Geschichten:Über die Zugehörigkeit zum Adelsstand
Geschrieben 1038 BF von Leobrecht von Ochs
Wann bin ich adelig?
Juristisch ist das recht einfach zu beantworten: Adelig ist, wer entweder adelig geboren wurde, oder aber zum Adel ernannt. In der Realität ist es natürlich etwas schwieriger.
Fangen wir mal mit dem einfacheren Teil an: Die Ernennung zum Adel, die sogenannte "Nobilisierung", kann nur durch höherangige Adelige erfolgen, idealerweise durch den zukünftigen Hegemon, der dem Neuadeligen danach dessen Rechte sichert. Je sicherer dieser Ernennende dabei im Sattel sitzt, desto schwerer wiegt der Titel unter Gleichrangigen. Genau deshalb wurde der von Hal inflationär ernannte Heldenadel zumindest zu dessen Lebzeiten nur selten angezweifelt. Um das Ganze zu dokumentieren, erhält der Nobilisierte einen Adelsbrief und wird in die Wappenrolle eingetragen, dieser Briefadel ist de jure mit dem Geburtsadel gleichgestellt, de facto gibt es aber gesellschaftliche Hürden, die nicht so leicht zu überwinden sind.
Es gibt hier natürlich einige schwierige Ausnahmen, insbesondere bei Ernennung in Zeiten unsicherer Herrschaft. Ich will hier nur die Kaiserlosen Zeiten und die Answinkrise nennen. Nachdem die Ordnung wiederhergestellt wurde, bemühten sich daher insbesondere die in diesen Zeiten ernannten Familien, um eine Bestätigung des neuen Herrscherhauses. Oftmals erfolgt diese Bestätigung allerdings nur mündlich in Form eines Lehenseides, so dass der ursprüngliche Adelsbrief weiterhin das 'schlechtere' Siegel eines Besiegten trägt. Deshalb bemüht sich der Neuadel dann, möglichst schnell um einen dynastischen Anspruch, d.h. nachgeborene Kinder und Kindeskinder, die dann adelig geboren sind.
Und hier kommen wir zu dem noch schwierigeren Teil, nämlich der Definition, wer als adelig geboren gilt: Aus dem Turnierwesen Garetiens kennen wir die Zwölfschildigkeit, d.h. dass zwölf der Vorfahren einen Wappenschild trugen, also von Adel waren. Oder genauer: Es gelten nur Schilde in lückenloser Verbindung zu der Person. Es geht hier zwar eigentlich nur um die juristischen Eltern, die nach dem Gebot der Göttin Travia auch adoptierte Kinder und anerkannte Bastarde umfasst. Aber natürlich gibt es auch bei dieser Frage so einiges an Standesdünkeln und insbesondere einige der sehr traditionalistischen Herolde akzeptieren daher nur zwölf Schilde "des Blutes ohne Faden".
Eine Besonderheit bei Bastarden oder Bankerten sollte gerade ich noch erwähnen: Meine drei ältesten Kinder wurden bereits geboren, bevor ich deren Mutter ehelichte. Laut dem Gesetz sind sie aber mit unserem Traviabund zu vollständig legitimierten Erben geworden. Hier gibt es bei Traditionalisten durchaus auch andere Meinungen, aber ich kann hier nicht objektiv urteilen. Für den Stand ist es in diesem Fall vollkommen unerheblich, denn beide sind erstens immer anerkannt gewesen und weisen von beiden Seiten ausreichend Schilde auf.
Dazu kommt, dass so ein Stammbaum aufwändig erstellt und dann auch dem zuständigen Herold glaubhaft vermittelt werden muss. Insbesondere dann, wenn die Schilde in der entsprechenden Region unbekannt sind, mag es sein, dass es einige langwierige Nachfragen auf Kosten desjenigen gibt, der die Adelsprüfung stellt. Und auch hier sind lokale Ausnahmen zu beachten: Sowohl nebachotischer Adel als auch einige Elfen- und Zwergensippen genießen Sonderrechte, die nicht jedem Herold geläufig sein dürften. Bedenkt, dass es sogar einen Trollbaron gibt, der sich wiederum auf ganz andere Rechte beruft.
Ist meine Familie dann auch adelig?
Die Antwort auf diese Frage ist deutlich komplizizerter, aber fangen wir auch wieder mit dem einfachsten Fall an.
