Geschichten:Zu Sertis, spät abends

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Der junge Reichsvogt ging im Kopf nochmal die Route ab, die die nächsten Tage ihn ins Horasreich tragen würde. Die Kutschen waren schon reisefertig, sein Reisegepäck verstaut, und in den frühen Morgenstunden würde er aufbrechen, zum Hochzeitsball. Sein Blick fiel auf die kleine geschnitzte Holzstatuette, die ihn in den letzten Tagen immer sehr beschäftigt hatte. Sie zeigte einen Spitzohr, mit Schmuck behängt, und einem seltsamen Gesichtsausdruck, und war sehr, sehr alt. Ein Köhler hatte sie ihm vor wenigen Wochen geschenkt, wofür er ihm einen Karren Holzkohle abgekauft hatte. Der Mann würde den Winter gewiss gut überleben, und das war auch gut so, denn nur satte und zufriedene Leute würden gut arbeiten und ohne Murren ihre hohen Steuern und Abgaben zahlen. Zustände wie in Meilersgrund galt es, allein aus finanziellen Gründen, in einer solchen kleinen Vogtei strengstens zu vermeiden. Die Statuette jedenfalls sollte das Brautpaar geschenkt bekommen, und Hilbert würde sich irgend einen Unsinn ausdenken von wegen langer Traditionen, älterer Kulturen und Verbindungen. Das übliche Gesülze eben, das er auf dem Garetisch-Greifenfurtschen Konvent in Puleth zu solchen Ehrenpräsenten gehört hatte. Abgesehen davon, das Ding war ihm unheimlich, er fühlte sich beobachtet und war froh, wenn er es endlich aus dem Haus hatte. Sollte das junge Paar doch was vernünftiges damit anfangen.

Hilbert von Hartsteen wollte sich gerade zu Bett legen, um für die morgige Reise ausgeschlafen zu sein, als es leise an die Tür pochte. Er wußte schon im vorraus, wer den Raum in wenigen Minuten betreten sollte, und so rief er mürrisch seinen tulamidischen Sekretär und Leibmedicus herein.

Das ausdruckslose Gesicht grüßte leise, dann schob es einen besiegelten Brief auf die Decken, unter denen es sich Hilbert bereits gemütlich gemacht hatte. Im flackernden Kerzenschein erkannte er das Herzogliche Siegel bereits bevor sein Diener im sagte: "Ein Schreiben aus dem Hartsteenschen. Von der Herzogin persönlich."

Ein verwundertes Stirnrunzeln konnte sich der junge Hartsteen nicht verkneifen. "Nun denn, da wollen wir mal sehen, was uns die alte Wachtel schreibt." Sein Blick verfinsterte sich von Zeile zu Zeile, und nachdem er den Brief zu Ende gelesen hatte, warf er ihn wütend auf den Boden.

"Diese elenden Krämer, diese Emporkömmlinge, dieses unnütze Gewürm, diese.... diese... Quintian-Quants!" Vor lauter Wut war er aus dem Bett gesprungen und im Zimmer auf und ab gelaufen. Er rieb sich seine Stirn mit einem weißen Taschentuch trocken, und schaute den Tulamiden, der ohne Regung am Bett stand und seinen Herren ausdruckslos anblickte.

"Sie will Lydia Yasmina!"

Der Tulamide verzog leicht das Gesicht, ein nervöses Funkeln tauchte in seinen Augen auf. Für einen kurzen Augenblick.

"Sie will Odilbert in die Gruft lassen, wenn meine Schwester bei ihrer Tsa-Geweihten 'um sie aus ihrer Gewissensnot zu befreien'." Trocken entgegnete der Tulamide: "Und was will Hochgeboren jetzt tun?"

"Das weiß ich jetzt noch nicht genau. Sie wird sie nciht bekommen, ich werde meine Schwester keiner Quintian-Quandt ausliefern, so wahr in meinen Adern Hartsteener Blut fließt. Sie kriegt sie nicht!"

"Und was soll ich Ihrer Hochwohlgeboren schreiben?"

"Garnichts! Ich schreibe Ihr, wenn ich aus dem Horasischen wieder daheim bin. Bis dahin ist mir was eingefallen, so dass ich mein Gesicht nicht verliere und mein Vater dennoch bei seinen Ahnen liegen wird."

In dieser Nacht tat der junge Vogt kein Auge mehr zu.



Autor: Hartsteen