Geschichten:Allianzen und andere Katastrophen - Angriffsziel: Raulsmark

Stadt Natzungen, Taniras Privaträume, 17. Travia 1030 BF

Laut prasselte Regen gegen die Sturmläden der Fensteröffnungen und die Fackeln und Lampen vermochten das Halbdunkel des Raumes kaum zu durchdringen.

Tanira saß auf einem Stuhl an einem kleinen Arbeitstisch und beobachtete Hadrumir, der sich in der Nähe auf einem breiteren Sofa niedergelassen hatte. Erst im Laufe des Tages war man wieder in Natzungen eingetroffen. Länger als erwartet war sie gezwungen gewesen, das Bett auf Burg Orbetreu zu hüten. Doch unter den Händen der Perainenovizin war die Wunde dann schließlich verheilt und so sie sich nicht zu sehr verrenkte, sollte es ihr in wenigen Tagen möglich sein, die Waffe wieder zu führen, um den Rondrabund mit Hadrumir eingehen zu können. Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Züge, als ihr Blick weiter über Hadrumir glitt. Sie hätte es wahrlich schlechter treffen können. Der Junker mochte zwar etwas grobschlächtig in der Wahl seiner Mittel sein, doch sah er nicht aus, als dass man ihn nur mit einem Sack über dem Kopf in die privaten Gemächer lassen konnte und den Geschichten nach, die sie über ihn gehört hatte, kümmerte er sich gut um die Seinen. Auch hatte sie in den letzten Tagen das Gefühl erhalten, dass er sie schon durchaus zu den Seinen rechnete, ohne sie jedoch dabei unterdrücken zu wollen.

Die Entscheidung seiner Familie nach dem Begräbnis des Thronhardt von Schwingenfels, ihn als nominelles Oberhaupt einzusetzen, hatte ihn sichtlich erleichtert. Er flegelte sich bequem auf das Sofa und hatte sogar den Waffengurt abgelegt und das Schwert nur in Griffweite gelagert. Seinerseits beobachtete er sie leicht lächelnd.

Tanira griff zu einem der Pergamente und überflog die Zahlenkolonnen auf diesem. Dann blickte sie Hadrumir in die Augen. „Wir brauchen mehr Vorräte.“ stellte sie trocken fest, um dann kurz aufzuseufzen. „Die Feierlichkeiten in den nächsten Tagen werden uns ein großes Loch sowohl in die Kornspeicher als auch in die Kasse reißen. Ehrlich gesagt, weiß ich gerade nicht, wie ich deine Schwingen über den Winter bringen soll.“ Hadrumir stand auf, trat hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern und blickte ebenfalls auf das Pergament. „Der Grützer hat dir einiges an Vorräten und Einnahmen im Norden und Westen der Baronie abgezogen. Wir werden diese Verluste ersetzen müssen. Du solltest trotzdem die Bauern, welche vor der Schlacht nach Natzungen gekommen sind, mit ihren Vorräten auf ihre Höfe zurückschicken.“ meinte er trocken. „Für den Rest werde ich mir etwas einfallen lassen“ versuchte er ihre Sorgen zu mildern. Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte zu ihm auf: „Willst du Vorräte aus Orbetreu bringen lassen?“ „Lass das meine Sorge sein!“ Weiter blickte er auf die Pergamente vor ihr. „Die Erträge deiner Mühle sind zurückgegangen – das solltest du überprüfen lassen.“ Tanira ließ es zu, dass er ihre Aufmerksamkeit auf etwas Anderes lenkte „Du hast Recht. Ich werde jemanden dort vorbeischicken, der nach dem Rechten sieht.“

Hadrumir überflog die Unterlagen auf dem Schreibtisch und schaute sich nach den Karten um. Schließlich nahm er eine davon und setzte sich wieder auf das Sofa. Tanira schaute ihm irritiert zu und wandte sich den Zahlen der Mühle zu. „Diese Weiler Heufelden, Griselbach und Gumbelstein liegen doch wie auf dem Präsentierteller.“ sprach Hadrumir. Tanira hatte diese Namen noch nie gehört und blickte jetzt neugierig auf. „Was meinst Du?“ Hadrumir trat mit der Karte vor und breitete sie vor Tanira aus, um ihr die genannten Orte zu zeigen. Tanira schaute auf die Karte und sprach verwundert: „Die liegen aber in der Raulsmark.“ Hadrumir blickte sie ernst an. Sie schüttelte energisch den Kopf: „Nein! Wir werden nicht in der Raulsmark unsere Vorräte auffüllen.“ Hadrumir wirkte immer noch ernst: „Doch genau das werden wir tun! Während Natzungen mit Untoten, mit marodierenden Räubern und mit dieser Fehde zu kämpfen hatte, konnten sich die Raulsmärker schön ausruhen. Es ist nur recht und billig, wenn sie jetzt ein wenig von ihren Erträgen abgeben. Schließlich haben wir sie davor vor der Wildermark geschützt.“ Tanira war immer noch skeptisch. „Wir können uns nicht noch mehr Feinde machen!“ „Du hast die Zahlen doch vor dir. Von wem willst Du denn Unterstützung bekommen? Von Anselm? Von Geismar? Wenn wir nicht handeln, dann handelt der Grützer! Nochmals wird er sich nicht übertölpeln lassen.“ „Wir können aber nicht gegen den Grützer und die Raulsmärker bestehen.“ Hadrumir winkte ab: „Wer von den Raulsmärkern soll denn etwas unternehmen? Wir gehen rein, nehmen mit, was wir kriegen können und sind wieder weg. Oldebor von Weyringhaus wird nicht mit seinen Truppen nach Natzungen marschieren. Zumal er gar nicht weiss, wer für den Überfall verantwortlich war.“

Tanira wirkte nicht überzeugt: „Der Grützer wird doch darauf reagieren. Er wird sofort uns die Schuld in die Schuhe schieben.“ „Das ist wahr.“ Hadrumir wirkte unentschlossen. „Auf der anderen Seite wird dies wirken, als hätte er die Sache angeleiert, um uns die Sache in die Schuhe schieben zu wollen.“ fuhr Tanira fort. Hadrumir schaute erstaunt auf. Tanira blickte ihn fest an. „Bist Du Dir sicher, dass das funktioniert?“ „Ja, das bin ich.“ Tanira seufzte schwer. „Wann willst Du zuschlagen?“ „Nach der Hochzeit.“ antwortete Hadrumir. Tanira sprach nun energisch: „Du wirst nicht das Kommando über die Truppen haben! Du wirst nicht mit deinem eigenen Hengst reiten. Ich will kein einziges blaues Abzeichen sehen. Mach diesen Raul zum Kommandanten.“ Hadrumir wirkte unsicher, was das sollte. „Er könnte eher als ein Windischgrütz durchgehen, wenn man die Übeltäter beschreibt. Ein großer Reiter fällt nicht so auf, wie ein großer Kommandant. Und noch etwas: Der Landbevölkerung wird kein Leid angetan. Einverstanden?“ Ihre Ausführungen ergaben Sinn, weshalb Hadrumir nickte. „Dann mach es!“