Geschichten:Die Rabenbrücke - Mit Rohal dem Weisen
Villa Casilla, Stadtteil Heldenberg, Reichsstadt Alt-Gareth, Praios 1046 BF:
Nachdem der Rommilyser Landvogt Basin von Richtwald die im eslamidischen Stil errichtete Stadtvilla des Hauses Aimar-Gor verlassen hatte, schritt Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor mit wallenden Gewändern in den Khunchomer Salon. Dort tollte sein Knappe Wulthos von Pandlaril verspielt mit den beiden Pagen Siyandrion von Palmyr-Donas und Salix Eorcaïdos von Aimar-Gor auf den weichen aranischen Teppich umher, während Retos Leibritter Salix Borontreu von Zolipantessa mit Retos zweitem Knappen Tolmario Silem von Aralzin eine Partie Rote und Weiße Kamele spielte. Mit einem süffisanten Lächeln ließ er sich neben dem Zolipantessa auf eines der ausladenden Sitzkissen nieder und goss sich aus einer kunstvoll gearbeiteten, silbernen Karaffe einen kräftigen Schluck Perricumer Roten in ein filigrane Kristallglas.
Während Tolmario über seinen nächsten Zug nachdachte, drehte sich Salix zum großfürstlichen Truchsess. “Herr, warum unterstützt Ihr den Nordmärker bei seinem Anliegen, die alte Rabenbrücke wieder aufzubauen? Für Garetien ist die aktuelle Situation mit der Neuen Rabenbrücke auf Hartsteener Grund doch viel besser?”
“Es ist alles eine Frage der Perspektive, mein Guter. Und der alten Gesetze. Soll unser neuer Großfürst als Herrscher wahrgenommen werden, der über dem Gesetz steht, oder als solcher, der die alten Gesetze achtet und gerecht herrscht? Es war kein Geringerer als Rohal der Weise, der das Brückenprivileg an der Natter erließ. Eine wahrlich weise Entscheidung, wenn wir uns die alten Sagen und Legenden zu Gemüte führen. Wer von uns Sterblichen kann schon erahnen, welch Mächte im Flussbett der Natter ruhen und in welchem Zusammenhang diese mit der Rabenbrücke stehen.”
“Doch, könnten diese Mächte und die Mysterien darum Auswirkungen auf den Wiederaufbau der alten Rabenbrücke?”
“DAS gilt es herauszufinden, mein lieber Salix. Wir werden ein paar heldenhafte Recken und Ritterinnen ausschicken, um dem auf dem (Nattern) Grund zu gehen.”
“Aber werden nicht besonders die Hartsteener und Schlunder einen Wiederaufbau der alten Rabenbrücke ablehnend betrachten - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen und somit auch vom Großfürsten enttäuscht sein? Die einen haben ein Interesse an einer Brücke, aber nicht auf Rommilyser Seite und die anderen haben gar kein Interesse an einer Brücke.” Salix erhob fragend seine rechte Augebraue, wie er es immer tat, wenn er unschlüssig war.
“Altes Gesetz ist altes Gesetz. Die Herrschaft Alderans wird eine gerechte sein und die Entscheidungen auf dem ersten großfürstlichen Hoftag zu Auenwacht ebnen den Weg dorthin. Auch der Ruf, den Adel Garetiens, Greifenfurts und Perricums unter Bodars Banner zu versammeln, weist darauf hin. Die alten Gesetze und Traditionen sind ihm wichtig. Die Schlunder und Hartsteener haben jeweils auf ihre Weise das alte Recht gebogen, wenn nicht gar gebrochen. So ist die Sachlage. Und waren nicht auch einmal die ehemaligen darpatischen Lande ein Teil Garetiens? Die alten Gesetze und die Macht des Landes scheren sich nicht um die formale Zugehörigkeit der Rabenbrücke. Das Konstrukt Darpatien war nur eine vergleichsweise kurze Episode in der über 1000-jährigen Existenz des Neuen Reiches. Das Herz des Reiches ist auf ewig eins.”