Partner, die in einem Traviabund mit einem Titelträger oder Lehensnehmer stehen, haben schon kirchenrechtlich den gleichen Stand. Insofern ist Rondrigan durch Ehe Kaiser des Neuen Reiches und Rohaja genauso Markgräfin Perricums. Das gilt für erbliche und nichterbliche Titel und Lehen gleichermaßen und ohne Ausnahmen. Ist also der Partner oder die Partnerin vom Adelsstand, so färbt das ab. Die den Traviabünden gleichgestellten Bünde vor anderen Gottheiten sind juristisch gesehen analog zu behandeln, aber gerade im traditionellen Adel mag es da zu Akzeptanzproblemen kommen.
Fraglich ist, was passiert, wenn des Lehensnehmer sein Lehen verliert. Bei einer Entlehnung gilt die Sippe, dass heißt mindestens Partner und Nachkommen in der Regel als ebenfalls entlehnt, deshalb wird in diesem Fall einem nachfolgenden Kind in Amt oder Lehen explizit nochmal ein Adelsbrief ausgehändigt.
Sollte es zum Tode eines Lehensnehmers kommen, dessen Partner ursprünglich nicht von Adel war, ist die Situation unklarer, und sie wird oft geheilt, in dem zum Beispiel der sogenannten Alt-Baronin ein Edlentitel und Gut gegeben wird.
Bei Nachkommen ist es etwas umstrittener, sollte bei ihnen die Zwölfschildigkeit nicht nachweisbar sein. In diesem Fall wird üblicherweise entsprechend der Etiketteregeln pro Generation um eine Stufe abgestuft. Damit sind zum Beispiel Kinder von Rittern und Edlen mit nicht ausreichend alter Familie im Rang von Bürgerlichen zu sehen, während Urenkel von Grafen immer noch mindestens im Rang eines Edlen and damit adelig zu behandeln sind. Diese Vorgehensweise ist zwar in Heroldskreisen eine gute alte Tradition, ist aber in Gesetzestexten nicht verankert, insofern tuen hier die Lehensnehmer gut daran, die Nachkommen per Traviabund gut unterzubringen oder mit Lehen zu versorgen.
In den ersten zwölf Lebensjahren oder bis ein Kind den elterlichen Hof verlässt, also während es unter Tsas Geburtssegen steht, wird sein Stand in der Regel unzweifelhaft dem der Eltern gleichgestellt. Wird ein Kind in die Ausbildung gegeben, sei es zu Ritter, Geweihten oder Magus, ja selbst im Handwerk, wechselt es, quasi "auf Probe" in den zugehörigen Stand, bis die Ausbildung vollendet ist. Ich kann mir aber auch keine Situation vorstellen, und kenne auch keine aus der Vergangenheit, in der ein kleines Kind seinen Stand nachweisen müsste.
Kann ich den Adelsstand auch verlieren?
Generell gibt es hier mehrere Fälle aus der Vergangenheit, die wir einmal durchgehen sollten.
Selbst im Tode kann der Adelsstand nicht verlassen werden, mit den oben genannten Unklarheiten für sogenannten "abgefärbten Adel" (siehe vorhergehende Frage). Lediglich der umgekehrte Fall einer Nobilisierung post mortem mag spannend sein, mir ist aber bisher keine daraus resultierende Standesfrage bekannt.
Verlässt ein Mitglied des Adels seinen Stand, um einer Berufung als Geweihter oder Magier zu folgen, verliert dieses Mitglied theoretisch auch seinen Schild, was für die Zwölfschildigkeit seiner Nachkommen entscheidend sein mag. Praktisch führen viele den Familienschild weiter zusätzlich zum Akademiesiegel oder Kirchenwappen. Das heißt aber auch, dass die Nachkommen in diesem Fall den Stand der übergeordneten Generationen "erben" müssen, um nicht automatisch standeslos zu werden, denn Kirchen- und Magierstand können niemals vererbt werden. Auch hier treffen zumindest die einflussreichen Familien aber Vorkehrungen, um ein solches juristisches Dilemma zu verhindern und versorgen die Enkel in der Regel ausreichend.
Eine eher theoretische Ausnahme sind jene Ministerialen, die ihren Stand nur einem nicht erblichen Posten als Vogt verdanken. Wenn sie diese Aufgabe nicht mehr erfüllen, fallen sie - und alle abgefärbten Verwandten - direkt in ihren alten Stand zurück. Aber auch dieser Fall ist eher theoretisch, da für den Posten zumindest einflussreicher Vögte im Range eines Barons oder gar darüber, nahezu niemals eine Person niederen Standes in Frage kommt. Und wenn doch, wird sie in der Regel zugleich zumindest mit einem Edlengut und -titel versorgt, um solche Fragen garnicht erst aufkommen zu lassen.
