Heroldartikel:Von den Umtrieben auf dem Dragenfels

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Nicht nur in den Schwarzen Landen und zu Waldfang ereignen sich eigenartige Dinge, nein, auch aus der Vogtei Mardershöh mussten wir schlimme Kunde vernehmen ob der Ereignisse der vergangenen Monde. Kaum einem ist jedoch bislang die Wahrheit bekannt. So wollen wir Euch, verehrte Leser, nun folgend einen Brief seiner Wohlgeborcn Lahor Vandass vom Dragenfels zur Kenntnis geben, der ein wenig Klarheit in die Geschehnisse bringen soll.

Junker Lahor und der tobrische Kanzler Delo von Gernotsborn

An die Vogtin Giselda von Ochs

Geschrieben auf dem Sichelstieg am 19. Tag des Ingerimm im 28. Jahr der Regentschaft Kaiser Hals

Nun, nachdem mir all das schändliche Treiben der Frau, die früher Jungfer vom Dragenfels wie auch wohl meine Mutter war, zu Ohren kam, möchte ich getreulich Bericht abgeben. Letzte Woche erfuhr ich, dass ich nun der neue Junker auf dem Dragenfels bin. Gesandt bekam ich diese Nachricht mit einem Schreiben des neuen Dragenfelser Burgvogts Hagen von Despiona, eines Ritters im Orden des heiligen Golgari. Also werde ich nun versuchen, alle Nachrichten in eine vernünftige Reihenfolge zu bringen, um zur Klärung der schändlichen Tat beizutragen.

Als Tizina Saba Al’Shafir vor einigen Jahren zur Jungfer des Dragenfelses ernannt wurde, geschah dies, so sagte sie mir, weil sie den alten Ritter Gisurg vom Dragenfels vertrieben hatte, der angeblich im Pakt mit einem der Rashtulswaller Höhlendrachen stand. Wie viel davon der Wahrheit entspricht, kann ich nicht sagen, aber ich traue dieser Hexe zu, dass sie die Geschichte mit dem Drachen erfunden hat, um sich die Feste Dragenfels zu ›verdienen‹.

Hagen von Despiona schrieb mir, Euer Verwandter Magister Illosus hätte unter dem Dragenfels im Laboratorium der Hexe eine Kreuzung zweier magischer Kraftlinien entdeckt, die, soweit zumindest mein beschränkte Wissen über magische Phänomene, jegliche Art von Magie erleichtern werden. Aber ich sollte vielleicht chronologisch weitererzählen. Wie wir nun wissen, nutze Tizina diese von Mada gegeben Kraftlinien nicht in dem für Magier von Hesinde vorgesehenen Zweck, sondern in besonderer Verhöhnung der jungen Göttin Tsa, um diese unheiligen Kreaturen zu erschaffen. Uns Kindern hat sie immer erzählt, sie hätte diese Kreaturen, Kreuzungen aus abscheulichen Schwarzpelzen mit Praios’ heiligen Adlern, bei einer ihrer Expeditionen im Rashtulswall gefunden. Sie verdeckte ihre unheiligen Taten mit der Ausrede, es wäre ihre traviagefällige Pflicht, diese »verschreckten« Kreaturen aufzunehmen.

Als Tizina merkte, das ihre Versuche nicht mehr lange geheim zu halten waren, schickte sie ihre Kinder in die Ferne. Ich trat den Knappendienst bei dem eben schon erwähnten Golgariten Hagen von Despiona an und war seitdem noch nicht wieder auf dem Dragenfels. Meine verfluchte Schwester aber, die auch Madas Gabe besitzt, ging zu Tizinas Studienort nach Fasar an die Bannakademie. Sie kehrte noch des öfteren bei meiner Mutter ein, was mich zu dem Schluss treibt, dass sie sehr wohl von den Schandtaten wusste. Als Ihr dann die Dragenfelser zum Heerbann aufgerufen habt, begab ich mich sofort zum Treffpunkt an der Greifenfurter Grenze, um mit euren Truppen zusammenzustoßen, Erst hier erfuhr ich, dass diese Hexe nicht ihrer Lehnspflicht nachkam. Ich schickte sofort Nachricht zu meinem Mentor, Hagen von Despiona, mit der Bitte, dort einmal nach dem Rechten zu sehen. Denn Ihr müsst verstehen, in meiner Unwissenheit hatte ich zunächst einmal Sorge um meine Familie. Ich selbst konnte mich leider nicht mehr um den Vorfall kümmern, da ich, wie es meine Pflicht als Edler des Reiches war und immer noch ist, mich für den Greifenzug meldete. Aber es kam anders als ich dachte: Um mich für eine unbedachte Äußerung dem tobrischen Kanzler gegenüber zu entschuldigen, meldete ich mich freiwillig, den Commandante der Horaskaiserlichen Garde Sichelstieg als garetische Kontaktperson zum Sichelstieg zu begleiten, wo ich auch jetzt noch bin.

