Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Grimma
Die Wälder des Feidewalds, 30. Phex 1038 BF
Werdomar fluchte. Warum hatte er sich nur zu diesem Schwachsinn überleben lassen? Sein Pferd hatte er bereits schon länger zurückgelassen und stapfte jetzt missmutig hinter Baltram von Eisenmuth her. Seine Frau hatte zur Mitte des Mondes seinen Sohn zur Welt gebracht. Das kleine Kerlchen war bei bester Gesundheit. Eigentlich sollte er sich jetzt um die Beiden kümmern, insbesondere um seinen Sohn.
„Wir sind gleich da, Euer Hochgeboren!“ sprach der Katterqueller Bastard. „Wir müssen nur noch durch den Hohlweg da vorne und dann rechts den Hang rauf.“
Werdomar kniff die Augen zusammen. Tatsächlich meinte er, weiter oben einen leichten Feuerschein ausmachen zu können, aber dies konnte auch nur seinem Wunschdenken entsprechen. Er seufzte erneut, aber nun war er halt hier. Für das Frühjahr war es ihm entschieden zu warm und er schwitzte, ob der ungewohnten Anstrengung. Er schnappte sich ein Tuch aus seiner Tasche und tupfte sich den Schweiß von der Stirn und folgte dann seinem Führer. Hinter sich wusste er die Almadanerin, die Hauptfrau seiner Garde. Wenigstens war für seine Sicherheit gesorgt.
Der Anstieg kostete den Kämmerer der Grafschaft weitere Anstrengung. Schnaufend hielt er auf den Feuerschein zu, welcher jetzt deutlicher zu sehen war. Werdomar bemerkte, dass man diesen zwar von hier sehen konnte, er aber auf der Straße nichts davon mitbekommen hatte. Insoweit schien es ihm ein gutes Versteck. Keuchend machte er sich auf, den Rest des Weges anzugehen.
Werdomar stützte sich an einen Baum und blickte sich um. Irgendwer hatte hier oben eine kleine Senke ausgehoben. Dort glimmte in einem kleinen Ofen das Feuer, dessen Schein er bereits hangabwärts bemerken konnte. Dort saß ein Kerl, welchen Werdomar schwerlich einzuschätzen wusste. Seine Haare wirkten struppig und ein dichter Vollbart zierte sein Gesicht. Unter einem zerschlissenen Waffenrock konnte er ein Kettenhemd ausmachen. Insgesamt schien auch die Kleidung des Mannes schon weitaus bessere Zeiten gesehen zu haben.
Werdomar schnaufte einmal kräftig durch. So recht war er sich nicht sicher, was er hiervon halten sollte. Er war dem Katterqueller Bastard eigentlich nur gefolgt, weil dieser ihm ein lohnendes Geschäft zugesagt hatte. Ein solches sah er hier nicht. „In Ordnung, Baltram! Wer ist dieser Kerl?“ fragte er sichtlich genervt.
Der Mann am Feuer stand auf und schaute herausfordernd zu ihm. „Ich bin jemand, der Euch bei Euren Problemen helfen kann, Euer Hochgeboren!“
Werdomar wischte sich mit seinem Tuch erneut über die Stirn, schaute zu Baltram von Eisenmuth und deutete mit der Linken auf sein Gegenüber: „Ich glaube nicht, dass so jemand etwas über meine Probleme weiß!“
Werdomar war sichtlich verärgert, dass dieser Kerl tatsächlich die Dreistigkeit besaß, laut aufzulachen. „Ich weiß mehr über Euch, als Ihr denkt, Hochgeboren.“ Er kniff die Augen zusammen. Konnte es sein, dass er den Mann schon einmal gesehen hatte? Er versuchte, sich den Kerl ohne Bart vorzustellen. Eigentlich sollte er der Almadanerin direkt den Befehl geben, dem Kerl Manieren beizubringen. Und Baltram ebenfalls. Der hatte Nerven, ihn hierher zu schleppen. Doch vielleicht waren die Kosten ja doch nicht so hoch im Vergleich zum Nutzen! „Ach, zum Namenlosen damit! Wer bist Du?“ fragte er.
„Wenn Ihr unbedingt einen Namen braucht, dann nennt mich Grimma vom Walde!“ antwortete der Mann ohne Umschweife.
Werdomar durchsuchte immer noch sein Gedächtnis danach, ob er den Mann schon einmal gesehen hatte. Doch eigentlich hatte er keine Zeit dazu, hier Rätselspielchen zu spielen. Das brachte wenig Ertrag. „Also gut, Grimma vom Walde, erkläre Dich! Was weißt Du?“
Grimma lächelte diebisch. „Habt Ihr Euch nie gefragt, wer Eurem gräflichen Vetter geholfen hat? Wie er es geschafft hat, von der belagerten Festung zu entkommen? Und dann durch den Feidewald zu entkommen?“
Werdomar stutzte. „Was hat das denn nun mit mir zu tun?“
Grimma nickte: „Alles! Weder Ihr noch meine Familie habt irgendetwas davon mitbekommen. Und jetzt?“ Grimmas Blick wirkte reichlich belustigt. „Ihr habt Eure Familie hintergangen – zu Eurem eigenen Vorteil!“
„Ihr wart der Adjutant von Ludorand!“ entfuhr es Werdomar plötzlich erkennend. „Warum sollte ich Euch trauen?“
Grimma nickte. „Nun, ich biete Euch Kontakte an, welche Euch hilfreich sein könnten. Ich meine schaut Euch um! In meiner Familie bin ich eine persona non grata, weil ich auf Seiten Eures hochwohlgeborenen Vetters stand. Das hier war in den letzten Jahren meine Heimat. Hier habe ich Gleichgesinnte gefunden.“
Werdomar schritt nun um den Ofen herum. „Heißt das, dass Du für die Geißel sprichst?“ frage er sein Gegenüber und versuchte in dessen Augen zu lesen. Regungslos schaute Grimma zurück. „Ich habe Kontakte, welche genug Verwirrung stiften können!“ gab er ohne mit der Wimper zu zucken zurück.
Werdomar schnaubte. Diese Antwort sagte nichts aus.
Grimma sprach weiter: „Mein hochgeschätzter Vetter hat Euren hochwohlgeborenen Vetter verraten und ist jetzt Landrichter über diese Lande. Dazu kommt noch dieser Wegevogt Steinfelde. Und Ihr seid jetzt Kämmerer. Nun, ich könnte mir vorstellen, dass wenn die ersten beiden beschäftigt sind, dann hat der dritte in dieser Kombination freie Hand!“
Werdomar war sich nicht sicher. `Der Feind meines Feindes ist mein Freund` war ein alter Grundsatz und er konnte tatsächlich ein wenig Ärger benötigen, welcher den Landrichter und den Wegevogt beschäftigt halten würde. „Na schön!“ schnaubte Werdomar. „Wenn Du wirklich für den Ärger sorgst, den Du hier so vollmundig versprichst, dann kommen wir wohl ins Geschäft!“