Geschichten:Herdentrieb - Den Helm in den Ring werfen

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Baronie Wasserburg, Ende Praios/Anfang Rondra 1046 BF

“Sagtest du nicht einst, wir müssten längerfristig denken und handeln? Was ist daraus geworden?”, Korhilda stemmte ihre Arme in die Hüfte, noch etwas entkräftet von den Strapazen der letzten Monde. Ein Glück, dass sie nun endlich wieder zu Hause war und Leobrecht bei ihr, auch wenn sie ihm das nicht auf die Nase bandt. Der jüngere von beiden Armen jedenfalls, durch alte Echsenmagie nachgewachsen, wollte beim Hüftenstemmen immer noch nicht so ganz wie er sollte. Um ihren Gatten, der, nach ihrer Rückkehr, einen seiner seltenen Besuche hier abstattete, zu verunsichern reichte es aber allemal. Sie hatten sich zwar weitestgehend vertragen, aber etwas war geblieben. Jetzt war es vorallem die Sorge, die ihn umtrieb, aber auch Erleichterung, sie wieder in Perricum zu wissen.

Aus diesem Gefühlschaos heraus polterte der alte Ochse los: “Das eine widerspricht ja nicht dem anderen, Korhilda. Zudem gehört zur guten Politik auch immer eine gewisse Flexibilität. Und so lange ich die Familienzügel noch in der Hand halte, ist es an mir zu agieren. Den umtriebigen, hiesigen Adel habe ich kommen sehen, aber damit gerechnet, dass der Rabicum alsbald einklappen würde, habe ich nicht. Daher müssen wir hier und da etwas anpassen. Ansonsten widerspricht das meinem vergangenen ich nicht sonderlich, es verhält sich nur ein bisschen anders. Der Plan ist immer noch ein langfristiger, aber wir müssen uns eben auch im Gespräch halten. Aber etwas subtiler als die Rabicums, Aimar-Gors und Hengefeldts dieser Welt. Wobei letztere das mit der Sanzerforst schon ganz geschickt angestellt haben. Aber so ein ganz großes Tamtam benötigen wir dafür nicht, wir erinnern leise und geschickt, bringen hier und da etwas in Stellung, während alle anderen sich mehr als offensichtlich auf das offiziell noch nicht mal vakante Seneschalls-Amt schmeißen.”

“Soso, mein “leisetretender” Gemahl - und wie soll das vonstatten gehen?”

“Eine gute Frage, Liebste. Schau, im Zuge ihres Füllhorn-Tamtams haben die geneigten Damen auch die Erkenntnisse ihrer Exkursion, die zu dem Fundstück führte, verlautbaren lassen. Mich hat dabei besonders eine Randnotiz aufhorchen lassen. So war die großmalerische Rede von sogenannten Insignien Perricums und Hinweisen, die die Forschungsreisenden dazu gefunden haben wollen. Natürlich sollte das, durchaus beeindruckende Horn, das edelste dieser sein, aber auch die alte Caralus-Standarte des Rabicums wurde genannt.”

“Ja und? Sowas in der Art hat doch auch damals schon die Seeschlange verlauten lassen, die tröten doch einfach alle nur ins gleiche Horn, haha, um sich gegenseitig zu überbieten. Ich dachte das wäre nur ein Wettbieten, das nun an weiterer Brisanz gewinnt, wo der alte Rabicum der Schlag getroffen hat, von dem man noch nicht einmal weiß wie heftig es war.”

“Ja und nein, meine Liebste. Hinter dieser simplen und durchaus zutreffenden Fassade des Wettbietens steckt vielleicht mehr. An diesen Insignien könnte etwas dran sein. Aber viel wichtiger, eine weitere könnte ein Hut, eine Krone oder ein HELM sein.”

“Aha.”

“Denk doch einmal drüber nach, wenn die Standarte eines mythischen Gründerheldens eine solche Insignie darstellen darf, dann kann ein Helm eines anderen vermeintlichen Gründerheldens, analog zu dem Horn von mehreren vermeintlichen Gründerheldinnen, eben auch eines sein.”

Korhilda dämmerte es: “Du meinst den Helm Kashgars?”(*)

“Genau den. Und in wessen Händen befindet sich dieser?”

“In denen unserer Freundinnen aus Bren…, ich meine, Herdentor.”

“Genau.”, Leobracht grinste breit.

Die Baronin nahm den Gedanken weiter auf: “Und diese können ihn, ganz ohne Tamtam, allerdings mit kleiner Widmung, dem Markgrafen überlassen, der - wenn wir dies selbst tun würden - sofort argwöhnisch werden würde.”

“Ich liebe dich, Guteste. Genau das ist es, unser Name wird nicht einmal fallen, maximal geflüstert. Aber unsere Sturmfelser bzw. Brendiltaler Freunde am Hofe von Herdentor können sich hervortun…”

“...und werden vom ganz verzückten Markgrafen vermutlich genauso zur ‘Trägerin des Helms’ oder so gemacht, wie die Malmerin zur ‘Hüterin des Perrin-Horns’ und der Rabicumer Turnierritter zum ‘Wächter der Standarte’.”

“Habe ich schon gesagt, dass ich ganz verzückt von dir bin?”

“Lass das.”

“Wie du meinst. Aber ja, das ist die Idee.”

“Immer noch langfristig gedacht.”

“Genau. Wir werfen einfach nur unseren Helm in den Ring, über Ecken - und haben damit eine weiteren Freund in der Nähe des Markgrafen-Hofes. Sowie eine Insignie etabliert, die uns später von Nützen sein könnte. Zwei weitere Eisen im Feuer, für die langfristige Planung.”

(*) Auf den mythischen Helden Kashgar bezog sich auch stets das ausgestorbene Perricumer Grafen-Haus “vom Darpatbogen”, auf welches sich - über Umwege - wiederum die Ochsen in ihren Ansprüchen beziehen.



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg  
 Wappen Baronie Wasserburg.svg
 
Texte der Hauptreihe:
Sommer am Anfang 1046 BF
Den Helm in den Ring werfen


Kapitel 1

Der Helm Kashgars
Das Ende einer Ära


Kapitel 10

Die Letzten beißen die Oger (stark)
Autor: Jan