Geschichten:Rondrianas Sorgen
Weizengrund im Boron 1046 BF
Wenn Rondriana sich hierher aufmachte, dann hatte sie meist ein wichtiges Anliegen. Oderik war also ein wenig überrascht, als ihm die Torwächter meldeten, dass sich die Junkerin von Hinterwalden hierher aufgemacht hatte. Kurze Zeit später, nachdem man sich um die Pferde von ihr und ihren Leuten gekümmert hatte und man ihr ein Quartier gewiesen hatte, saß sie nun Oderik in seiner Schreibkammer gegenüber.
Oderik hatte seine Verwandte begrüßt und nach dem Befinden gefragt und auch Rondriana hatte sich nach Neuigkeiten erkundigt. Nun kam sie jedoch ohne weitere Umschweife auf den Grund ihres Kommens zu sprechen: „Der Schallenberger und die Ochs haben wohl an den Großfürsten geschrieben! Nicht überall stößt Deine Forderung auf Gegenliebe! Und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich auch schon mit Lucarna darüber geredet. Sie versteht Dich auch nicht.“
„Von dem Schreiben habe ich auch schon gehört!“ antwortete Oderik gelassen. „Es war ja zu erwarten, dass die Angelegenheit nicht einfach beiseite gelegt wird.“
Rondriana schmunzelte. „Ich finde ja, dass gerade der Schallenberger Nerven zeigt. Er schreibt von der unermesslichen Zerstörung, welche über das Land gekommen ist und verweist darauf, dass er sich nach Frieden und Wiederaufbau sehnt. Er hat doch mit dem Wetterfelser die Igelfehde nach Hartsteen gebracht, kaum dass das Fehdejahr beendet war.“
Oderik hob abwehrend die Hand. „Er hat ein Recht eingefordert und von seinem Recht Gebrauch gemacht, dieses durch eine Fehde durchzusetzen! Diesen Vorwurf kann man ihm nicht machen!“
Rondriana überlegte lange. „Weißt Du, als der Ogerfresser in die Fehde gezogen ist, da hast Du Dich dem Fehdeansinnen verweigert. Du bist aber auch nicht an der Spitze der Grafentreuen geritten! Lucarna und ich haben uns Deiner Entscheidung gebeugt und die Erträge Gabelsteens und Hinterwaldens heraus gegeben.“
Ehe sie weitersprechen konnte, fiel ihr Oderik ins Wort: „Ich weiß, worauf Du hinaus willst.“
Rondriana war lauter geworden. „Ach wirklich? Schau, Lucarna ist gerade auf der Suche nach einem Bräutigam und ich bin erneut schwanger!“ Bestürzt hielt sie sich die Hände vor den Mund. „Phexverflucht, das wollte ich doch erst Dirion sagen!“
Oderik lachte. „Also von mir wird es keiner erfahren! Und um Deine Frage zu beantworten. Ich habe den Beratern des Grafen zu verstehen gegeben, dass die Familie Schwingenfels nicht länger in der Causa Praiofist von Natzungen die Füße still halten wird!“
Rondrianas Augen weiteten sich. „Wie bitte?“
„Er ist im Sommer 16 Jahre alt. Ich musste ihm schon einmal die Leviten lesen, so dass er nicht den Windischgrütz als Knappe des Grafen macht. Also, habe ich entschieden, dass bis zu seinem Ritterschlag eine Entscheidung gefällt werden muss, wie es danach für ihn weiter geht.“ Oderiks Rede hatte Rondriana verstummen lassen. Oderik schaute sie ernst an: „Und ehe Du weiter fragst. Ich werde Natzungen nicht zu einer Schwingenfelser Angelegenheit machen, aber ich werde dem Jungen nicht die Hand der Freundschaft verweigern. Das bin ich Hadrumir schuldig! Und wenn man dem Jungen sein Geburtsrecht verweigert, werde ich das nicht hinnehmen!“
„Und das hat man so akzeptiert?“ fragte Rondriana skeptisch.
Oderik wiegte den Kopf ein wenig hin und her. „Das wird sich dann zeigen!“