Geschichten:Alrik der Reiter - Bauchgefühl

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Institut der Hohen Schule der Reiterei zu Gareth, Travia 1041 BF

„Es gibt aber noch etwas anderes, über das ich mit dir sprechen muss“, Praiodan von Steinfelde stellte sein Glas zur Seite, rückte etwas näher an Alrik von Hartsteen heran und beugte sich vor, um noch leiser sprechen zu können: „Eine weitere Entscheidung ist gefallen. Hartsteen wird Genugtuung vom Schlund verlangen, und wenn dem nicht entsprochen wird, den Worten nachdrückliche Taten folgen lassen. Der Zeitpunkt ist noch offen, gleichwohl laufen die Vorbereitungen jetzt an. Du weißt ja, dass seit über einhundert Jahren kein fremdes Heer den Schlund mehr betreten hat. Das heißt, wir brauchen vor allem einen fähigen und wagemutigen Heerführer, jetzt, da der Schwingenfels nicht mehr unter uns weilt. Ich bin beauftragt, dir diese Kommandogewalt anzutragen.“

Entgeistert starrte Alrik von Hartsteen sein Gegenüber an. Dann kippte er den Brand mit einem Mal hinunter, bevor er in die gespannt Stille antwortete, und seine Stimme klang dabei seltsam belegt.

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Seit der Steinfelder sich verabschiedet und das Arbeitszimmer verlassen hatte, stand eine unausgesprochene offene Frage im Raum; eine Frage in jeder Geste, jedem Blick seines Adlatus. Warum? Warum hatte er, Alrik von Hartsteen, nicht sofort eingewilligt, sondern sich Bedenkzeit ausbedungen? Warum wollte er nichts mit dieser Angelegenheit zu tun haben?

Wäre es gegen Haffax oder einen anderen der längst verrottenden Heptarchen gegangen, er hätte ohne Zögern und mit Freuden zugestimmt. Das hier war etwas anderes und die möglichen Implikationen standen ihm klar vor Augen: Vor fünf Götterläufen hatte er auf den Baronsreif von Hutt verzichtet, damit er künftig unbehelligt von Ränkespielen und Querelen seiner eigentlichen Passion frönen könnte.

Und nun das! Wenn er dieses Kommando annahm, würde er dafür alles hier in Gareth ein zweites Mal aufgeben müssen – und ein zweites Mal würde er sicher nicht zurückkommen. Er spürte, wie sich das gleiche dumpfe Gefühl im Magen einstellte wie damals, als ihm Luidor seinen Plan eröffnet hatte, die Hartsteener Grafenkrone tatsächlich für sich zu beanspruchen – ein Gefühl, das ihn über die Jahre seiner Amtszeit in Hutt kaum je verlassen hatte. Erst seitdem Alrik wieder die altvertraute Garether Luft geatmet und die Zügel an der renommierten Kriegerakademie erneut in die Hand genommen hatte, war es langsam gewichen – um jetzt auf einen Schlag zurückzukehren.

Doch welche Optionen hatte er denn? Entweder er lenkte den Groll der Hartsteener und insbesondere seines Bruders Luidor auf sich oder weckte mit diesem Abenteuer im schlimmsten Fall den Unmut der Krone. Und dass der Cantzler mit Leuten, die seinen Unmut erregten, nicht gerade zimperlich umging, hatte er zur Genüge registriert. Der Akademieleiter unterdrückte einen Seufzer. Ein offenes Vorgehen verbot sich also – mithin blieb das Agieren im Hintergrund, am besten, ohne dass sein Anteil an dem Unternehmen überhaupt deutlich wurde. Sein Blick streifte über den mit eng bekritzeltem Papier bedeckten Schreibtisch und heftete sich wieder an Adhumar.

„Ich kann und werde dieses Angebot nicht annehmen“, sprach er schließlich über das hereinschallende Hufgetrappel. Den Schatten der Missbilligung, der sich im Gesicht seines Neffen widerspiegelte, ignorierte er. „Gleichwohl, werde ich meinem Bruder, oder meinem Schwager, mit Rat und Hilfe auf andere Weise zur Seite stehen. Wenn er diesen Strauß mit Aussicht auf Erfolg fechten will, dann braucht er eine gute Vorbereitung und Planung und dazu das rechte Wissen um das, was ihn erwartet; also Kenntnis der Wege und Hindernisse und überhaupt alle Informationen über den Zustand des Landes und insbesondere seiner Befestigungsanlagen. Einen Teil davon kann ich ihm sicher liefern, und für den Rest – wirst du verantwortlich sein.“

„Wie das?“, Adhumar beugte sich leicht nach vorn.

Alrik strich sich über den Bart und begann zu schmunzeln. „Du weißt, ich arbeite an einem Buch und brauche noch Material; und dafür machen wir – das heisst: du – eine Exkursion.“

„Eine Exkursion?“

„Ja doch. Ein paar ausgewählte Schüler unter deiner Leitung werden im Feldversuch ergründen, warum dieser Landstrich so lange schon nicht mehr von einem großen Heer direkt angegriffen worden ist. Ihr werdet von Ort zu Ort ziehen, das Land und seine Gegebenheiten studieren, insbesondere die natürlichen und künstlichen Verteidigungsmöglichkeiten, und mir davon anschließend Bericht erstatten.“

„Ich verstehe.“

„Gut. Irgendwelche Vorschläge, wen du auf solch ein Unternehmen mitnehmen würdest?“

Adhumar von Windischgrütz überlegte kurz und nannte dann ein paar Namen: Emerdane von Garnelsand, die jüngste Tochter des angesehenen Stadtritters in ihrem letzten Jahr am Institut; Almuth Helck aus Ackbar, der bei ihren Voraussetzungen eine steile Karriere in der Goldenen Lanze bevorstand, und schließlich den aus Bärenau stammenden Meinrat Arlangen, der neben der Abenteuerlust seines Großvaters auch einiges von dessen Talent mit Feder und Papier mitgebracht hatte.

„Eine gute Wahl!“, Alrik nickte zustimmend, „Wird hiermit genehmigt. Aufbruch, sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind.“

„Jawohl.“

„Ach, und besser, du sagst ihnen nicht, wofür sie dies wirklich tun.“


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Texte der Hauptreihe:
Mitte Tra 1041 BF zur mittäglichen Efferdstunde
Bauchgefühl
Gerüchteküche


Kapitel 3

Autor: Steinfelde