Geschichten:Boronias dunkle Schatten – Beim Landvogt der Mark Rommilys

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Feenburg, Mark Rommilys; Ingerimm 1046 BF:

Noch bevor Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor seinen geschätzten Freund Basin von Richtwald begrüßen konnte, stürmte der gerade 14 Sommer zählende Yalsin auf seinen Oheim zu und umarmte ihn innig. Reto erwiderte die Umarmung seines Neffen, der bei dem Landvogt der Mark Rommilys als Page diente und schon bald als Knappe an den albernischen Fürstenhof gehen würde.

“Mein lieber Junge, ich freue mich auch sehr dich zu sehen!” Als Yalsin von seinem Oheim abgelassen hatte und sich wieder ganz pflichtbewusst ein paar Schritte zurücktrat, warf er seinem Dienstherrn einen entschuldigenden Blick zu.

“So mein lieber Basin, nun kommen auch wir zu unserer Begrüßung”, lächelte Reto verschmitzt. Die beiden Männer begrüßten sich herzlich. “Bevor wir uns in den Feinheiten der Politik verlieren und glaube mir, vor den Feierlichkeiten an der Trollpforte gibt es so einige. Ich habe eine Bitte, bevor ich mit meiner Entourage weiterziehe, würde ich sehr gerne mit Yalsin nach Rommilys reisen, denn dort wartet eine kleine Überraschung auf ihn.”

“Oh schön, Herr, darf ich?”, strahlte Yalsin mit großen Augen.

Mit einem milden Lächeln, hatte Basin das Schauspiel beobachtet. Und auch wenn der Überschwäng in Yalsins Handeln, seiner Position nicht geziemte, so verstand er dennoch. Yalsin mochte Page sein, aber dennoch war er auch noch immer ein Kind und sollten sich Kinder nicht darüber freuen dürfen, Verwandte wiederzusehen.

“Von mir aus, du kannst dann direkt ein paar Dokumente für mich im Palast abgeben.”

Yalsin strahlte übers ganze Gesicht.

“Vortrefflich” erwiderte Reto. “Und nun, mein lieber Freund, verrate mir doch, warum ihr Nordmärker stets zu spät zu Schlachten erscheint?”

“Eine schwierige Frage! Womöglich ist es der hohen Kunst geschuldet, stets zur rechten Zeit, am rechten Ort zu sein - wobei sie hier offenbar nicht recht angewandt wurde?” Schlug er nach kurzer Zeit des Überlegens vor.

“Vielleicht aber auch dem Umstand, dass zahlreiche Unglücke fern der Nordmarken geschehen und somit die Wege für die Botschaften und Truppen weit sind?” Es war nicht das erste Mal, dass auf diese Weise gegen das Herzogtum gestichelt wurde und würde sicherlich auch nicht das letzte Mal gewesen sein.

“Nun, ich bin schon sehr gespannt, welche Sicht auf diese Dinge die Kaiserin hat.” Reto schmunzelte. “Mag einer das Momentum zu seiner Zeit auch für sich und seinen Vorteil genutzt haben, es ist stets das Urteil der Nachwelt, das es zu fürchten gilt. Aber lassen wir diese Neckereien. Was gibt es aus der Rommilyser Mark zu berichten? Du weißt, je verruchter oder pikanter, desto besser.”

“Was soll ich dir da antworten, dies ist der Schoß der Traiva-Kirche und die Waschweiber schnattern wie eine Gänseschar. Doch letztlich ist es immer nur das gleiche Geschwätz. Einige proklamieren, dass es Zeit für ein Fürstentum Rommilyser Mark reif wäre, während andere sich das stählerne Herz des Reiches zurückwünschen.”

Besonders hier in der Mark selbst, hatte sich in all den Götterläufen des Kampfes, dennoch nur wenig Unheil ereignet und so wähnten sich seine Bewohner wohl behütet.

