Geschichten:Heerzug wider die Finsternis - Teil 16a
Heerzug wider die Finsternis - Durch Söldneraugen
Dramatis Personae:
- Karmothian Furchenfeld, ein Söldnerhauptmann
- Pagol Dappert, einfacher Milizionär in Diensten von Simiona
- Alrik Herdan, Junker von Tannengrund
- Marek Tannhauser, Hauptmann der Söldnereinheit "Schwarzpfeile", in Alrik Herdans Diensten
- Irion Quarzen, Magier der Schwarzpfeile
- Safiriel Tauträumerin, eine Elfe der Schwarzpfeile
Irgendwo in der Baronie Leihenbutt, Später Nachmittag des 12. Rondra 1032BF
Der Wind strich durch den Reichsforst. Sanft raschelten die Blätter. Karmothian Furchenstein und seine Jungs von der Blutroten Brigade waren gerade auf dem Weg nach Silz gewesen, um dort für Ruhe zu sorgen (und ein oder zwei Gehöfte zu plündern!), als sie der Rückrufbefehl nach Leihenbutt erreichte. Offenbar wurde eine große Schlacht erwartet. Naja, ihm sollte es recht sein, bedeutete es doch wertvolles Beutegut wie Waffen und Rüstungen. Der Wald war an den Pfad herangetreten und dichter Farn wucherte ringsum. Karmothian stimmte das Lied von der geschändeten Jungfrau an und steigerte sein Marschtempo. Seine 4 Untergebenen gröllten begeistert mit. Aber selbst wenn sie hochaufmerksam gewesen wären, sie hätten das schwache Rascheln im Farn und das verräterisch leise Ächzen von sich spannenden Bögen vermutlich nicht bemerkt. Und so traf sie der Tod völlig unvorbereitet. Zornigen Hornissen gleich sirrten Pfeile aus dem Unterholz heran. Jeder der Söldner wurde von drei Geschossen in die Kehle getroffen. Röchelnd brachen sie zusammen. Ihr Lebenssaft tränkte den Boden. Alrik Herdan, der das ganze aus sicherer Entfernung betrachtet hatte, nickte Marek bewundernd zu: "Du hast wahrlich nicht übertrieben, was die Fähigkeiten eurer Schwarzpfeile anbelangt, Tannhauser! Weiter jetzt, das schwierigste steht noch bevor."
Stadt Leihenbutt, in der Nacht zum 13. Rondra 1032 BF: Die Tore Leihenbutts waren fest verschlossen, die Nacht war finster. Das einzige Lebewesen weit und breit war ein Vogel, der über die Stadtmauer flog. Nichtsdestotrotz musste Pagol Dappert hier draußen, unter der grausamen Fuchtel von Weibel Harkenfeld, mit zwei anderen armen Schweinen Wache halten. Weibel Harkenfeld, dieser verdammte Hundsfott, der sich mit Haut und Haaren dem ‚neuen Gott' Leihenbutts verschrieben hatte. Oben im Torturm hielten seine beiden Freunde aus Kindertagen und eine zwangsrekrutierter Leihenbutter, mit Schleudern bewaffnet, Wache. Pagol hoffte nur, dass sie alle dieses ganze Chaos überleben würde. Das, ach so romantische Milizendasein hatte sich als hart und voller Demütigungen entpuppt. Sobald sich die Aufregung etwas gelegt hatte würde er so schnell in seine Beine tragen zurück zu seinem elterlichen Hof eilen. Einfach nur Bauer sein, mehr wollte er gar nicht mehr. Aber schon jetzt, am Vorabend der Schlacht, zu desertieren wagte er nicht. Zu groß war die Angst vor seiner Herrin. Die Angst vor Simiona. Er schreckte auf, als aus der Dunkelheit 6 Männer in dunkelroten Wappenröcken auf das Tor zuschritten. Ihr Anführer, ein wahrer Hüne, näherte sich zielstrebig Weibel Harkenfeld und begann in gedämpften Ton auf ihn einzureden.
