Geschichten:Aidaloê - Teil 5
Eine Sanduhr später saß sie in der Gaststube des freundlichen Hauses „Zum Grauschwan“ in Untergras, ein gutes Haus. Die Wirtin Traviafrieda Gansgut konnte von sich sagen, auch für die Ansprüche von Adligen ausgerüstet zu sein und so hatte Aidaloê für sich und ihre Begleiter gute Zimmer bekommen und auch die Pferde waren gut untergebracht. Sie und Odana würden in einem Zimmer nächtigen, Ritter Trautmann hatte sich bereiterklärt, mit den Schützen und dem Kutscher einen Gemeinschaftsraum zu belegen.
Die Schützen kümmerten sich noch um die Pferde und die Kutsche, während Aidaloê und Odana schon – unter den wachsamen Augen Trautmanns – ein gutes Abendmahl mit Geflügelbrust, Waldpilzsoße, gegarten bornländischen Kartoffeln und geschmortem Gemüse genossen. Dazu kredenzte die Wirtin neben einem feinen Wein auch ein Dessert aus Fruchtmus mit Sahne – als hatte sie gewusst, dass die Junkerin Süßes für ihr Leben gerne schlemmte.
Die Nacht in diesem Gasthaus verlief ruhig. Aidaloê hüllte sich in die mit Gänsefedern gefüllte Decke und genoss die friedvolle Ruhe – als ob das brodelnde Chaos diesen Hort der Stille noch nicht erreicht hätte, dachte die Halbelfe, bevor sie sanft einschlummerte.
Doch lange konnte sie nicht schlafen, denn der nächste Morgen begann früh. Ein kräftiges Pochen, eher schon ein veritables Hämmern riss sie aus ihrer lieblichen Traumwelt, in der sie von einem schmucken Ritter und Baron träumte, der sie entführte und in einer bezaubernden Wasserfallgrotte heimlich heiratete. Doch anstatt sich zu küssen, fuhren Aidaloê und ihr tapferer Freier unter einem harten Hammerschlag an den Höhlenwänden zusammen und nur langsam fand die Halbelfe zurück in die Realität.
„Euer Wohlgeboren, ich sollte Euch gleich nach Sonnenaufgang wecken.“
Rasch entwand sich die Junkerin dem eisernen Griff der Decke, die sich erbarmungslos um ihre Beine gewunden hatte, wuchtete sich verschlafen aus dem Bett, um sich dann ihren Morgenmantel überzuwerfen.
Auch Odana war schon auf den Beinen und wirkte ähnlich verschlafen und hochgeschreckt wie ihre Herrin. Doch mit geübten Handgriffen richtete die Zofe das Gepäck der Junkerin her und packte dann die Toilette aus. So konnte Aidaloê Trautmann, der auf der anderen Seite der Tür stand, guten Gewissens mitteilen, bald hergerichtet zu sein.