“Im Peraine-Mond ist der nordmärkische Erbe am Hof eingetroffen und wird unter der Markgräfin seine ritterliche Ausgebildet absolvieren.” Fügte der Richtwalder nach einigen weiteren eher belanglosen Themen letztlich hinzu. “Da er auf seinem Weg durch Garetien kam, gehe ich allerdings davon aus, dass Euch das bereits bekannt war.” Ergänzte er im beiläufigen Ton, wohl wissend, dass Reto stets über solcherlei Ereignisse informiert war.

“Hast du denn von berichtenswerten Begebenheiten erfahren?” Stellte er schließlich die Gegenfrage.

“Ach, Rabenmund und Macht… eine Einheit, die keine ist.” Reto verdrehte seine Augen. “Viel zu oft haben diese Verräter das Reich ins Chaos gestürzt. Warum die Kaiserin die Markgräfin zur Fürstin erheben sollte und damit das größte Pfund, das sie hat, nämlich die Erblichkeit des Amtes der Provinzherrscherin aus ihrer Hand geben sollte, ist mir schleierhaft. Zumal die Achse Rabenmund - vom Großen Fluss offenbar noch besteht, wie die von dir angesprochene Präsenz des kleinen Prinzen am Rommilyser Hof zeigt.”

Der Aimar-Gor war bekanntermaßen weder ein Freund des Hauses Rabenmund noch des Hauses vom Großen Fluss.

“Es sei denn, die politische Lage sollte sich so gestalten, dass die Kaiserin die Unterstützung der Rommilyserin benötigt. Aber lassen wir das.”

Die Gesichtszüge Retos erhellten sich wieder etwas, doch eine gewisse Ernsthaftigkeit schwang in seiner Stimme mit.

“Mein lieber Basin, sicherlich sind die Gerüchte auch schon zu dir gedrungen. Die Kaiserstadt wird geradezu überschwemmt von unheiligen Gütern, wie Theriak und Schwarzstahl aus dem hohen Norden. Tolmario, Salix und Wulthos konnten in den Gassen Gareths Beweise sicherstellen. Ebenso konnte Bernstein sichergestellt werden, dass bekanntermaßen dem Handelsmonopol der Praios-Kirche unterliegt.”

Anders als Reto, hielt Basin von der besagten Achse der Nordmarken und der Rommilyser Mark recht viel. Doch hatte das die beiden nie daran gehindert ihre politischen Ziele gemeinsam zu verfolgen.

“Theriak in Gareth?” Fragte Basin mit ernster Miene. “Ich meine mich daran entsinnen zu können, dass der Adel die Kaiserin zur Verwendung von Theriak beraten hat…” Tatsächlich war es sehr besorgniserregend, dass derart an den Kirchen vorbei mit einigen Waren gehandelt wurde.

“Ja, im Vertrag von Mantrash’Mor, den wir beide mitverhandelt haben, wurde festgelegt, dass konfisziertes Theriak der Ifirn-Kirche zu übergeben ist. Der Handel ist in beiden Kaiserreichen selbstverständlich verboten. Gleiches gilt für das dämonisch pervertierte Schwarzstahl der Elfen aus den Tiefen des hohen Nordens. Auch die Umgehung des Handelsmonopols von Bernstein ist besorgniserregend. Und alle Spuren führen zu Schiffen der horasichen HPNC, die in mittelreichischen Hoheitsgewässern von Piraten aufgebracht wurden.”

“Auf zweierlei Art besorgniserregend. Denn scheinbar sind die Horasier willens, mit verbotenen oder unter Monopol stehenden Waren zu handeln. Zum anderen gibt es jemanden, der es vermutlich gezielt auf die Schiffe von HPNC abgesehen hat.” Der Landvogt war sich dabei nicht sicher, was er von beidem besorgniserregender finden sollte. Letztlich war der Umstand, dass diese Waren ins Reich und unbemerkt bis in sein Herz gelangten, kein gutes Zeichen.

“Das Horasreich macht uns Vorwürfe, die Angriffe auf ihre Schiffe zumindest zu dulden und fordern den Markgrafen vom Windhag zum Handeln auf.” Reto machte eine kurze Pause. “Ich denke der verbotene Handel und die Angriffe hängen irgendwie zusammen. Aber ich kann mir darauf noch keinen Reim machen. Womöglich ein innerhorasischer Handelskrieg, oder eine Intrige gegen den Markgrafen, der bekanntermaßen ein Diener zweier Herren ist.”

“Letztlich streiten also die Horasier miteinander…” stellte er trocken fest. “Aber schön, dass das Mittelreich mit hineingezogen wird. Egal wer hinter den Angriffen steckt, der Windhag dürfte nicht unbedingt in der Lage sein, ihrer Herr zu werden. Schließlich wurde in Beilunk beschlossen, dass vor allem die Perlenmeerflotten unterstützt wird und nicht die Flotte der Siebenwindküste.” Nachdenklich rieb er sich das Kinn. “Durchaus eine äußerst verzwickte Angelegenheit.”

“In der Tat, die Westflotte ist seit der Meuterei von Admiral Galahan nur noch ein Schatten ihrer selbst und ein Ausbau liegt offenkundig nicht im finanziellen Rahmen des Windhags. Perricum ist reich, der Windhag … nun, du kennst ihn besser als ich.” Reto räusperte sich. Eine so kleine und finanzschwache Markgrafschaft konnte gar nicht in der Lage sein, eine Flotte aufzubauen und zu unterhalten.

“Perricum und der Windhag mögen beide Markgrafschaften, können aber auch nicht unterschiedlicher sein. Perricum, generell wohlhabend und reich an Ressourcen und zudem auch noch in der Hand des Kaiseringemahls. Während der Windhag durch Jast Gorsam in einem politischen Meisterstreich aus den Nordmarken herausgelöst wurde, sodass die karge und ärmliche Grafschaft nicht länger durch die herzogliche Schatulle unterstützt werden musste. Von den grundverschiedenen aktuellen Gefahrenlagen einmal ganz zu schweigen…” Man merkte, dass Basin sich in politischen Themen äußerst wohl fühlt, genauso wie es ihm im Alltag die große Politik auch fehlte.

“Leider werden wir beide diese Probleme nicht lösen. Solang die Kaiserin nicht aufhört, durch das Reich zu reisen, werden auch weiterhin allerlei Verfahren und Anträge an oder auf dem Weg an ihren Hof verschüttet gehen.” Beim besten Willen war Basin kein Freund des Reisenden Hofes. Zumal ordentliche Politik entsprechende Strukturen und Institutionen brauchte, beides ließ der Hof der Kaiserin vermissen.

“Wie mir scheint, wurden auf dem Reichstag nicht nur sinnvolle Entscheidungen getroffen. Aber wir beide wissen, wie solche Politikveranstaltungen funktionieren. Im Hintergrund wurden entsprechend die Fäden gezogen und natürlich hatte das Horasreich ein Interesse daran, unsere Westflotte kleinzuhalten. Das fällt denen wie uns nun auf die Füße. Dennoch glaube ich, dass hinter all dem mehr verborgen steckt, als es den Anschein hat. Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet vor den Gedenkfeierlichkeiten der Schlacht an der Trollpforte, wo selbstverständlich auch eine Delegation aus dem Horasreich teilnehmen wird, die Spannungen zwischen den Reichen wieder hochkochen.” Reto war der Frieden zwischen den Reichen sehr wichtig. Sogar mit dem Alanfanischen Imperium hatte er schon im Namen der Kaiserin Verhandlungen geführt. Einzig dem Kalifat gegenüber war der Aimar-Gor skeptisch eingestellt. Süd-Almada wurde in seinen Augen viel zu leichtfertig aufgegeben.

So wie es um das Reich stand, brauchte es keine weiteren Feinde. Der Adel des Reiches, genauso wie zahlreiche Gefahren innerhalb seiner Grenzen, machten das Regieren vermutlich schon mehr als schwer. Wenn es wenigstens einen zentralen Hof gäbe. Einen Hof an dem ständig beraten und getagt wurde und nicht nur zu wenigen Zusammenkünften, bei denen dann auch gleich allerlei äußere Machtgruppen im großen Stile mitwirkten.

“Wir können die Fehler der Vergangenheit nicht ändern, sondern müssen mit ihnen Leben. Ich möchte ebenfalls keine Spannungen mit dem Horasreich, immerhin hat das Mittelreich mit den Hinterlassenschaften der Schwarzen Lande und der ständigen Bedrohung durch den Ork mehr als genug zu bewältigen, ganz zu schweigen vom selbstständigen und einflussreichen Adel.” Bestätigte er Retos Meinung zur notwendigen Stabilität.

“Die Rolle des Markgrafen als Diener zweier Herren ist leider äußerst schwierig. Selbst weilt er vermutlich selten in seiner Markgrafschaft, während er doch sicherlich über siebzig Götterläufe zählt und damit in absehbarer Zeit die Frage aufkommt, wer ihn in diesem Amt beerben wird. Ganz zu schweigen, was dann noch von unserer Westflotte übrig ist, wenn unsere Matrosen lieber für liebfeldische Handelskontore segeln, als für unsere Marine.” Im Stillen beschloss er in diesem Moment, dass er dringend einen Brief gen Bleichethal schreiben musste. Vom Vetter seiner Gemahlin würde er sicherlich einen Bericht aus erster Hand über die aktuelle Lage im Windhag erhalten.

“Ich halte bereits informellen Kontakt zu Teilen der horasischen Delegation. Es ist unerlässlich, dass diese Angelegenheiten aus der Welt geschafft werden und die Beziehungen zwischen den Reichen nicht länger belasten. Ich gehe davon aus, dass auf beiden Seiten Scharfmacher und Schreihälse versuchen werden uns zu entzweien. Daher kann ich meiner eigenen Delegation nicht bedingungslos trauen. Zumal ich bis dato noch nicht einmal weiß, wer mit mir mit den Horasiern verhandeln wird. Skandalös, so ist eine akribische Vorbereitung unmöglich.” Der Reuther von Aimar-Gor war sichtlich ungehalten über die Umstände, unter denen er die Verhandlungen führen sollte. Dazu kam, dass er dieser Tag kaum schlafen konnte. Albträume raubten ihm immer öfters den Schlaf.

“Ich teile deine Einschätzung bezüglich der Doppelrolle des Windhager Markgrafen. Persönlich halte ich nicht viel von ihm und ich weiß durch die Verwandten meines Knappen Tolmario, dass er auch im Horasreich nicht gut gelitten ist.”

“Das kann ich aus erster Hand bestätigen. Erst im Winter war ich auf der Jagd des Horaskaisers, wo ich in der Delegation des Markgrafen ein Einblick in die Verhältnisse erhalten habe. Das Thema um die HPNC gab es da allerdings noch nicht.” Leider bin ich verhindert, sodass ich selbst nicht zu den Feierlichkeiten reisen kann, nur zu gern hätte ich die Gelegenheit genutzt und dich bei dieser herausfordernden Aufgabe unterstützt.” Versicherte er dem Garetier ernst und zugleich etwas betrübt.

“Deine Abwesenheit wird mir wahrlich schmerzen. In dieser Zeit hätte das Reich seine besten Diplomaten gebraucht.” Die Worte Retos klangen ehrlich, den er hielt persönlich wie fachlich viel von Basin. “Aber lass uns für heute die hohe Politik, hohe Politik sein und den Abend entspannt ausklingen. Morgen werde ich mit Yasin nach Rommilys reisen.”

“Gut gesprochen, mein Freund. Meine Küche wird uns etwas köstliches herrichten und ich habe letztens eine Lieferung köstlicher Weine erhalten.” Nahm er die wohlmeinenden Worte des Aimar-Gor gerne zur Kenntnis und ging auf seinen Vorschlag, zum entspannten Ausklang, auf.

“Yalsin bitte bring deinen Oheim zum Gästehaus, damit er sich etwas frisch machen kann, wir speisen dann im kleinen Salon.”

Der Page nickte eifrig und verbeugte sich kurz vor dem Landvogt. “Bitte folgt mir Hochgeboren, ich werde Euch zu Eurem Quartier führen.” Wandte er sich anschließend an seinen Onkel, sich diesmal der Etikette und seiner Position besinnend.

“Sehr wohl, mein guter Yalsin”, sprach der Aimar-Gor mit einem Schmunzeln.