Geschichten:Auf Jahr und Tag – Folgen
Burg Scharfenstein, 20. Rondra 1044 BF
„Ich fürchte, dass mehrere Rippen gebrochene sind“, meinte ich etwas erschöpft als ich mir den Baron am Tag nach seinem Sieg genauer ansah. Ich war müde und fühlte mich nicht sonderlich wohl, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. „Auch wenn die Klinge Eurer Gegnerin es nicht durch Euer Kettenhemd geschafft hat, so kann so ein Stich dennoch Rippen brechen.“ Ich hielt einen Moment inne und betastete mit zunehmenden Unwohlsein anschließend eine der Rippen etwas genauer. „Ja“, schloss ich, „die ist eindeutig gebrochen.“ Drego von Altjachtern stöhnte schmerzerfüllt auf. „Habt Ihr Schmerzen?“
„Ja“, erwiderte er mir lediglich kurz und knapp.
„Dagegen werde ich Euch etwas geben“, schloss ich schwerfällig, „Ansonsten hilft nur viel Ruhe, Hochgeboren, viel Ruhe.“
„Schwester Lindegard“, hob er protestierend an, „Da draußen tobt noch immer die Fehde...“
„Mag sein“, fiel ich ihm da ins Wort und fühlte wie mir langsam schlecht wurde, „Aber die Waldsteiner stellen auf Jahr und Tag – jetzt noch auf ein Jahr – keine Bedrohung mehr für Schwarztannen dar...“
„Aber für Gräflich Luring!“, erwiderte er mir da energisch, „Die Waldsteiner sind nach Gräflich Luring gezogen!“
Ich zuckte mit den Schultern und fühlte mich zunehmend unwohler: „Das ist nicht mehr Euer Problem, sondern das des Grafen. