Geschichten:(K)eine Frau für Junker Falk
Burg Bratzenstein, 29. Efferd 1047
Falk von Bratzenstein war gerade erst 4 Wochen der neue Junker von Bratzenstein, nachdem seine Halbschwester Lydmilla im vorletzten Mond bei einem Reitunfall schwer gestürzt und ums Leben gekommen war.
Nachdem die Trauerfeierlichkeiten beendet waren, ging für ihn der völlig ungewohnte Alltag los. Und schnell hatte er gemerkt, dass er keinerlei Ahnung hatte von der Verwaltung eines Lehens. Ständig machte er Fehler, er brachte Zuständigkeiten durcheinander, verwechselte seine Angestellten, vergass wichtige Korrespondenz zu führen und und und. Ihm wurde schnell klar, dass er für so ein Leben nicht - oder noch nicht - geeignet war. Sein Schwager Jesco von Sturmfels, den er zu seinem Burgvogt und Berater ernannt hatte, half ihm zwar nach Kräften, aber auch er konnte ihm nicht alles abnehmen. Und so blieben kleinere und größere Fehler unvermeidlich. Falk tat meist das, was er am besten konnte - er flüchtete sich in den Suff.
An diesem Abend hatte er erneut ordentlich gebechert und dem Gerstensaft zugesprochen, denn sein Onkel Irian, der neue Abt des nahegelegenen Peraineklosters hatte ihm eine Kiste mit Klosterbräu zur Amtseinführung zukommen lassen. Seine Ritterin Ryane hatte ihm derweil Gesellschaft geleistet. Einerseits wollte sie ihn etwas aufmuntern, andererseits achtete sie aber auch darauf, dass er es mit dem Saufen nicht wieder übertrieb, denn besoffen war er noch unberechenbarer in seinen Handlungen als ohnehin schon. Während die beiden noch ein feucht fröhliches Liedchen sangen ("Keinen Tropfen im Becher mehr, und der Beu-heutel schlaff und leer...") kam Jesco von einem Besorgunsritt aus dem nahen Markt Goldfelden zurück: "Seid ihr schon wieder am Saufen? Praiosnocheins! Falk! Du solltest dich lieber weiter mit den Unterlagen deiner Schwester vertraut machen und die Grundlagen der Lehnsverwaltung studieren, bevor du dir hier völlig sinnlos die Lichter ausbläst. Und du, Ryane! Du solltest auch wissen, dass der Herr Junker noch einiges aufzuarbeiten hat." Ryane blickte etwas betreten auf den Tisch.
Falk sah den Störenfried mißmutig an. "Sch... studieren? Isch kann doch nisch ma lesen, J...jesco."
"Weiß ich! Aber du kannst es dir von der Schreiberin Alwene vorlesen lassen. Aber damit du es dir auch merken kannst, musst du klar im Kopf sein, Falk!"
"Ach, lass misch doch in Ruh...lass mich doch einfach saufen", versuchte Falk ihn loszuwerden.
Jesco setze sich zu ihm an den Tisch, und nahm sofort seinen Alkoholgeruch war, was ihn anwiderte.
"Hör zu, Falk! So kannst du nicht weitermachen, du wirst sonst noch das Junkertum völlig gegen die Wand fahren. Aber es gibt etwas, was noch schlimmer ist, als dein Hang zum Suff."
Falk glotzte ihn fragend an: "Un... und was soll das sein?"
"Dass du noch ledig bist!"
"Hä?"
"Falk! Du bist außer deinem Onkel Irian der letzte der Bratzensteins. Wenn du ohne Erben versterben solltest, wirst du das Junkertum keinem mehr vereben können. Leider hatten Lydmilla und ich keine Kinder wie du ja weißt. Tsa war leider in all den Jahren nicht gnädig mit uns. Aber du bist noch jung - naja ein gutes Stück jünger als ich zumindest. Du solltest dich bemühen, möglichst bald eine Frau von Stand zu finden, damit es auch noch Erben geben kann. Nicht war Ryane?" Die Angesprochene nickte. "Jawohl, so isses! Wichtig is aber, dass se dich auch ranlässt, Junge. Sonst kannst das mit den Erben vergessen."
Falk sah die beiden völlig verdutzt an. Darüber hatte er sich noch nie Gedanken gemacht. Heiraten? Kinder kriegen? Familie gründen? Pffff. Das war noch nie sein Ding.
"Ich hol mir einfach ne Bauerstochter aus dem nächsten Dorf. Irgendwas junges, knackiges wird sich da schon finden lassen."
"Verdammt, Falk! So einfach ist das nicht. Als Herr über das Junkertum Bratzenstein musst du standesgemäß heiraten, wenn du nicht noch das letzte bißchen Ansehen, was du im Adel noch hast, sofort verspielen willst. Etwas Bürgerliches kommt da nicht in Frage", fuhr ihn Jesco wütend an.
"Wie wär's denn mit der hübschen... wie hieß die kleine Blonde noch, der ich bei Amtsantritt was schwören musste? Die war echt süß. Isra? Üsgra? Helft mir doch mal..."
Ryane lachte laut auf. "Meinst du etwa die Burggräfin Yrsya von Gareth? Das schlag dir mal sofort aus dem Kopf." "Wieso?" "Erstens ist das eine von Gareth, die verkehrt in ganz anderen Kreisen als du. Zweitens ist sie deine Lehnsherrin, sie wird mit Sicherheit keinen Vasallen ehelichen wollen und drittens..." "Ja? Drittens?" "Drittens hat sie beim Lehnseid kaum einen Hehl daraus gemacht, dass du in ihren Augen nur eine Notlösung warst. Sprich: du bist sicher nicht gerade ihr Lieblinsgvasall - diplomatisch gesprochen. Also vergiss die einfach."
"Na schön. Und was ist mit meiner Nachbarin im Osten? Die junge Dame aus Erlenstamm? Die war doch vor zwei Wochen auch hier und hat sich kurz vorgestellt. Die war auch richtig hübsch, Jungejunge. Von Luring-Hirsch... irgendwas."
Jetzt mischte sich Jesco ein: "Das war Irnfrede von Luring-Hirschfurten! Tochter von Baron Nimmgalf von Hirschfurten und wahrscheinlich die künftige Gräfin von Reichsforst! Die ist für dich weiter weg als das Madamal. Außerdem ist sie bereits verlobt, so weit ich weiß soll in Kürze auf Burg Trollhammer ihre Hochzeit stattfinden."
"Und das ohne mich? Jetzt bin ich aber beleidigt!" entgegnete Falk mit vorgespielter Enttäuschung.
"Aber ihr macht es mir echt nicht leicht. Die eine zu gering, die nächste viel zu hoch... wen soll ich denn dann heiraten?" Er sah Ryane fragend an.
"Mich nicht, Jungchen!" witzelte die alte Burghauptfrau. "Ich könnte deine Mutter sein, da wirds mit Nachwuchs wohl nix mehr werden."
Jesco ging ernst dazwischen: "Ich werde in der nächsten Zeit mal Augen und Ohren offen halten. Vielleicht finden wir ja eine heiratswillige Dame von Stand, das Junkertum ist ja durchaus recht ansehnlich."
"Von mir aus. Dann sach bescheid, wenn du da was hast. Komm, Ryane, da warten noch ein paar Bierchen auf uns. Prost!" Sie stießen mit den Bierhumpen an.
Jesco ließ die beiden alleine. Er musste mal in sich gehen, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, seinen Schwager unter die Haube zu bringen.

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Die untreue Zofe | ▻ |