Geschichten:Ankunft in Madramund IV
„Mein lieber Hinn, was war das doch für eine denkwürdige Zeit, als wir alle gemeinsam die Perle des Perlenmeers unsicher gemacht haben – für Krone und Kaiserin gegen die Finsternis stritten und so die Bande zwischen zwei Geschwistern – Schlund und Perricum – festigten. Darauf erhebe ich meinen Becher Wein. Vivat Rohaja.“
Ein verträumter Blick zauberte sich auf Astarans Gesicht.
„Doch nun sitzen wir hier, Mutter Garetia blutet und das treusorgende Mündel Perricum eilt ihr zu Hilfe. Es mag uns zwar der Markgraf geschickt haben, den Weg zu ebnen, doch ist er auch Kaiseringemahl und in dieser Eigenschaft hat er uns entsandt. Denn, keine Perricumer Truppen werden den Boden Mutter Garetias betreten, sie werden zu kaiserlichen Truppen unter dem Befehl der kaiserlichen Marschallin Veriya von Gareth, sobald sie die perricumer-schlunder Grenze übertreten haben.
Es ist, das kann ich wohl sagen, unser aller Bestreben, die göttergegebene Ordnung wieder herzustellen. Hier sind wir uns alle einig. Auch soll es unsere Streben sein, unnötiges Blutvergießen zu verhindern, denn zu viele haben aufgrund dieser törichten Fehde schon ihr Leben gelassen. Zuallererst ist es die Aufgabe eines jeden, seine ihm von den Göttern auferlegten Pflichten zu erfüllen. So ist es die Pflicht der von euch genannten Barone, ihre Lande zu befrieden. Sollten sie dazu nicht in der Lage sein, so ist es die Aufgabe Eures Grafen, sie zu befähigen, das zu tun, denn Euer Graf hat eben jene Barone - während die Fehde tobte - für fähig empfunden, diese Baronien zu führen. So sieht es die Lehenspflicht vor. Da stimmt Ihr mir sicherlich zu, werter Freund. Diese Pflicht beinhaltet auch, dass Euer Graf den Truppen seiner Königin und Kaiserin genügend Versorgungsgüter zur Verfügung stellt. Somit kann ich Euch die Angst vor marodierenden oder gar plündernden Truppen nehmen, verehrter Hinn. Denn, so die königlichen & kaiserlichen Truppen gut versorgt sind, müssen diese nicht beim Volk requirieren. Diese Logik ist bestechend, findet Ihr nicht auch?
Was den Kronvogt der Mardershöh betrifft, so können wir nicht für ihn sprechen. Seine von der Königin verliehenen Aufgabe ist einzig und allein der Schutz der königlichen Domäne. Als königlicher Vogt ist er der Königin direkt verpflichtet und angehalten sich aus den Angelegenheiten Eures Grafen herauszuhalten. Ich nehme an, Eurer Graf würde das ebenso so sehen.
Madramund, ja hier habt Ihr wahrlich Großes vollbracht, werter Freund. Ein Winterlager hier im großen Stile wird nicht von Nöten sein. Auch in diesem Punkt kann ich Euch Eure Sorge nehmen. Das Gros der Truppen wird zu den kaiserlichen Festungen Oberkreuth und Darpatwacht weiterziehen und von dort aus operieren. Madramund wird den kaiserlichen Truppen als Brückenkopf dienen. Ich denke, es wäre wohl sinnhaft, diesen possierlichen Marktflecken unter kaiserliche Verwaltung zu stellen – zumindest temporär, solange die kaiserlichen Truppen im Einsatz sind. Das Haus Ochs ist bis in den Ochsenschwanz Kaiserintreu, die würden dem mit Freude zustimmen. Ich werde noch heute mit dem allseits geschätzten markgräflichen Knappen Arion zu dem Zauberer von Ox aufbrechen und die Details darüber verhandeln. Ich sehe für dieses verschlafene Nest eine goldene Zukunft voraus. Der Ausbau des Hafens war ein meisterhafter Zug von Euch. Das Haus Ochs wird es Euch danken – und Euer Graf erst, verbessert der Hafen doch den Handel zwischen unseren beiden Grafschaften.
Ach, wo ich gerade das Thema Handel anspreche, Phex sei mit uns. Euer Vorschlag ist ganz wundervoll, warum nicht Schlunder Bier für den Perricumer Hof und im Gegenzug Perricumer Wein für den Schlunder Hof? Na? Wir sind doch allseits an einer Vertiefung der Handelsbeziehungen zwischen unseren Grafschaften interessiert. Ich lade Euch nach dem Winter an den Perricumer Hof ein, dann können wir dort zu einem Handelsabschluss kommen. Der Markgraf und Kaiseringemahl wird dann höchst erfreut sein, von Euch davon zu hören, wie vorbildlich die Schlunder ihrer Lehenspflicht gegenüber ihrer Königin und Kaiserin nachgekommen sind. Ach, der Perricumer Heermeister wird dann sicherlich ein offenes Ohr für Eure Schlunder Kurbeln haben, da bin ich mir sicher.
Oh, fast hätte ich es vergessen. Niemand hat die Absicht, eine Brücke über die Natter zu errichten. Wo kämen wir denn da hin. Nach Hartsteen? Aber bitte, wer will denn dorthin? Wir werden das nicht forcieren.“
Der Oberst kam nicht umhin, die seidenweichen Worte Astarans mit einem gleichermaßen anerkennenden wie zustimmenden Nicken zu quittieren. Reden konnte der Mann, keine Frage und zweifelsohne diplomatischer, als er selbst es in dieser Situation gekonnt hätte.
“Nun, das wäre dann, wie gerade vom Herrn von Pfiffenstock sehr gut auf den Punkt gebracht, unsere Sicht der Dinge”, ergänzte Siegerain mit Blick auf Praiosmar und schaute diesen mit einer Mischung aus Neugier und Erwartung fest in die Augen.
Salix fuhr sich mit der Linken über die Stirn und blickte dann ebenfalls zu Praiosmar. “Eben wegen unserer gemeinsamen Vergangenheit und Erlebnisse möchte ich, ganz persönlich, noch etwas hinzufügen”, er räusperte sich kurz. “Ihr, verehrter Praiosmar, erhaltet hier die Möglichkeit, Euch sowohl vor eurem Grafen als auch vor dem Kaiseringemahl zu profilieren, wenn dafür gesorgt wird, dass im Schlund alles reibungslos vonstattengeht”. Salix nickte dem Landvogt von Ingerimmsschlund zuversichtlich zu.
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