Geschichten:Abtasten und Annähern - Zugeständnisse
„Darum beschränkt Euch nicht auf die Sicht, der, wenn auch naheliegenden Kultur der Nebachoten. Bemüht Euch Eure eigenen in Eurer Geschichte begründeten Vorzüge zum Tragen zu bringen. Ihr wisst wie man gepflegt parliert, wisst wie höfische Schreiben zu verfassen sind. Bringt Euer Fingerspitzengefühl, über das ihr verfügt mit ein. Das könnt ihr auch als Nebachote tun. Euer Herr Bruder tat dies auch. Seine Rolle kann in diesen Tagen nicht von einer Person allein ersetz werden. Hier sind Anstrengungen von Nöten, die unter uns gesagt, keiner alleine zu stemmen vermag!“ Nach einer kurzen Pause ergänzte er. „Noch nicht!“
Er schaute ihn jetzt lange an, als versuchte er einen Blick in seine Zukunft zu erhaschen. Während Selo die Worte auf sich wirken lies und gefallen an ihnen fand aber noch nicht wustte wie er dies umsetzen sollte. Beinahe sorgenvoll dachte er im Zuge dessen an den nahenden Besuch der Pulethaner hier in Haselhain, diese hatte er auch nicht gerade als zimperlich kennen gelernt, es würde ihn einiges an Kraft kosten dabei die Worte des Isenbrunners zu beherzigen und ob das ausreichen würde?
Doch da riss ihn der Aufklärungsmeister schon wieder aus den Gedanken: „Sicher gibt und gab es auf beiden Seiten der Münze immer wieder unschöne Zwischenfälle. Im Normalfall würde ich dies als hinzunehmenden Alltag bewerten, doch es handelte sich bei diesem Aufgebot bei den Blutspielen nicht um eine kleine Ansammlung unbedeutender Krieger, sondern hier wurde DER KRIEGER gesucht. Kein Nebachote aus Gnitzenkuhl kannte ein anderes Thema dieser Tage. Meine Gemahlin, Palinai von Isenbrunn, entsandte mir einen Boten in die Reichsstadt, so aufgewühlt waren die Nebachoten darüber in der unsrigen Baronie. Selo schluckte, er hatte zwar erwartet dass es für Gesprächsstoff sorgen würde, aber dies…vielleicht hatte er die Situation zu falsch eingeschätzt und er hätte deutlich vorsichtiger handeln müssen, jetzt zahlte er Lehrgeld, allerdings vielleicht versuchte der Isenbrunner ihn auch durch Überspitzungen einzuwickeln. Er musste jetzt aufpassen, das erwähnte Fingerspitzengefühl beweisen.
„Auch wäre es eher einer Beleidigung gleich gekommen hier einfach aufzutauchen. Ich bin mir sehr sicher, dass der Aufruhr den ich, oder andere Raulsche hier verursacht hätten, der ganzen Veranstaltung einen unguten Beigeschmack gegeben hätten. Dieses Schreiben war keine, und sollte auch keine Einladung sein Wohlgeboren!“ Er stellte dies schlicht fest und Selo nahm das hin.
„Ich bin nicht hier um … zu urteilen, sondern um mein Wissen zu mehren.“ Roderick hatte scheinbar vor weiter auszuholen, zumindest trank er einen großen Schluck aus dem bereit gestellten Tee.
