Geschichten:Am Hofe des Kronvogtes - Zur Jagd III.
Irgendwo im Reichsforst, Kronlande Njertal, Königlich Neerbusch, Rahja 1035 BF:
Der Junker aus den Wehrheimer Landen stieg vom Pferd ab und machte sich für die Pirschjagd bereit. Wie es sich für eine Jagd gehört war er waidmännisch gewandet. Er trug einen mit firunsgefälliger Symbolik bestickten Gambeson, Lederhosen und -stiefeln, einen dunkelgrünen Umgang und ein ebenso grünes Barett. Er nahm die leichte Jagdarmbrust aus dem Ledersack und bereitete die Munition vor. Neben einem Eberfänger war auch mit einem Kurzschwert gerüstet.
Nachdem weder Edorians Knappe noch ein Waffenknecht Storkos die beiden begleiteten machten sie sich nur zu zweit in den Wald auf. Es war ein heißer Rahjatag und die Praiosscheibe stand fast wolkenlos über ihnen, doch als sie in den Reichsforst eintraten, tauchten sie in eine andere Welt ein. Schon nach wenigen Schritten leichtem Gehölz offenbarte sich ein schwer zu durchschreitendes Gewirr von Pflanzen, Bäumen und Ranken. Laub und Nadelhölzer gemischt erhoben sich majestätisch in die Höhe und im Unterholz machten Büsche das Fortkommen schwer. Die klare und trockene Luft außerhalb des Waldes wurde hier durch dampfende Nebelschwaden abgelöst, die nicht nur die Sicht einschränkten sondern auch den beiden den Schweiß an die Stirn trieb. Feuchte Moose und kräftige Wurzeln bedeckten den Boden und Storko musste vorsichtig sein um nicht zu stolpern. Vögel flatterten aufgescheucht um die Baumwipfel herum und machten zwitschernde Laute. Kein Zweifel, der Reichsforst sprudelte nur so von Tsas Lebenskraft und Menschen schienen nur Gäste hier zu sein.
Auch wenn das Vorankommen nur langsam vor sich ging war das Unterholz in ihrem Sinne. Sie waren nicht hier um einen Gewaltmarsch durch den Wald zu führen, sondern auf die Pirschjagd zu gehen. Und dafür boten sich die unzähligen Verstecke, Schlupfwinkeln und Moosbette geradezu an. Langsam pirschten sie vorsichtig voran mit der Hoffnung auf einer Lichtung ein Reh oder einen Eber zu entdecken. Es war annähernd windstill und die Nebelschwaden wollten sich nicht auflösen, sodass nur wenige Praiosstrahlen den Waldboden erhellten und so alles in ein schummriges dumpf-grüngraues Licht getaucht war.
Storko beobachtete Edorian während dieser die kleine Jagdgesellschaft anführte. Er schien ein geübter Pirscher zu sein, nicht umsonst sollte er doch das Amt des königlichen Jagd- und Forstmeisters tragen. Insbesondere der kunstvolle Bogen zog die Blicke des Wehrheimer Edlen auf sich, erinnerte er doch stark an Elfenhandwerk, oder zumindest das was sich ein Laie darunter vorstellt. Der Herr von Feenwasser war jedoch sichtlich nervös oder übervorsichtig. War er sich selbst nicht ganz im Klaren ob die dunklen Mächte die diesen Ort bis vor Kurzem heim gesucht haben auch tatsächlich vertrieben wurden, dachte sich Storko.
Plötzlich raschelte es im Gebüsch unweit vor ihnen. Edorian zielte sofort mit seinem Bogen in die Richtung und spannte mit einem Pfeil zwischen den Fingern die Sehne. Jedoch, kein Eber, Hirsch oder gar Wolf kam aus dem Unterholz heraus, sondern ein Auerhahn machte sich gestört von den Eindringlingen in seinem Wald zum Flug bereit. Der Jagdmeister zielte und ließ den Pfeil durch Blätterwerk und Unterholz gleiten – doch, verfehlte er das Ziel und das glückliche Tier konnte sich mit behäbigem Fliegen in die oberen Wipfel ins Sichere zurück ziehen.