Der letzte Fall ist, wie auch oben schon angerissen, der juristisch schwierigste. Wenn ein Mitglied des Adels, wie zum Beispiel seinerzeit der dämonokratische Graf von Eslamsgrund jeglicher Ämter und Titel entlehnt wird, was bedeutet das für sein Haus oder seine Nachkommen? Es gibt da sehr unterschiedliche Präzedenzen in der Geschichte des Neuen Reiches. Da dieser Fall, den Göttern sei Dank, nicht so häufig vorkommt, versucht die Krone deshalb heutzutage in der Urteilsschrift all das sehr genau zu regeln. Besonders schwierig ist es natürlich, wenn sich bereits jemand auf zwölf Schilde berufen hat, die nun zum Teil "ungültig" sind. Auch hier gilt, dass der Lehensherr im Zweifel gut daran tut, den Adel des oft unfreiwillig in Schwierigkeiten geratenen Nachfahren nocheinmal deutlich zu betonen.
Was ist mit der Unterscheidung in Hoch- und Niederadel?
Grundsätzlich gibt es nach praiotischem Recht nur genau einen Adelsstand, trotzdem gibt es hier Unterscheidungen, die analog zu dem oben gesagten gelten.
Die Zugehörigkeit zum Hochadel ist nicht eindeutig definiert. Einige machen sie daran fest, ob die Familie ein großes Haus ist, aber auch dessen Definition ist nicht wirklich eindeutig. Was macht eine Familie zum Haus? Das Alter, das Lehen, die Anzahl der Mitglieder? Eine offizielle Ernennung zum Haus gibt es auf jeden Fall nicht.
Generell können wir das Beispiel der Zwölfschildigkeit für den Hochadel (dann wahrscheinlich des Blutes ohne Faden) weiterdenken: Wer also zwölf lückenlos verbundene hochadelige Schilde nachweisen kann, ist per Definition ebenfalls als hochadelig zu sehen. Üblicherweise wird hier als zusätzliche Einschränkung ein Titel oder Lehen des Hochadels vorausgesetzt, in der Sprache der Herolde nennt sich das die "Gekrönte Zwölfschildigkeit", eben nach den Wappenkronen. Wer also wie ich lückenlos von sechs Generation von Baronen und deren Partnern abstammt, ist sicher hochadelig.
Diese Definition favorisiert also alte Familien und ist deshalb wegen der Auswirkung insbesondere für Kinder von jüngeren Baronsfamilien umstritten, die ja dann, wie oben beschrieben, den Rang von Junkern und damit nur Niederadel bekleiden. Dazu gibt es verschiedene Auslegungen und Ausnahmen, die zumeist darin resultieren, dass Kinder von Baronen ebenfalls als hochadelig gelten.
Nehmen wir mal ein interessantes Beispiel zur Erläuterung der Schwäche dieses Systems: Bei ihrer Geburt war Veriya von Gareth nach all diesen Kriterien eine Niederadelige und wurde abfärbend durch ihren Vater für ein paar Jahre als Tochter eines Reichsvogtes hochadelig. Da sie einer Nebenlinie des Kaiserhauses abstammt, reichen ihre Schilde theoretisch niemals aus, um von sich aus dem Hochadel anzugehören. Auf der anderen Seite ist sie aber eine Urenkelin König Bardurons und kein Herold des Reiches würde die Dreistigkeit besitzen, sie als Niederadelig bezeichnen.
Insofern ist es wichtig, hier den Ermessensspielraum anzumerken, den ein Herold in der Frage des Adels im Allgemeinen und in der des Hochadels im Speziellen haben muss!
Analog gibt es übrigens auch eine umstrittene Definition einer "Höchstadeligkeit", die sich einige Mitglieder der Fürsten-, Herzogen-, König- und Kaiserhäuser manchmal ausstellen.
Grundsätzlich halte ich die Unterscheidungen in Nieder-, Hoch- und Höchstadel für schwierig und für die Einheit unseres Adelsstandes wenig förderlich. Praios verlangt vom Adel, Seite an Seite dem einfachen Volk ein tugendhaftes Vorbild zu sein, es zu leiten und zu einen. Wenn wir unseren Stand entzweien, dann folgen die anderen Stände diesem Beispiel, wie wir zuletzt beim Zerfall der Ordnung in den Kaiserlosen Zeiten beobachten konnten.