„Es ist ja auch, wie wir beide fest stellten nichts passiert, was wirklich fassbaren Schaden verursacht hätte. Doch so wie Ihr und Ich nichts dazu können, wie die zu entsendenden Truppen zusammengesetzt sind, so sollten wir diese Tatsache nicht zu einem Problem innerhalb des Perricumer Umlandes werden lassen. Eine Politik des Gesprächs und des Miteinanders wäre wünschenswerter in meinen Augen. Auf Augenhöhe! Das Wohl Perricums sollte im Mittelpunkt stehen und keine Eitelkeiten und Befindlichkeiten.“ Er schaute ihn wieder offen an. „Meint ihr diese Worte werden Gehör finden und Ihre Wirkung erzielen, statt falsch verstanden zu werden?“
„Ja, ganz sicher finden sie das. Und seid Euch gewiss dass auch den Baronen von Haselhain und Brendiltal das Wohl Perricums am Herzen liegt. Und Besonnenheit wird unser Credo sein sobald sich hier wieder alles beruhigt hat – denn wie Ihr so scharfsinnig erkannt habt muss dieses Vakuum gefüllt und die Trauer der Nebachoten über solche Verluste besänftigt werden. Wir hoffen dies mit den Spielen und den Feierlichkeiten zur Rückkehr des Helms des heiligen Kashgars im nächsten Mond abzuschließen und daraufhin eine Phase der Besonnenheit und eine Politik der Ruhe vor einem vermeintlichen Sturm generieren zu können.“ Selo, hatte dick aufgetragen und es nach diesem Gespräch als besser empfunden die naheliegenden Ereignisse schon vorbereitend zu thematisieren. Während er im Gedanken schon die Schreiben an die Nachbarn aufsetzte. Diesmal unverfänglich einladend, doch bestimmt daraufhin weisend dass es sich hier um eine Festivität der Pulethaner handeln würde.
‚Sieh an, er lernt schnell dazu. Solche Besuche lohnen sich eben doch, statt nur zu zetern!‘ Interessiert nickte er seinem Gegenüber zu. „Gut, in diesem Zusammenhang, der Rückkehr einer“, er suchte nach dem passenden Wort, „…Reliquie, wird sicher kaum ein Nachbar verstimmt sein. Erst recht nicht, wenn er informiert wurde!“ Ein feines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, und er malte sich in Gedanken aus, wo dieser Bursche wohl in 20 Götterläufen stehen mochte. Wer wußte das schon? Es galt die kommenden fünf lebend zu überstehen, und zu verhindern, dass der Landstrich zu sehr litt unter dem was kommen mochte. Träume plagten ihn seit geraumer Zeit, und er suchte häufig Zerstreuung in den Wäldern. Sich mit Firun zu messen, bedeutete immer, gestärkt aus der Jagd hervor zu gehen!
„Nehmt es mir nicht übel Euer Wohlgeboren, es war mir wirklich eine Freude mit Euch zu plaudern, doch muss ich nun weiter. Mein Schwiegersohn, Ritter von Keilholtz braucht meinen Rat in einer Angelegenheit!“ Etwas steif und umständlich erhob sich Roderick von Isenbrunn. Doch sobald er stand wirkte er wie eine Statue unbeugsamen Adels.
Selo erhob sich ebenfalls, vielleicht hatte er diesen Mann falsch eingeschätzt, vielleicht hatte er sich in letzter Zeit auch nur zu einseitig unter den nicht minder vorurteilbehafteten Nebachoten aufgehalten. Und vielleicht war es genau sein „zwischen den Stühlen sitzen“ dass Perricum helfen könnte, er würde das in Zukunft forcieren, jetzt reichte er Roderick die Hand, in ehrlicher Dankbarkeit, dieser Mann war einer der ersten hier die ihn von Anfang an ernst nahmen. „Ich danke Euch ebenfalls für Euer Erscheinen und das Grundvertrauen in uns hier, welches ein solches erst ermöglicht. Denn wie ihr schon betontet ist der Dialog letztlich die einzige Möglichkeit sich aus der Spirale des Konflikts hinaus zu bewegen und die Einheit für Perricum zu schaffen die es verdient. Ihr seid immer herzlich willkommen, werter Aufklärungsmeister und tragt es hinaus dass wir bereit sind alle gemeinsam für Perricum zu stehen. Die Götter mögen mit Euch sein.“
„Das werde ich, Euer Wohlgeboren, das werde ich. Und die Götter mit Euch.“