Geschichten:(Un-)Verdienter Lohn
Mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis machte sich Siegerain von Bregelsaum-Berg auf dem Weg zum Arbeitszimmer des Heermeisters der Markgrafschaft, Baron Zivko von Zackenberg.
Was dem Oberst zu denken gab, war, dass eigentlich keine Besprechung anstand und seinem Vorgesetzten - wie dessen Kurier, ein Korporal, heute früh unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte - die Angelegenheit sehr wichtig sei und der Heermeister Siegerain daher noch heute sprechen wolle. Ob wohl jüngst irgendwas Besonderes vorgefallen war? Der Oberst ging im Gedanken alle möglichen Schwierigkeiten durch: Mit seiner neuen Pagin kam er bisher sehr gut aus und achtete auch peinlich genau darauf, sie weder zu hart noch zu weich anzufassen - basierend auf den Büchern, die er hierzu gelesen hatte. In seinem Regiment stand derzeit auch alles zum Besten und irgendwelche Klagen ihn oder seinen Verband betreffend waren ihm nicht bekannt. Oder hatte dieses al´anfaner Miststück dem Heermeister doch von seinen enormen Schulden erzählt? Aber warum hätte sie das tun und so ihren Einfluss auf den Offizier und seine Truppe schmälern, wenn nicht gar verlieren sollen? In dem Zusammenhang ging ihm durch den Kopf, dass er sich beizeiten mal überlegen sollte, wie er sich aus den Klauen dieses Weibs befreien könnte; vorzugsweise, ohne selber dabei zu Fall zu kommen.
Dermaßen in seinen Gedanken vertieft, war Siegerain erst in einen Bediensteten und wenig später beinahe gegen die Tür zu Zivkos Kammer auf Burg Perlenblick gerannt. 'Konzentrier´ Dich und reiß´ Dich zusammen!', murmelte der Oberst zu sich selbst. Dann strich er seinen Wappenrock glatt und straffte sich, bevor er an die Tür klopfte. Ein dumpfes "Herein." forderte ihn auf, einzutreten.
"Rondra zum Gruße! Ihr wünschtet mich zu sprechen, Exzellenz?"
"Ah, da seid Ihr ja, sehr schön! In der Tat, das wollte ich. Aber nehmt doch Platz. Nun, wie Ihr wisst, bin ich mit Euren bisherigen Leistungen für das Heer und die Markgrafschaft mehr als nur zufrieden und hatte Euch schon wissen lassen, dass ich dies auch seiner Erlaucht zur Kenntnis zu geben gedächte, was mittlerweile geschehen ist. Um es kurz zu machen:
Nach reiflicher Überlegung hat Herr Rondrigan beschlossen, Euch für Eure vielfältigen Verdienste zum Junker zu erheben und mit einem angemessenen Lehen in Perrinmarsch auszustatten. Die Belehnung soll in knapp zwei Wochen in der Residenz des Markgrafen durch dessen Seneschall erfolgen."
Auch wenn Siegerain innerlich geradezu berauscht von dieser ebenso unerwarteten wie willkommenen Nachricht war, zwang er sich mit Mühe dazu, diese Freude nicht nach außen dringen zu lassen, wusste er doch, dass sein Vorgesetzter eine nüchterne Denk- und Handlungsweise weitaus mehr schätzte, als größere Gefühlsausbrüche oder gar Triumphgeheul, auch wenn dem Oberst gerade sehr nach letzterem zumute war. Stattdessen erhob er sich aus seinem Sessel, schaute seinem Förderer fest in die Augen und antwortete mit ruhiger Stimme:
"Ich bin zutiefst gerührt und danke sowohl Euch für die lobenden Worte an seine Erlaucht als auch natürlich ihm selbst dafür, dass er geruhte, mich als Zeichen seiner Wertschätzung und Vertrauens zum Junker zu erheben. Aber wie ich es Euch gegenüber bereits bei verschiedenen Gelegenheiten erwähnte: Mein Dienst im Heer gilt nicht dem Streben nach Macht oder Titeln sondern einzig und allein dem höheren Ruhme unserer Provinz sowie des Reiches."
"Ich weiß, mein Guter und diese Bescheidenheit spricht sehr für Euch und war mit ein Grund für Eure anstehende Erhebung. Betrachtet diese als Ansporn, dem Land auch weiterhin mit ganzer Hingabe und Einsatz zu dienen."
Mit diesen Worten erhob sich der Baron, schenkte aus einer bereitstehenden Karaffe für sich und seinen Gast zwei Gläser Wein ein und reichte diesem eines davon.
"Auf Euch, Siegerain! Auf Eure Belehnung und eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit!"
