Geschichten:Verschollene Eber - Empfang in Schmalfurt

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Gerade entrollte jemand oben vom Umgang des Bergfrieds herab eine Flagge der Mark, als auch schon aus Richtung der Burg ein weithin schallendes Hornsignal über das Flusstal schmetterte. Man hatte ihr Ankunft augenscheinlich bemerkt.

Plötzlich strömten aus allen Häusern die Dörfler, angetan mit langen wollenen Schals und Fellmützen, die Mäntel fest um sich geschlossen, die Gesichter der näher reitenden Gruppe zugewandt und, als das Banner der markgräflichen Familie sich im eisigen Wind zur Gänze entfaltete, freudig den Ankömmlingen zujubelnd. Schon rannten die Kinder wie ein wildes Wolfsrudel auf sie zu, zum Teil mehr rutschend als laufend, die Hände den Edlen entgegengestreckt und vor Freude ausgelassen schreiend. „Der Prinz, der Prinz!“, so schallte es von überall her.

Anselm Hilberan beobachtete erfreut die Menschen, die aus den Häusern kamen, um sie, nein, verbesserte er sich in Gedanken, um den Prinzen zu begrüßen. Es war fürwahr - wenn auch umstritten - eine gute Wahl gewesen damals. „Geschafft“, sagte er zu dem Reiter neben ihm, „die erste Etappe habe wir nun hinter uns gebracht. Es wird auch Zeit, dass wir uns wieder ein wenig am Feuer erwärmen können.“

Hauptmann Ardo blickte zum ersten Mal seit vielen Meilen wieder auf. Missmutig klopfte er den Schnee aus seinem Reitermantel, sah zu den Menschen, die nun den Weg säumten, und dann zu seinem Nebenmann, der ihn aus seinen trüben Gedanken gerissen hatte.

„Fürwahr, Euer Wohlgeboren. Nichts könnte mein Herz zur Stunde höher schlagen lassen als die Aussicht auf eine warme Stube und eine heiße Suppe. Ich hoffe die Herrschaften dort oben auf der Burg eilen sich.“

„Sicher doch, Hauptmann! Und sollten sie sich nicht eilen, werden wir Ihnen Beine machen“, fügte Anselm schmunzelnd hinzu. „Der Herr Firun meinte es nicht allzu gut mit uns und ließ nur wenig des Praios Licht durch Wolken, Schnee und Graupel zu uns herab. Ich hoffe mal, dass, wenn er seinen weißen Mantel wieder einmal über uns gelegt hat, er uns auch mit einer freundlicheren seiner Seiten bedenkt.“

Wie ein Häufchen Elend kauerte Timokles auf seinem Pferd, immer versucht möglichst wenig Fläche seines Körpers der beißenden Kälte auszusetzen. So hatte er sich seinen Mantel fest um die Schultern gezogen und blickte nur gen Boden. Doch die antobende Menge ließ ihn neugierig aufblicken und sogar ein Hauch von einem Lächeln eilte über sein Gesicht. „Diese Kinder, wahrlich Gotteskinder“, murmelte er vor sich hin und blickte zur trotzigen Festung hinan. „Endlich wieder ein warmes Nachlager und etwas Gekochtes zwischen die Zähne“, dabei seufzte er und malte sich schon so manches Traumbild aus.

Im Licht einiger Fackeln und zweier Laternen standen Schmalfurter, junge wie alte, auf dem verschneiten Dorfplatz. Die Anwesenden verbeugten sich tief und schauten gespannt auf die Ankömmlinge. Immer mehr kamen hinzu, verbeugten sich vorsichtshalber noch schnell oder waren ratlos darüber, ob sie sich jetzt noch verbeugen sollten. Hilfreiche Hände erboten sich, die Zügel der Pferde zu halten, leise Willkommensgrüße waren zu hören. Die Eltern bemühten sich mehr oder weniger erfolgreich, ihre Kinder zu bändigen. Über allem ließ Firun seine Flocken tanzen.

Im großen Gutshaus hinter der Menge öffnete sich die Tür. „Die sind schon da!?! Na, sag mir das doch einer ...“, war zu hören. Die Menge bildete eine Gasse, um einen großen, blonden Mann durch zu lassen, der die meisten Leute um Kopfes Größe überragte. Er trug Bart, hatte eine Fellmütze auf dem Kopf und den Mantel offen. Darunter leuchtete der Wappenrock hervor, Fisch, Bienenstock und Perle auf grünem Grund. Eine sehr große Hand holte die Pfeife aus dem Mund, die zuvor schief im Mundwinkel gehangen hatte.

„In Travias Namen, willkommen, Euer Liebden! Willkommen, ihr Edlen!“, rief er mit volltönender Stimme. Er verbeugte sich knapp und deutete sogleich zum Haus. „Ich bitte euch, kommt ins Warme. Dort steht alles bereit.“ Dann grinste er breit (sogar die Pfeife fand wieder ihren Platz): „Die Taube war zwar gefroren, aber eure Nachricht kam heute morgen an.“ Dann deutete Adran von Schmalfurt wieder zur großen Deelentür. „Kommt herein. Tsalinde wird das mit den Pferden regeln.“

Eine lange Tafel dominierte die Deele. Um die Tafel herum standen Bänke und einige zusammengetragene Stühle, die, so ließ ihre unterschiedliche Art und ihr Zustand vermuten, sich wahrscheinlich selten genug gegenüberstanden. Einige Bienenwachskerzen und das Kaminfeuer erhellten den Raum. Über dem Kamin und an den Wänden hingen Waffen verschiedenster Art, meist deutlich gebraucht und oft fremdländisch wirkend.

Die hungrigen Augen konnten frisches Brot auf dem Tisch sehen, Käse, Schinken und trockene Würste lagen lockend daneben. Butter, Schmalz und Salz standen in Tiegeln anbei.

Neben dem Kamin saßen bereits zwei Leute. Eine alte Frau, ihre grauen Haare streng zurückgesteckt, eine Wolldecke um die Schultern gelegt, betrachtete die Gäste aufmerksam. Ein ähnlich alter Mann im Ornat der Rondrakirche erhob sich.

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