Einer der Neuankömmlinge kam auf Pagol zu. Er war recht schmächtig und, anders als alle anderen, trug er kein Kettenhemd sondern einen Lederpanzer. Außerdem hatte er hüftlange Haare! Der Mann sprach ihn leise, aber bestimmt an: "He Bursche, entzünde er unsere Fackel. Subito!" So ein überheblicher Hurensohn, dachte Pagol, doch er tat wie ihm geheißen. Die Fackel qualmte zwar, als dass sie Licht spendete, und zusätzlich roch der Rauch seltsam schwer und süßlich, sein Gegenüber schien jedoch zufrieden zu sein und entfernte sich wieder einige Schritt. Doch die Merkwürdigkeiten endeten nicht. Pagol bemerkte, dunkle Flecken auf den Wappenröcken (obgleich es im Dunkeln sehr schwer zu erkennen war), außerdem meinte er im Schatten der Nacht schemenhafte Bewegungen auszumachen. Und was machte eigentlich dieser arrogante Typ für seltsame Bewegungen? Zwar war wohl schon eine Turmwache auf dem Weg zur Burg um Meldung zu machen, dennoch: "Weibel Furchenst...", wollte er sagen, doch mitten im Wort verstummten alle Töne. Sofort ließen sich die Neuankömmlinge auf den Boden fallen, als schemenhafte Geschosse durch die Nacht rasten. Schmerz explodierte in Pagols Kopf. Alle Kraft wich aus seinen Gliedern. Scheinbar leblos sackte er zusammen.
Während langsam alles Licht verlöschte, sah er noch, wie die vorgeblichen Verbündeten, allen voran der Hüne, seine Kameraden, seine Freunde, niedermachten. Pfeile zuckten auch dem Torturm und den dort postierten Milizonären entgegen. Aus der Dunkelheit eilten nun weitere Kämpfer heran. Hinter ihnen schritt ein junger Mann aufs Tor zu. Die rechte hielt locker ein altertümliches Langschwert. Seine Mine blieb kalt, als er das Gemetzel betrachtete. Seine Augen streiften Pagol und ein Angstschauer durchrieselte ihn. Dann nickte der Mann und einen Herzschlag später kehrten die Nachtgeräusche zurück. Erwartungsvolles Schweigen legte sich über die Versammelten. Pagol spürte den verzweifelten Kampf seines Körpers gegen die Verletzung, doch mehr als zu blinzeln vermochte er nicht.
Dann wurde ein Riegel zurückgeschoben und die Mannpforte öffnete sich. Unter gewaltigen Schmerzen gelang es Pagol denn Kopf zu drehen. In der Öffnung stand eine Frau. Eine nackte Frau. Eine nackte Frau mit spitzen Ohren. Eine Elfe. Er hatte noch nie in seinem Leben eine Elfe gesehen. Ein winziges, winziges Lächeln stahl sich in Pagols Mine, dann dämmerte er davon, in die Vergessenheit.
Marek eilte Safiriel entgegen, reichte ihr einen Umhang und ihre Ausrüstung. Sie bedankte sich mit einem huldvollen Nicken und erklärte singend: "Den Boten, der vom Tor zur Burg geschickte wurde ereilte Zerzal still und leise. Niemand schöpfte Verdacht."
"Noch nicht", entgegnete Irion Quarzen, immer noch die stinkende Fackel haltend; "Aber Simiona wird nicht lange brauchen, um aufmerksam zu werden!".
Marek entgegnete: "Trotzdem haben wir einen Vorteil. Die Schlange kann uns nicht kommen sehen, die verbrannte Alraune sollte alle fliegenden Spione vertrieben haben." Irion runzelte die Stirn: "Durchaus, sollte sie Gotongis verwenden, wie wir es vermuten, aber sicher können wir uns nicht sein!" Alrik Herdan unterbrach die leise Diskussion: "Wieauchimmer! Das Tor ist offen. Aber werter Magus Quarzen, seid ihr sicher, dass ihr uns diese Nacht vor Simiona verbergen könnt, bis Nimmgalfs Heer hier ist?" Der Magus verzog keine Mine: "Wir brachten die Schwarzpfeile heil nach Yol-Ghurmak und wieder heraus, und, obwohl die heutige Nacht sicherlich diffizil werden könnte, geben wir euch eine Sicherheit von 3 zu 5, die nächste Morgenröte noch zu erleben. Für den morgigen Abend können wir aber keine Garantie mehr geben." Alrik Herdan nickte: "Die Zwölfe werden uns beistehen!"