"Und auf Euch, Exzellenz! Habt Ihr es mir doch erst ermöglicht, meine bescheidenen Dienste für die Markgrafschaft zur Entfaltung zu bringen."
Nachdem beide Männer miteinander angestoßen und einen Schluck getrunken hatten, setzten sie sich wieder, um ihre Unterhaltung nun in einem etwas ungezwungeneren Rahmen fortzusetzen. Siegerain ließ es sich hierbei nicht nehmen, anzumerken, dass sich die Enkelin seines Vorgesetzten mittlerweile gut bei ihm eingelebt habe und sich sehr anstellig zeige. Dies stimmte zwar, wäre dem Obersten an sich aber keine besondere Erwähnung wert gewesen, wenn sich ihm hier und jetzt nicht die unerwartete Gelegenheit geboten hätte, noch ein wenig mehr bei seinem Vorgesetzten zu glänzen, welcher die Nachricht jedenfalls sehr zufrieden aufnahm.
Gut eine Stunde später verabschiedeten sich die beiden Männer recht herzlich voneinander und Siegerain machte sich auf den Weg zurück in die Reichsstadt, wobei er seiner Begeisterung über die bevorstehende Belehnung außerhalb der Hörweite der Burg mit einem Freudenschrei lautstark Ausdruck verlieh.
"Es tut mir Leid, Wohlgeboren, aber mir sind da die Hände gebunden. Die Entscheidung wurde von seiner Erlaucht bereits getroffen, gesiegelt und dem künftigen Junker mitgeteilt."
"Hm, das ist dann also der Dank für meinen langen wie treuen Dienst für die Provinz. Sagt mir, Effendi: Haben ich oder mein Edlentum dem Markgrafen oder seiner Administration jemals Grund zur Klage gegeben? Irgendwas, dass diese, hm, Entscheidung irgendwie rechtfertigte?"
"Nein, nichts dergleichen, Herr Riman.", erwiderte der Seneschall Zordan von Rabicum trocken. "Aber Euer Lehen, seid versichert, wird nahezu ungeschmälert bleiben, von einer bescheidenen Fläche für die neue Residenz des Junkers einmal abgesehen. Und Eure Treue zu Provinz und Markgraf wird durchaus registriert und geschätzt, das versichere ich Euch."
"Das sehe ich.", antwortete der Edle verbittert. "Und ob ich ein paar Rappan Land für den neuen Athin dieses Emp-, des neuen Junkers hergeben muss, ist eine Sache und sicherlich verschmerzbar. Aber dass ich fürderhin nicht mehr ihrer Hochgeboren Maia direkt unterstehen soll sondern als besserer S´aratan nun diesem Ad'janib, kann ich nicht anders denn als eine buchstäbliche Zurücksetzung meiner Person betrachten."
"Ich verstehe Euren Unmut ja.", bestätigte Zordan mit einem mitfühlenden Unterton in der Stimme, während er im Geiste die von seinem Gegenüber verwendeten nebachotischen Begriffe übersetzte. "Aber da ihr schon die Landvögtin erwähntet, solltet Ihr vielleicht zunächst das Gespräch mit ihr suchen."
"Das habe ich bereits. Sinngemäß teilte die edle Mar'lum mir mit, dass Herr Rondrigan das Ganze gewisslich gut durchdacht gehabt habe, dass sie mich weiterhin sehr schätze und ich mich wegen einer solchen Lappalie nicht grämen solle. Schließlich ändere sich ja fast nichts für mich und ich solle doch schauen, mit dem neuen Junker ein gutes Einvernehmen herzustellen. Dann verschwänden die Probleme schon ganz von allein."
"Äh, ja.", war alles, was Zordan hierzu herausbrachte. Nach einer kurzen Denkpause fügte er mit einem fast schon spitzbübischen Grinsen und gedämpfter Stimme hinzu:
"Nun, die Bandbreite zwischen Gehorsam und Ungehorsam, Loyalität und Illoyalität ist recht groß. Ich bin mir sicher, Ihr werdet schon das rechte Maß hierfür finden."
"Was? Wie genau-?" Dann dämmerte es dem Edlen. "Nun, das werde ich ganz gewiss, Effendi. Ich danke Euch für diesen weisen Ratschlag."
"Welchen Ratschlag? Ich habe Euch lediglich einen kleinen Denkanstoß gegeben. Doch nun entschuldigt mich bitte. Auf mich warten noch andere Aufgaben."
"Natürlich. Und Eure klugen Worte werde ich mir zu Herzen nehmen.", antworte Riman mit einem maliziösen Lächeln, bevor er sich nach einer kurzen Verbeugung vom Seneschall verabschiedete.
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