Vergebens, nun waren sie schon ein paar Stunden hier auf der Pirsch, doch die Tiere das Waldes wollten sich lieber verborgen geben. Storko setzte sich auf einen moosbedeckten Baumstumpf zur Rast und bemerkte seinem Jagdgefährten: „Ich denke in Travias Namen, es ist schon fast Mittag und wahrlich die rechte Zeit für eine Rast.“ Aus seinem Brotbeutel holte er einen halben Leib Brot heraus, sowie eine Hartwurst und reichte einen Teil davon Edorian der sich ebenso zur Brotzeit niederließ. Obwohl die Praiosscheibe hoch zu Mittag stand war die Feuchtigkeit im Wald nur wenig gewichen und auch viele schlammige Pfützen bedeckten den moosigen und erdigen Boden. Edorian nagte an seiner Wurst als ihm seltsame Spuren im Schlamm wenige Schritt vor ihnen in seine Augen stachen. Er näherte sich der Pfütze um die es genauer zu betrachten. „Seht her,“ sprach der Fährtenleser „das sind gar seltsame Spuren, mag ein Wolf gewesen sein, … aber ein außergewöhnlich großer“. Storko beugte sich ebenfalls über die Spuren, konnte jedoch im Gegensatz zu seinem Begleiter die Fährte nicht genau zuordnen. „Ja, scheint ein großes Tier gewesen zu sein“ kommentierte er, „und die Spuren führen in diese Richtung“ in die er mit seiner linken Hand zeigte, weiter in den Wald hinein.
Sie nahmen die Fähre auf. Ein Wolf. Nun hatte doch der Kronvogt gesagt, dass eine Wolfsplage die Gegend heimsucht. Dann waren sie auf der richtigen Spur. Das Tier musste schnell unterwegs gewesen sein, wie der Jagdmeister beim Fährtenlesen bemerkte. Die Spuren im Waldboden führten sie tiefer in den Forst hinein, doch nach einiger Zeit wurde das Gestrüpp und Gehölz von einem Nadelwald mit moosbedecktem Boden abgelöst. Hier war der Raum offener, man konnte besser vorankommen, doch der grüne Boden erschwerte das Spurenlesen. Der Nebel hatte sich hier etwas gelöst, doch immer wieder wehten Schwaden über ihren Köpfen zwischen Boden und Wipfel hinweg.
Selbst Edorian musste sich hier bemühen die Spuren nicht zu verfehlen und nur Dank der Größe des Tieres waren immer wieder abgetrennte Äste als Beweis der Fährte wahrzunehmen. Jedoch verlangsamte sich ihr Vorankommen und es war schon späterer Nachmittag als sie vor sich eine größere Lichtung erspähten. Die Praiosscheibe war nun schon tiefer gen Efferd gegangen und hier auf der Lichtung kamen gerade die letzten Strahlen über den Wipfeln. Auf der anderen Seite der Lichtung schien sich das Licht zu reflektieren und es glitzerte am Boden – ja ein kleiner See lag dort vor ihnen.
Bevor sie aus dem Wald auf die Lichtung traten warteten sie erst einmal aus sicherer Deckung ab um die Umgebung zu erspähen. Die Spuren des Tieres waren hier auch wieder besser im feuchtnassen Gras zu erkennen und schienen geradewegs in Richtung See zu gehen. „Hier seht“ flüsterte Storko während er den Jagdmeister auf die linke Seite des Gewässers aufmerksam machte. Die Vegetation dort war geprägt von Wasserpflanzen und hohem Schilf, doch davor suchte gerade ein wohl genähter Hase den Boden nach Fressbaren ab, ungestört von den beobachtenden Jägern. Beide zielten ohne weiter Worte zu verlieren mit ihren Fernwaffen auf die vermeintliche Beute.
Das nun folgende wirkte auf die beiden Jäger als habe Satinav die Zeit verlangsamt, in Wirklichkeit dauerte es aber nur wenige Augenblicke. In dem Moment, als Storko und Edorian ihre tödlichen Geschosse auf ihre Reise schickten, sprang ein riesenhafter Wolf aus seiner Deckung hervor und riss den völlig ahnungslosen Hasen. Doch sollte der Wolf nichts mehr von seiner Beute haben, gruben sich doch nahezu zeitgleich die beider Geschosse der beiden Männer tief in das graue Fell des Untiers. Der königliche Jagdmeister und der Wehrheimer Junker schauten sich verdutzt an und konnten nicht wirklich glauben was gerade passiert war. Scheinbar hatte der Wind günstig gestanden, so dass der Wolf seine beiden menschlichen Gegner nicht wittern konnte. Voller Freude über ihr Jagdglück fielen sich sie beiden Adligen in die Arme. Nun hieß es, die Trophäe in Lager zu schaffen.