Und da tatet Ihr, Vögtin Giselda, genau das richtige, Euch an die Inquisition zu wenden! Hagen von Despiona schrieb mir, was dann geschah:

»... Nach drei Tagen scharfen Ritts ereichte ich die Burg Mardershöh, nur um zu erfahren, dass meine Reise noch immer kein Ende hatte. Ich lieh mir ein frisches Pferd geben und ritt sofort weiter zum Dragenfels. Dort warteten schon der Inquisitionsrat Celesto Custodias, zwölf Ritter des Bannstrahlordens, der Graugraf Ugo von Mühlingen und ein Offizier, der wohl der Anführer der Landwehrhaufen war, die ein wenig abseits mit den restlichen Bannstrahlern lagerten. Aber was mich noch mehr verwunderte, war, dass die Jungfer den Dragenfels mit (wie ich später erfuhr) dem Holz aus des Königs Forst und Raschtulswaller Fels stark befestigt hatte. Aus dem Wehrbauernhof, den ich vor fünf Jahren besuchte, um Euch abzuholen, war eine ausgewachsene Festung geworden. Der Inquisitionsrat forderte sofort Einlass für sich und seine Mannen, zu denen auch ich mich gesellt hatte. Dann erschien Tizina auf der höchsten Zinne: ›Es tut mir Leid, Herr Custodias! Einlass kann ich Euch nicht gewähren!‹

Da kam Bewegung in den Heerhaufen, Inquisitionsrat Celesto Custodias erhob die Stimme und verlas ihre Anklage: ›Ihr werdet vom Reich und von der Kirche in mehreren Punkten angeklagt.

Primo: Ihr seid Eurer Lehenspflicht nicht nachgekommen und habt keine Truppen noch irgendeinen adäquaten Ersatz gesandt!

Secundo: Ihr seid dem Zeichnungsgebot für die Opfer des Frevels der Mada nicht nachgefolgtl

Tercio: Ihr beherbergt Kreaturen, die der ewig jungen Göttin und ihren elf Geschwistern freveln, da sie nicht durch göttliche Kraft zum Leben erweckt wurden. Des weiteren besteht der Verdacht gegen Euch wegen: Chimärologie, Raub des königlichen Holzes und Verschleppung eines Emissärs, des Fraters Urios Draunstein.‹

Mir fröstelte, erst jetzt wurde mir klar, dass die Hexe mich verzaubert hatte. Als ich damals die Chimären sah, ging ich, obwohl ich geschworen hatte, den Zwölfen zu dienen, unbekümmert an ihnen vorbei, und erst jetzt, durch die kräftige Stimme des Inquisitionsrates mit all seiner Macht, wurde mir mein Frevel klar.

Tizina hingegen lächelte nur: ›Kommen wir zuerst zu den Anklagepunkten, meine Herren! Primo: Natürlich sandte ich euch Mannen, nämlich meinen nichtsnutzigen Sohn! Secundo: Ich bin kein Opfer von Madas Frevel, sondern eine Beschenkte, deshalb kam ich dem Aufruf nicht nach. Tercio: Ja, ich beherberge diese Kreaturen!‹ Dann winkte sie in den Burghof und sieben grässliche Chimären flogen auf die Zinnen, Wir zogen unsere Waffen, und einer der Bannstrahler gab das Signal an die Truppen, die abseits lagerten. ›Aber meine Herren! Bleibet ruhig, ich habe mich doch noch nicht zu Euren Verdachten geäußert Ja, ich nutzte des Königs Holz für meine Feste, ja ich habe diese Chimären geschaffen, und ja ich habe den Frater verschleppt!‹

