Garetien:Garetisches Fehdewesen
„Das Band ist zerrissen – die Fehde ist erklärt“, diese förmliche Aufkündigung des Friedens zwischen zwei Parteien eines Streites hat man in Garetien seit den Tagen Kaiser Pervals nicht mehr häufig, seit der Verkündung des Reichsfriedens 21 Hal gar nicht mehr gehört. Gar zu blutig waren die Händel der adligen Geschlechter im ritterlichen Herz des Reiches Rauls des Großen geworden, gar zu viele Lücken wurden in das garetische Ritteraufgebot gerissen, so dass schon Kaiser Reto mit großem Erfolg das grassierende Fehdeunwesen unterband. An die Stelle der Fehde traten von den Grafen überwachte Absprachen und Sühnezahlungen (das Wergeld), die – zumindest in Garetien – vor einem aus Rittern, Geweihten und Freien bestehenden Femegericht festgelegt wurden.
Die Fehde war ein altes Instrument der Sühnung eines Vergehens für jene Zeiten, da es keine wirksame Durchsetzung des Rechts gab: Es oblag dem Einzelnen, nämlich dem Geschädigten eines Vergehens, oder seiner Familie, Recht und Friede aus eigener Gewalt wieder her zustellen. In der Überzeugung, dass Praios mit jenen ist, die der Gerechtigkeit herstellen wollen, wurden Fehden in der steten Gewissheit geführt, das Richtige zu tun. Selten gelang es den Parteien allerdings, aus eigener Kraft den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen und sich gütlich zu einigen. Es bedurfte eines Zwangs von oben – wie ihn beispielsweise der Reichslandfriede ausübt, solange seine Einhaltung von Reichs Seite überwacht werden kann.
Es galten Regeln für die Fehde, die dreiste Verbrechen, Frevel oder Lastertaten verhindern sollten: Wenn einer zum König geht oder bei ihm ist, so ruht die Fehde (Königsfriede); wen der König in Schutz nimmt, für den gilt der besondere Königsfriede; wer das Wergeld bezahlt, geht aus der Fehde; an heiligen Tagen ist die Fehde ausgesetzt; geschont werden Geweihte, Kranke, Pilger, Kaufleute und Fuhrleute mit ihrer Habe, Ackerleute und Weingärtner außer ihrer Behausung sowie Tempel und Heilige Orte; eine Fehde darf nicht begonnen werden, so sie nicht förmlich und vor Zeugen erklärt wurde. Fehden zu führen war und ist das Vorrecht des Adels und der Krieger, jener Menschen also, die insbesondere in Praios’ und Rondras Glanz stehen. Dass jetzt in Hartsteen das Fehdewesen sein dorniges Haupt erhebt und den Landfrieden zu durchbrechen droht, erfreut die konservativen und traditionsbewussten Ritter in Garetien – und jene in Almada, die mit dem Duell eine Sonderform der Fehde zu ihren Traditionen zählen.
(bb)