüßte und begleitete, welcher der Gegend seinen Namen gab. Schon vom Pfad aus, den man hier schon Straße heißen konnte, ließ sich erahnen, dass der See etwas magisches hatte. Die vielen lieblich-rosafarbenen und tiefschwarzen Rosen, die überall das Ufer umrankten, schienen miteinander zu spielen im sanften Wind und gaben einen seltsam, aber schön anmutenden rosa-schwarzen Flickenteppich ab. Gerade Felian, der den See noch nie hatte bewundern dürfen, war beeindruckt. Doch war da noch etwas anderes, der See schien, in der Ruhe, die er inmitten des Blütenmeeres ausstrahlte, auch tief und unergründlich.
Dieser verwunschene Ort begleitete die Gruppe die ganze Zeit, vorbei an kleinen Weilern, bis man schon von weitem Stadt und Burg Dornensee erkennen konnte. Wobei die erstaunlich trutzige Festungsanlage inmitten des Seewassers errichtet war und den Blick auf die Stadt etwas verdeckte. Die Burg wirkte alt und von der Bauweise her etwas altertümlich, auch wenn man vereinzelt moderne Anbauten feststellen konnte. “Wie in einer alten Mär, liegt es da.”, flüsterte die junge Knappin Elena beeindruckt und fügte hinzu: “Kein Wunder sollen doch alte Djinne, Rosengeister und Seemenschen darin hausen.”
“Sei nicht albern. Das sind alte Märchen.”, tadelte sie ihr Knappenvater Bardsam, der zusätzlich zu seinem Hundewappen, dass der Pulethaner auf einer Schärpe trug, an seiner Lanze die caldaischen Farben Rot und Silber, Gold und Blau.
“Wenn ihr Euch da mal nicht irrt, euer Edelgeboren.”, wandte die Hogenthalerin ein. “Eslamsgrund, das wisst Ihr doch nun selber genug, steckt voller alter Geheimnisse. Und eines davon ist der Dornensee, in dem sogar noch Seeungeheuer leben sollen, die Unbescholtene mit dornigen Ranken bzw. Tentakeln in den See ziehen. Besonders in den dunklen Tagen. Seht Euch allein das Wappen Dornensees an.”, feixte sie dennoch wider ihrer eindringlichen Worte. “Wie ich schon sagte, alte Märchen, und doch sprecht ihr wahr, wenn ihr von der Geschichte und den Geheimnissen Caldaias erzählt, jedoch sind diese meist gefährlich, vor allem in den falschen Händen. Deswegen steht der Tempel des Einhorns auch verwaist da in der dortigen Stadt. Die Nandus-Jünger haben sich einfach zu weit aus dem Fenster gelehnt und leichtfertig mit altem Wissen und Mysterien hantiert, die ersten waren sie dabei gewiss nicht und die letzten auch nicht.”
“So oder so wurden sie deswegen ja auch im Königreich verboten.”, hakte nun Felian von Perainsgarten ein.” “Da habt ihr Recht, Euer Hochgeboren, doch die Nanduriaten sind spitzfindig und haben ihren Tempel prompt in die Reichsstadt verlegt, wo er nun ein Stück weit das Problem vom Grafen ist - und damit von euch. Und das obwohl er noch das Dornensee im Namen trägt.” Das Gespräch konnte allerdings nicht mehr beendet werden, da sie Stadt immer näher kamen und organisatorische Dinge wichtiger waren.