Geschichten:Am Hofe des Kronvogtes - Szenen einer Ehe
Hochnjerburg, Königlich Neerbusch, Phex 1035 BF:
In dem oberen Turmsaal der „Langen Hallermine“ war die lange Tafel reichhaltig gedeckt. An einem Ende saß Kronvogt Leomar von Zweifelfels, an der anderen seine Gemahlin Mirya Hesine von Hohentann. Das hohe Gewölbe war ob der nur wenigen Kerzen, die den Raum eher mäßig erhellten, kaum auszumachen. Auch die viel gerühmten Schnitzereien an der oberen Galerie waren nur ansatzweise auszumachen. Das frisch angetraute Paar hatte schweigend das abendliche Mahlzeit zu sich genommen, das soeben von den königlichen Pagen Ulmberta, Radulf und Helmar abgetragen wurde.
„Mein liebster Gemahl“, durchbrach die schwanenbrucher Baroness die Stelle, „ich halte es wahrlich nicht für notwendig das abendliche Mahl in diesem großen Saale einzunehmen, er ist so schlecht ausgeleuchtet. Auch trennt uns die lange Tafel, so dass ich Euer Antlitz im flackernden Kerzenlicht kaum erkennen kann. Die Reichsforster Kammer empfände ich als mehr als ausreichend.“
Mit einem aufgesetzten Lächeln stellte der Kronvogt den Weinkelch, den er soeben geleert hatte, auf die hölzerne Tafel. „Meine Teuerste, für Euch ist nur das Beste gut genug. Daher ist dieser exquisiter Saal, wo einst die gareter Könige speisten, für Euch gerade gut genug. Die beengte Reichsforster Kammer würde Euch nur beleidigen.“
„Ich schmeichelt mir, meine Gemahl.“ Die Dame des Hauses läutete eine kleine Glocke und ihre Kammerzofe Peraidine von Nadlau trat ein. „So Ihr nichts dagegen einzuwenden habt, ziehe ich mich nun in meine Gemächer zurück.“ Leomar erhob sich von seinem Platz, nickte kurz und deutete eine Verbeugung an.
Als die Gemahlin des Zweifelfelsers den Turmsaal verlassen hatte, trat ihre Kammerzofe an den Kronvogt heran. „Eure Gemahlin wünscht zu erfahren, ob Ihr ihre Gemächer heute Nacht aufsuchen werdet.“
Der spröde Gesichtsausdruck der alten Jungfer passte so gar nicht zu dem eben gesagten, empfand Leomar. Er überlegte einen Augenblick, war er doch durchaus in der Stimmung Rahja zu huldigen, aber mit seiner Gemahlin? Welch abwegiger Gedanke! Zu dumm, dass der Feenwasser gerade in Leihenbutt weilte, um für den Elfenpfad zu werben... der wäre dem ihm jetzt lieber gewesen, der war wenigstens hübsch anzusehen. „Bereitet alles für mein nächtliches Erscheinen vor“, entgegnete Leomar schließlich, „aber dunkelt das Schlafgemach der Baroness ab, nur wenige Kerzen. Zudem würde es mein Herz erfreuen, wenn meine Gemahlin den tulamidischen Schleier tragen würde, den ich ihr zu unserer Vermählung geschenkt habe.“
„Sehr wohl, Hochgeboren.“ Die kammerzofe verbeugte sich und trat ab.