Geschichten:Angespült - Reise nach Markt Gluckenhang
Burg Trollwacht, Baronie Zackenberg, Rondra 1042 BF
Es waren nun drei Tage vergangen seit dem Bärfried und sein Begleiter in Burg Trollwacht angekommen waren und dort die mehr oder weniger ruhmreiche Aufgabe übertragen bekamen den jungen Baronet von Zackenberg, seine Hochgeboren Orwin von Zackenberg, sicher zu seinem Vater, welcher in Burg Perlenblick weilte, zugeleiten. Bärfried hatte darauf gedrängt so früh wie möglich aufzubrechen. Dem Baronet gefiel das gar nicht und so gerieten Schwertsohn und Baronssohn schon am Anfang der Reise aneinander. Letztlich konnte sich, der fast einen Kopf größere, Bärfried durchsetzen und so hielten die drei Reisegefährten im Stillen eine kurze Andacht wobei jeder im Stillen für den Beistand und eine sichere Reise baten.
Dann ritten die drei los, vorne weg Bärfried in seiner stählernen Rüstung. Dicht gefolgt von Orwin, der sich dazu entschieden hatte normale Reisekleidung anzuziehen, die seiner Meinung nach bequemer und vor allem angemessener war. Das Schlusslicht bildete Bärfrieds Waffenknecht, der die Stange mit dem Wappen der Hardenstatter an der Seite seines Pferds befestigt hatte und nun mit beiden Händen die Zügel hielt. Sie kamen auf der Straße nach Westen zuerst gut voran und bedingt durch die frühe Morgenstunde begegneten sie fast keiner Menschenseele. Die wenigen Leute, die ihnen begegneten, sprangen schnell aus dem Weg und senkten ihre Häupter als die Reitergruppe an ihnen vorbeiritt. Gegen Abend waren sie erst in der Nähe der Drei-Baronie-Ecke Knoppsberg-Zackenberg-Gluckenhang da der Baronsspross immer wieder auf eine Rast bestand, wegen seines geschundenen Hinterteils. Bei diesen vielen - in den Augen von Bärfried und dem Waffenknecht Gero unnötigen - Pausen beschwerte sich der Jüngling lautstark über sein ach so schreckliches Schicksal und die ungerechtfertigte Behandlung die man ihm hier zuteil kommen ließ. Bärfried selbst stand das ein oder andere Mal kurz davor einige Stricke zur Hilfe zu ziehen und Orwin gefesselt auf das Pferd zusetzen. Einzig Geros mahnende Blicke und seine eigene Auffassung dass man so mit einem Hochadligen nicht umgehen sollte hielten ihn davor ab.
Als sich dann der Himmel rotfärbte und vom baldigen Untergang der Sonne kündete trafen sie auf ein kleines Gasthaus am Wegesrand. Das Gasthaus war ein eingeschossiges Gebäude aus Holz, dessen Giebeldach mit Stroh ausgekleidet war und Efeuranken sich an den Außenmauern hochschlängelten. Gero schwang sich geschickt von seinem Pferd, machte es schnell an einem Balken fest und half dann Bärfried vom Pferd. Orwin unterdessen wartete ungeduldig darauf dass Gero ihm ebenfalls vom Pferd helfen würde, er wollte keinen Moment länger auf dem Rücken seines Reittiers sitzen, tat ihm doch wegen dieses unsäglichen Ritts nicht nur das Hinterteil sondern auch sein Rücken weh! Er verfluchte das Reiten, diese Reise und insgeheim seine Mutter, die ihm verboten hatte mit der Kutsche zu fahren. Aber am meisten verfluchte er diesen verdammten Ritter von Hardenstatt. Der Schwertsohn seines Vaters und für die nächsten Tage sein Aufpasser. Wenn man ihn, Orwin von Zackenberg, schon durch die halbe Markgrafschaft schickte könnte man das erstens mit einem angenehmeren Reisemittel und vor allem zu einem späteren Zeitpunkt tun! Als wären sie Praiosdiener, die die ersten Strahlen der Sonne begrüßen wollten hatte dieser Bärfried ihn aus seinem Schönheitsschlaf gerissen, dafür würde er sich an dem Ritter rächen. Bevor Orwin seinen Gedanken weiter nachhängen konnte wurde am Bein gerüttelt, der grimmig dreinblickende Waffenknecht Gero half dem jungen Baronsspross aus dem Sattel und so konnten die drei gemeinsam in das Gasthaus eintreten.
