Geschichten:Auf Jahr und Tag – Angebot
Burg Scharfenstein, Firun 1044 BF
„Ihr werdet nach Hirschfurt reisen“, eröffnete mir Yolande von Raukenfels einige Tage später. Sie überreichten mir einen gesiegelten Brief und erklärte: „Dies wird Euch als Baron Dregos Gesandte ausweisen.“
Ich nahm ihn an mich, betrachtete das Siegel einen Moment aufmerksam und steckte ihn in mein Vademecum: „Und was werde ich dort, in Hirschfurt, tun?“
„Im Auftrag des Barons mit dem Seneschall, als direkter Vertreter der Gräfin, verhandeln“, erwiderte sie mir prompt, „Allerdings nun... nicht offiziell versteht sich.“ Sie hielt einen Moment inne, ehe sie sich auf einen der Stühle an dem runden Tisch setzte und mich auffordernd anschaut. „Gewiss versteht Ihr doch die Notwendigkeit diese ganze Angelegenheit erst einmal... hm... vertraulich zu behandeln?“
„Sicher“, erwiderte ich ihr und setzte mich ihr gegenüber.
„Gut“, meinte sie da und fügte hinzu: „Denn sonst hätte auch der Baron selbst gehen können. So lange wir kein endgültiges Ergebnis haben, darf nichts von diesem ganzen Vorhaben nach außen dringen. Aus diesem Grund werdet Ihr auch einen anderen Grund nennen, der Euch nach Hirschfurt führt.“
„Hm“, machte ich da, „Und welcher Grund wäre das?“
„Ein Besuch oder viel mehr Aufenthalt im Peraine-Kloster Sankt Grelmond“, einen Moment betrachtete sie mich nachdenklich, „Ich denke, dass niemand an dieser Erklärung zweifeln wird, wobei... Es liegt natürlich auch an Euch keinen Zweifel daran zu lassen. Schlüssig erscheint es jedoch: Das Kloster bietet nicht nur die Ruhe, die Ihr nach der ganzen letzten Zeit gewiss suchen könntet, sondern es ist eben auch eines Eurer Herrin, eines in dem Ihr nicht schon seit Eurer Geburt bekannt seid.“
„Ich nehme an, dass ich alleine gehen werde?“
„So ist es. Eine Begleitung wäre zu auffällig. Zudem – und das wisst Ihr gewiss besser als ich – sind Adelige im Kloster Sankt Grelmond unerwünscht“, gab sie zu bedenken, „Ihr werdet das gewiss auch alleine schaffen.“
Ihre Worte entlockten mir ein Schmunzeln: „Sagt, da Ihr nicht beim Seneschall vorstellig geworden sein könnt, weil auch Ihr zu bekannt seid, wie seid Ihr dann an dieses Treffen gekommen?“
„Ich stehe schon geraume Zeit mit einer Waldsteinerin in Kontakt“, erwiderte sie mir, „Sie hat dieses Treffen vereinbart.“
„Und sie ist... hm... vertrauenswürdig?“
„So vertrauenswürdig wie eine Geweihte des Listigen wohl sein kann“, meinte die Ritterin da und musste ihrerseits schmunzeln, „Lasst es mich so ausdrücken: Sie ist vertrauenswürdig genug.“
„Dann soll es so sei“, schloss ich, „Ich werde mein bestes geben, obgleich ich nicht einschätzen kann wie gut ich mich in einer Verhandlung mit einem Seneschall schlagen werde.“
„Verhandeln müsst Ihr nicht“, winkte die Raukenfelserin ab, „Ihr müsst ihm lediglich eine Botschaft überbringen. Ein Angebot.“
„Eines das er nicht ausschlagen können wird?“
„Das...“, ein Lächeln legte sich über ihre Lippen, „... werden wir sehen.“
„Und welches Angebot ist so brisant, dass Ihr es nicht niederschreiben wollt?“
„Eines, das alles ändert“, erwiderte die mir geheimnisvoll, „Also, Schwester Lindegard, hört mir nun gut zu...“