Geschichten:Auf Jahr und Tag – Entscheidung
Burg Scharfenstein, 17. Hesinde 1044 BF
„Ich habe befürchtet, dass Ihr das sagt“, murrte Drego von Altjachtern, „Und was soll ich Eurer Meinung nach tun?“
„Eine Entscheidung fällen, denn Ihr könnt Eure Familie nicht schützen, wenn Ihr ständig versucht es dem Grafen recht zu machen. Was ist Euch also wichtiger? Der Graf oder Eure Familie?“
„Meine Familie“, erwiderte er prompt, „Sie ist mir wichtig. Wichtiger als...“ Er brach ab. „Ailsa gibt mir Halt. Sie ist...“ Erneut hielt er inne. „Ich liebe sie sehr. Ich will sie nicht verlieren. Ich habe das für sie und unsere Kinder getan. Ich...“ Er schluckte. „Ich habe der Alka in die Augen geschaut, als sie starb und es.. es verfolgt mich. Ich.. ich weiß nicht, ob es richtig war, aber.. aber was hätte ich denn tun sollen?“ Nun zuckte er hilflos mit den Schultern und blickte Elerea ni Rían an: „Glaubt Ihr, es war richtig?“
„Hermine von Alka hätte nicht darauf eingehen müssen“, erwiderte sie mit fester Stimme, „Es war ihre freie Entscheidung sich darauf einzulassen. Ja, vermutlich hat sie gedacht, dass ihr ein einfacher Gegner seid, aber nun... die Sturmherrin hat sie für ihre Hybris bestraft, so wie es eben ihre Art ist. Die Herrin Peraine...“ Sie schenkte mir einen vielsagenden Blick. „... oder eine ihrer anderen göttlichen Geschwister hätte das gewiss anders getan, aber... ein Duell auf‘s Dritte Blut endet nun mal mit dem Tod eines der Kombattanten. Also kann ich Euch auf die Frage, ob es richtig war oder nicht ganz klar sagen: Ja, es war richtig.“
„Ich bin mir nicht sicher, was Eure Herrin uns damit sagen wollte. Auf welcher Seite steht sie denn jetzt?“, warf der Baron die Frage auf, „Auf der der Reichsforster oder auf der der Waldsteiner?“
„Sie steht auf Eurer Seite“, erwiderte die Geweihte, „Meine Herrin war doch diesbezüglich recht eindeutig oder der Schiedsspruch war es in diesem Punkt vielmehr: Sie steht weder auf der Seite des Hauses Luring, noch auf der Seite des Hauses Hartsteen. Somit steht sie auch nicht auf der Seite der Reichsforster. Weiter hat sie im Duell zwischen Euch und Hermine von Alka nicht nur deutlich genug gezeigt, dass sie das Verhalten der Waldsteiner nicht gut heißt, sondern auch dass sie nicht auf ihrer Seite steht. Warum sonst hättet Ihr gewinnen sollen? Ihr wart offensichtlich – und Ihr wisst das ich die Wahrheit sprechen – der Alka einfach nicht gewachsen.“
„Und was für einen Rat habt Ihr oder viel mehr hat Eure Herrin jetzt für mich?“
„Tut einfach das richtige“, erwiderte sie schlicht, „Tut, was getan werden muss. Meine Herrin steht auf Eurer Seite.“ Mit festem Blick schaute sie den Baron an. „Und hört auf das zu tun, was Ihr glaubt was Graf Drego von Euch erwartet. Zum einen wisst Ihr nicht, was er von Euch erwartet, zum anderen gibt es Verpflichtung zwischen Lehensherrn und Vasall denen auch er nachzukommen hat.“
„Was er nicht tut“, schloss Albur von Nordingen, „Und da er seinen Verpflichtungen Dir gegenüber nicht nachkommt gibt es für Dich keinen Grund Deinen nachzukommen. Ja, Du magst Dich ihm verpflichtet fühlen und Deine Ehre gebietet es Dir gewiss auch, aber – wie Schwester Lindegard es bereits sagte – musst Du Dich eben entscheiden: Entweder für den Grafen, wobei Du alles verlieren wirst, wirklich alles, oder aber Du entscheidest Dich dazu mit den Waldsteinern zu verhandeln...“
„Ihr solltet aber nicht selber gehen“, mischte sich Yolande von Raukenfels ein, „Ihr solltet jemanden schicken dem Ihr nicht nur bedingungslos vertraut, sondern der auch unauffällig genug ist. Jemanden, den niemand kennt und dessen Namen niemandem etwas sagt. Jemanden wie...“ Sie wandte ihren Blick zu mir. „... Schwester Lindegard.“