Der Schankraum war heller und voller als man von draußen hätte erwarten können, der mächtige Kamin, welcher an der langen Wandseite stand und die vielen Kerzen spendeten genug Licht um jeden dunklen Schatten aus den Ecken zu vertreiben. Im hinteren Teil des Raums war eine Theke, hinter der ein dicklicher Mann mit Schnauzer und grauem Haar stand und die eintretenden Gäste mit einem Lächeln und "Travia zum Gruße!" begrüßte, wobei er den Gruß förmlich schreien musste um im Stimmgewirr nicht unterzugehen. Doch kaum hatte der, an ein Walross erinnernde, Wirt seinen Gruß ausgerufen wurde es schlagartig still im Schankraum und die Gäste blickten zu den drei eintretenden Gestalten. Bärfried hob die Hand und erwiderte den Gruß während er durch den Raum zur Theke lief und wie der große stählerne Mann so durch den Raum schritt fing wieder das Gemurmel an, welches alsbald wieder zur normalen Lautstärke zurückfand. "Meine Begleiter und ich wünschen zu speisen, zu trinken und bei euch zu nächtigen, ist dies möglich werter Gastwirt?" Fragte Bärfried, als er an der Theke angelangt war. Der dicke Wirt blickt kurz die kleine Reisegruppe an, nickte dann knapp und sprach mit freundlicher Stimme, "aber natürlich hoher Herr! Setzt Euch, ich lass Euch etwas zu trinken schicken und kümmer mich dann um den Eintopf! Und zum Nächtigen hätten wir noch ein Einzelbettzimmer und ein Zweibettzimmer, wenn dies euren Ansprüchen genügt hoher Herr?" Bärfried nickte zufrieden, machte dann auf den Absätzen kehrt und steuerte einen kleinen Tisch im hinteren Teil des Gasthauses an wo er uns seine Gefährten dann auch Platz und ihr Essen zu sich nahmen.
Nachdem die drei aufgegessen hatten blickte sich Bärfried um ehe er zu sprechen begann, "ich schlage vor den Abend nicht mit einem zünftigen Gelage ausklingen zu lassen. Wir haben heute viel zu wenig Weg für viel zu viel Zeit gemacht und werden morgen früher aufbrechen müssen um die verlorene Zeit zumindest ansatzweise zurückzuholen", stellte Bärfried mit einer Mischung aus Grimmigkeit und Enttäuschung fest. Gero nickte nur zustimmend bevor er an seinem Becher nippte. Orwin jedoch blickte den Ritter entgeistert an, "was?! Noch FRÜHER als heute?! Sagt gab euch meine Schwester ein kleines Beutelchen damit Ihr mich unnötig quält?" warf er Bärfried ungläubig vor. Der hatte kurz mit sich zu kämpfen, den Jungen nicht zu einen Duell herauszufordern für eine solche Unterstellung, fasste sich dann aber und sprach ruhig aber bestimmt, "mitnichten Eure Hochgeboren! Aber die andauernden Pausen, auf die Ihr bestandet, haben den Weg im Grunde verdoppelt und ich habe nicht vor bis in alle Ewigkeit auf der Straße nach Perlenblick zu verbringen. Und nun genug der Diskussion, ich begebe mich zu Bette und warne euch jetzt schon einmal vor: Morgen werden wir in aller Früher aufbrechen und wenn das bedeutet dass ich euch in eurem Sattel festbinden muss weil ihr noch im Halbschlaf seid." Mit diesen Worten erhob sich Bärfried, Gero tat es ihm gleich, verbeugte sich knapp vor Orwin und ging zu seinem und Geros Zimmer. Das Einzelzimmer stand seiner Meinung dem Sohn des Baronen zu.
Einige Stunden nachdem Gero und Bärfried zu Bett gegangen waren wurde Bärfried von Schreie geweckt. Sein Körper pumpte sofort verstärkt Blut durch die Adern und im Dunklen griff er nach dem Kurzschwert, welches er neben sich an sein Bett gestellt hatte. "Habt Ihr das gehört?" fragte Gero aus dem Dunklen heraus, scheinbar war auch er aufgeweckt worden. "Der Baronssohn!" Stellte Bärfried entsetzt fest, sprang auf und rannte aus dem Zimmer, dicht gefolgt von Gero, welcher seinen Streitkolben ebenfalls in den Händen hielt. Nur mit ihren Nachthemden bekleidet und einem Kurzschwert beziehungsweise einen Streitkolben haltend stürmten die Beiden in den Schankraum.