Während sie das zu uns herunterrief, war eine der Chimären wieder in den Burghof geflogen, um mit dem Frater wieder aufzutauchen und auf uns zuzufliegen, aber auch die Bannstrahler waren nicht untätig geblieben und hatten ihre Armbrüste geladen. Die Kreatur warf uns den leblosen Körper des Fraters vor die Füße, um dann von 12 Bolzen durchlöchert schreiend zu Boden zu fallen. Die Chimäre war wohl tot, aber ich ließ es mir nicht nehmen, ihr mit meinem Schwert Tamur den Kopf abzuschlagen.

Während die Bannstrahler nachluden, hörte ich Tizina rufen: ›Dann habe ich ja wieder hesindegefällige sechs Kreaturen, da kann ich nicht schuldig sein. Oh, ich sehe, ihre Freunde kommen gerade, dann werde ich mich verabschieden!‹

Die Bannstrahler begannen sofort einen heiligen Choral gegen Magie anzustimmen, doch es war zu spät, Tizina kauerte sich zusammen, um dann, in eine Krähe verwandelt, zu fliehen. Und während eine ihrer Chimären ihre Sachen holte und ihr folgte, griffen die anderen fünf an, Aber da tat der Choral seine Wirkung. Mit dem letzten Strahl der untergehenden Sonne trafen auch die anderen Bannstrahler mit ein, und ein Chor von drei Dutzend Stimmen ließ die Kreaturen wanken. Sie wurden von uns vom Himmel geholt und dann gefasst.

Der Inquisitionsrat selber ordnete eine Ersäufung in Efferds Element und darauf folgend Verbrennung in Ingerimms heiligem Feuer an, was dann wohl auch gemacht wurde, während der Graugraf und ich noch in die Berge ritten, um nach der Hexe zu suchen, aber sie scheint entkommen zu sein.

Als wir endlich die Feste stürmten, war sie verlassen. Tizina schien ihre Habe schon vorher in Sicherheit gebracht zu haben. Aber wir brauchten ja wirklich keine. Beweise mehr. Ich übernahm dann persönlich die Verbrennung des Fraters Urios Draunstein sowie eines jungen Bannstrahlers, der von einer der Kreaturen ins Herz getroffen worden war, da wir die Leichen, vor allem die des Fraters, nicht mehr zurück bis nach Gareth nehmen konnten. Mögen ihre unsterblichen Seelen diesen Platz vor weiteren Paktierern beschützen. Auch in der nächsten Woche suchten immer wieder Truppen das Inland ab, aber auch mit der Hilfe des dann eintreffenden Magisters Anaxios lllosus konnten wir ihre Spur nicht wiederfinden. Hoffen wir, dass eine der Kreaturen des Rashtulswalls ihr einen schrecklichen Tod bereitet hat!

Als die Lage sich wieder beruhigt hatte, empfahl ich dem Gaugrafen, mich als Junker einzusetzen, um somit auch die Erbstreitigkeit mit Eurer Zwillingsschwester zu klären. Um aber meine Verfehlung wiedergut zu machen, dass Tizina mich beherrschte und mir vortäuschte, die Chimären waren nur arme Kreaturen, beschloss ich mit den beiden, euch als Burgvogt zu dienen, bis ihr vorn Sichelstieg zurückkehrt. Die Dragenfelser können nun wirklich ein wenig mehr geistlichen Beistand gebrauchen ...«

Soweit der Bericht Hagens. Ich akzeptiere ihn als Burgvogt, so dass nichts Unheiliges mehr auf dem Dragenfels geschehen soll. Ich selbst werde bald mit Commandant Asquerion zum Adelstreffen aufbrechen, und hoffe, auch Euch zu sehen. Wenn ich es nicht schaffen sollte, wendet euch an Ritter Hagen. Und teilt doch bitte dem Inquisitionsrat mit, dass sich meine Schwester (deren Unschuld wohl noch nicht ganz bewiesen ist) beim Signore de Mantrash im Horasreich befindet.

Untertänigste Grüße mit Bitte um Entschuldigung für mein Fehlen auf dem Dragenfels,

Junker Lahor Vandass vom Dragenfels

VolkoV/CD