Geschichten:Altes Blut - Der Baron aus den Schatten
1. Praios 1037 – Pochudas Theke, Rallerspfort (Baronie Rallerspfort)
Das neue Jahr war erst wenige Stunden alt, doch die Luft schon genauso verbraucht, wie im Jahr zuvor. Pochudas Theke – das einzige was einen Besuch in diesem Laden rechtfertigte war der Apfelwein, der so stark und sauer war, dass er einem die Sinne vernebelte, und nicht, wie beabsichtigt, die Mädchen, die sich im Licht der rußenden Lampen rekelten. Für die Kameraden seines Gesprächspartners hatte es jedoch gereicht. Drei klimpernde Silberstücke waren wenig für eine halbe Stunde mit Rudon allein. Er wandte sich angewidert ab, als eines der Mädchen eine ihrer schweren Brüste entblößte und damit dafür sorgte, dass sich Moribert am Apfelwein verschluckte und diesen lautstark hustend wieder hervorbrachte. Der Scheupelburger hatte sich hartnäckiger gegeben, doch als ein Mädchen ihn in ein Hinterzimmer gezerrt hatte, hatte er sich nicht länger wiedersetzt – Die Tropfen in seinem Getränk würden ihn bis morgen früh ruhigstellen. Lautes Johlen erfüllte den Raum als Moribert seiner Auserwählten den Krug Apfelwein überschüttete, woraufhin diese sich entkleidete. Rudon verlor das Interesse und wandte den Blick wieder seinem geheimnisvollen Gesprächspartner zu.
„Hübsche Mädchen, die Ihr da für meine Kumpanen angeheuert habt.“, bemerkte Rudon mit kaum überhörbarer Ironie.
„Waren sie einmal schön, liegt das sicher drei Schwangerschaften und eine schwere Pockenseuche zurück, doch Euer werter Moribert scheint sie so sehr zu lieben, wie sie Ihn – kein Wunder bei einem so stattlichen Mann.“ Rudon blickte ihm ins schmunzelnde Gesicht, als wolle er die Gedanken seines Gegenübers anhand des Gesichtsausdrucks erraten.
„Stattlich? Breit, stur, haarig? Ja. Etwas langsam? Sicher. Aber bei den Göttern, er ist wohl kaum stattlich, doch bin ich mir sicher, dass Ihr nicht mit mir über ihn reden wollt.“
„Gewiss nicht.“
„Über was dann?“
„Über Euch und Eure Hochwohlgeborene Begleitung, Euer Wohlgeboren.“ Ein leichtes Zucken in den Mundwinkeln verriet, dass Rudon die Wahl des Titels bemerkt hatte.
„So? Was ist der Grund?“
„Ich frage mich was wohl der Erbe des schönen Reichsforts hier in Rallerspfort sucht und dann auch noch in einem solchen Etablissement. Wohl kaum die Frau seiner Träume.“
„Lasst die Frauen mit denen wir uns abgeben unsere Sorge sein, ebenso welche Art von Etablissement wir besuchen. Hier kennt uns ohnehin niemand.“
Das Stichwort. „Niemand, sagt Ihr? Das ist schade, doch ist es weniger entscheidend, dass man Euch erkennt, als viel mehr als was man Euch kennt, nicht wahr?“
„Worauf wollt ihr hinaus?“
„Dieser Ort ist zu weit fort von Luring, als dass sich Männer von Bedeutung hierher verlaufen würden, geschweige denn das Volk ihre Gesichter kennt, doch Namen verbreiten sich in Windeseile.“
„Ich weiß noch immer nicht was Ihr von mir wollt.“
„Ich möchte von Euch wissen, als was man Euch kennen soll, wenn Euer Freund den Thron seines Vaters besteigt. Die Fußstapfen von ihm sind groß und „Graf Drego der Unbekannte“ wird sie nicht ausfüllen. Graf Drego d…“
„Hütet Eure Zunge und sagt was ihr wollt!“ Er hatte den wunden Punkt getroffen, wie das zornige Gesicht Rudons verriet. Nun hatte er die volle Aufmerksamkeit.
„Nun Drego wird irgendwann einmal bekannt werden als was auch immer, aber was ist mit Euch? Ein Drego der Gerechte lässt einen aufmerken.“
„Ich mache mir nichts aus Namen und Drego auch nur bedingt.“
„Ja aber ich halte Euch für schlau genug zu wissen, dass der richtige Name Tore öffnet…sehr weit sogar. Ihr könntet in Dregos ruhmvollen Kielwasser schwimmen und es erginge Euch sehr gut.“
„Er ist genau dort, wo der Erbe eines Grafen sein sollte. Was haben wir für Gründe uns von Euch belehren zu lassen?“
„Gar keine, das sehe ich ein, doch könnt Ihr mir sicher im Gegenzug sagen, was Drego Großartiges vorzuweisen hat, jetzt da sein Vater bald zurückkehrt. Gar nichts. Klar, es ist nichts Schlimmes geschehen und das mag den meisten schon reichen, doch es schindet mehr Eindruck, wenn er zeigen könnte, dass er sich für die Belange innerhalb „seiner“ Grafschaft interessiert.“
Rudon grübelte einen Augenblick.
„An was denkt Ihr?“
„Daran, einem Baron zu seinem Erbrecht zu verhelfen, dass im Nebel der Zeit verloren ging.“
„Wessen Baronie?“
„Nunja ihr sitzt hier in Rallerspfort, der Baronie, um welche es gehen soll.“
„Raulbrins Familie stellt schon lange die Herren über dieses Land.“
„Das bestreite ich nicht, wohl aber, dass sie es schon immer tat.“
„Wessen Familie sollte es stattdessen tun? Vermutlich erzählt Ihr mir gleich, dass die Eure es sein sollte.“
Ohne mit der Wimper zu zucken kam die Antwort. „So ist es. Meine Familie stellte vor langer Zeit die Herren über dieses Land und ich habe ein Dokument, das das beweist.“
„Ist das so, ja? Dann verratet mir Euren Namen.“
„Mein Name ist Haldan von Rallersgrund und rechtmäßiger „zu Rallerspfort“. Lange Zeit war meine Familie gezwungen mit dem Namen „Rallersgrunder“ zu leben, um zu überleben, doch die Zeit ist reif das zu ändern. Ich frage Euch nun folgendes: Gesetzt dem Fall, dass ich die Vasallen Raulbrins auf meine Seite ziehen kann, wen wird das Grafenhaus unterstützen? Helft mir Drego zu überzeugen und all mein Engagement wird dem Grafenhaus und natürlich seinen Freunden gelten.“ Haldan blickte Rudon fest in die Augen, welcher den Blick erwiderte, bis er aufstand und den Raum verließ.