Sie hatten wohl mit allem gerechnet. Mit allem außer das was sie in dem Schankraum sahen. Orwin stand aufrecht auf einem der Tische, in der einen Hand einen großen Humpen und in der anderen eine der weiblichen Gäste. Sichtlich betrunken rief er irgendwelchen unverständlichen Quatsch, den Bärfried und Gero wohl fälschlicherweise für Schreie hielten. Um den Tisch herum hatten sich die letzten Gäste versammelt und prosteten dem Baronet von Zackenberg überschwänglich zu. Bärfried blickte verwirrt zur Theke wo der Wirt nur hilflos zurückblickte und auf den jungen Baronssohn deutete. Erleichtert aber auch genervt drückte Bärfried das Kurzschwert Gero in die freie Hand. "Geh wieder ins Bett, ich kümmere mich darum..." und mit diesen Worten verschwand Gero und Bärfried ging zu dem Tisch auf dem Orwin stand.
Die Ansammlung ließ ihn auch unbehelligt durch und so fand sich Bärfried vor den Füßen seines Schutzbefohlenen wieder. Mit lauter und deutlicher Stimme richtete der Ritter das Wort an Orwin, "Eure Hochgeboren! Ich muss darauf bestehen dass Ihr euch nun zu Bette begebt!" Der Baronssohn blickte sich kurz verwirrt um und lies dabei den Humpen fallen. Als er Bärfried bemerkte sprang er vom Tisch, wobei Bärfried ihn auffangen musste da Orwin wohl ansonsten seinen Sturz mit dem Gesicht gebremst hätte. Mit lallender Stimme erhob er seinen Zeigefinger gegen Bärfried. "Ix... Bin euresch... Sch... Scho... Isch p... p... pinn... Iha habt misch zu hör'n! Un... Isch gä ins Bettsche wenn ISCH..." zu mehr kam Orwin nicht, denn schon verpasste Bärfried dem Jungen einen Kinnhaken, warf ihn sich über die Schultern und verlies mit den Worten "und nun ist hier Ruhe! Des Borons heilige Stunde hat geschlagen!" Den Schankraum.
Am nächsten Morgen brach die Gruppe noch vor den ersten Sonnenstrahlen auf. Nicht ohne dass Bärfried dem Wirt eine großzügige Summe für die nächtliche Eskapade Orwins zahlte. Der hielt sich tatsächlich mehr schlecht als recht im Sattel und musste von Gero festgezurrt werden, damit er nicht vom Pferd fiel. An die letzte Nacht erinnerte sich der Baronet von Zackenberg nur Schemenhaft und den Schlag schien er gänzlich vergessen zu haben. Auch wenn er sich über seinen heftig schmerzenden Kiefer beklagte. Bärfried war das aber egal und er sah die immer wieder heraus gebrummten Beschwerden als Zeichen dafür, dass Orwin noch lebte. Und da Orwin eher mit den Auswirkungen seines Alkoholgenusses kämpfte als Pausen einzuklagen kam die Gruppe auch gut voran. Gegen Mittag konnte man dann auch die kleinen Türmchen des Marktes Gluckenhang erkennen.
Nachdem die drei in einem Gasthaus untergekommen und am nächsten Tag im Rondratempel kurz im stillen Gebet versunken waren, wobei Bärfried die göttliche Leuin vielmals um Verzeihung bat für den doch unrühmlichen Kinnhaken gegen den Sohn seines Schwertvaters. Auch wenn er es in dem Moment für die richtige Lösung hielt bereute er den Schlag. Er hatte gefühlt gegen die Hälfte der zwölf-ritterlichen Tugenden verstoßen und diese Schmach wog schwer auf seinen Schultern. Er musste Buße tun, doch wie wusste er noch nicht.
Und so reisten die drei weiter nach Süden. Orwin jammerte über seinen Hintern, den Rücken, den Kiefer und im Grunde - so kam es für Bärfried vor - über seine bloße Existenz, zumindest im Hinblick auf diese Reise. Bärfried jammerte - zumindest im Inneren - über seine schwere Last die er sich durch den Kinnhaken aufgebahrt hatte. Nur Gero, der wortkarge Waffenknecht, schien sich keiner Last bewusst, zuversichtlich blickte er mit seinem wettergegerbten Gesicht auf die beiden Adligen während sie so die Straße zum Markt Bergthann hinab ritten.
Als Bärfried in der Ferne die Burg Thannfest ausmachen konnte erinnerte er sich an seine Frau und wie sie ihn immer bestärkte das Richtige zu machen. Und da entschloss er sich bei der nächsten Rast seinem Schutzbefohlenen die Verfehlung seinerseits zu beichten und ihn um Vergebung zu bitten. Er war bereit Sühne zu tun...
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