Geschichten:Abgekanzelt - Die Karawane zieht weiter

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Bei Nesselweil, 14. Rahja 1037 BF

Die kleine Karawane hatte Schloss Ochsenblut nach der schlimmsten Mittagsglut verlassen. Wie s oft waren die letzten Rahjatage unerträglich heiß, vielleicht um die Menschen zu gemahnen, dass nur die Niederhöllen der Dämonen sich durch Kälte verraten, die Namenlosen hingegen nicht, denn ihre Tage sind so heiß und unangenehm wie die letzten des Rahja oder … tja: oder die ersten des Praios.

Karawane war zu viel gesagt: Garetiens Cantzler reiste mit einer Lanze der Löwengarde unter Leuenant Raullob von Stechling, die ihm die Kaiserin als Königin Garetiens ausgeliehen hatte. Zu diesen Reitern gesellten sich eine Kutsche mit dem Wappen des Königreichs und zwei Packpferde. In der Kutsche saßen Horulf von Luring und seine Sekretärin Fridega von Isppernberg und versuchten sich am Fahrtwind, der durch die offenen Verschläge in die Kutsche wehte, zu laben, so gut es eben ging. In mancher Senke aber stand die Luft so gnadenlos im Sonnenlicht, dass die aufgeheizten Winde auf der Haut schmerzten, statt zu kühlen. Als endlich wieder ein Wäldchen erreicht war, ließ Luring halten, um sich im Schatten zu ergehen. Unter einem Baum nahm er Platz, dieweil die Soldaten ausschwärmten, um ihrerseiots Erholung zu finden.

Fridega von Isppernberg nahm pflichtschuldig neben dem Cantzler Aufstellung und drückte den Rücken durch. Sie räusperte sich: »Exzellenz, wollen wir die Kondolenzen besprechen?«

»Jetzt?« Luring blickte von unten auf. Seien Sekretärin war knapp gekleidet, das musste er schon zugeben.

»Noch ehe das Jahr um ist, meintet Ihr auf der Feier Eurer Base.«

»Ja, stimmt. Godelind, die Arme. sie scheint den alten Ardo doch sehr zu vermissen. Selten auf einer so traurigen Geburtstagsfeier gewesen. Außerdem sah sie irgendwie kränklich aus. Fandest du nicht? Gib mir mal das Wasser«

Fridega händigte dem Cantzler den Wasserschlauch aus: »Das kann ich nicht beurteilen, Exzellenz. Allerdings ist es schwer zu sagen. Ihre Wohlgeboren von Bugenhog hatte frischer ausgesehen, als Ihr sie aufsuchtet. Und zwei Tage später war sie tot.«

Luring blickte seine Sekretärin scharf an: War das eine Kritik gewesen? Gut, die alte Olortisa hatte sich mächtig aufgeregt, als er ihr schlampige Amtsführung vorgeworfen hatte, aber man konnte ihm kaum nachsagen, dass er sie ins Grab befördert hatte.

»Hm. Egal. Hast du eine Liste dabei, wem die Krone noch kondolieren muss?«

»Jawohl, Exzellenz. Zunächst Gerwulf Pfundt von Pfundtern

»Das war die Kellerassel auf Auenwacht, oder?«

»Nein, Exzellenz. der Archivar auf Schloss Auenwacht«, korrigierte Fridega penibel.

»Das meinte ich. Wem kondoliert man?«

»Dem Neffen Grothian

»Gut, die Pfundts sind so reich, für die erübrigen wir einen Boten. Wer noch?« Luring setzte den Wasserschlauch zum wiederholten Male an und trank, dass ihm das Wasser rechts und links über die Wangen lief. das kühlte auch äußerlich.

»Die Familie Falkenstein hat mehrere Familienmitglieder zu beklagen: Emmerich, Valnar und Garhilde«

»Ich habe die ganze Familie Falkenstein zu beklagen«, entrüstete sich Luring. »Und dann soll ich dem Standesverräter Haduwulf noch teures königliches Pergament schicken? Niemals! Das kann irgendein Schreiberling aus dem Zedernkabinett erledigen, die Krone kondoliert den Falkensteins nicht.«

»Trautmunde von Syrrenholt

»Oh ja – das war eine herbe Überraschung. Dass Golgari Erlans Gattin holen würde, damit hat niemand gerechnet. Hier bitte ein besonders prächtiges Schreiben aufsetzen: ›Stütze des Königreichs‹, ›freundschaftliche Gedankenbei Hofe‹, ›stets gutes Angedenken bewahren‹ et cetera, et cetera, perge, perge. Wer noch?«

»Udbert von Eslamsgrund-Illgeney

»Wer?«

»Udb…«

»Schon gut. Nie gehört. Standardschreiben, kleines Siegel ohne eigenhändige Unterschrift. Wer noch?« Luring begann unruhig zu werden. Langes Stillsitzen war nicht seine Stärke, nicht einmal bei dieser Hitze.

»Der Architekt Friedensreich von Cronenfurt starb im Boron.«

»Stimmt, hatte ich fast vergessen. Hatten wir mit dem nicht noch im Herbst Kontakt?«

»Jawohl, Exzellenz. Ihr hattet ihn befragt nach Reliefsteinen, die er im Friedenstempel in Hartsteen verbaut haben soll.«

»Genau. Wie war die Antwort?«

»Ihr möget die Nandus-Kirche befragen.«

»Verdammt! Richtig – das hatte ich verdrängt. Kein Schreiben. oder na ja – um Kordians willen: Standardschreiben, wie bei dem namenlosen Eslamsgrunder. Und jetzt geht’s weiter, den Rest machen wir in Gareth!«

Die Karwane brach erneut auf, um noch am Abend Gareth zu erreichen.

Nachtrag drei Tage später:

»Exzellenz?« Fridega steckte ihren Kopf in die Studierstube des Cantzlers.

»Hm?«

»Eure Base ist verstorben.«

»Hm?«

»Godelind.«

»Godelind? Sagt‘ ich’s doch: Sie sah schlecht aus. Lass für Ochsenblut packen, wir reisen wieder dahin.«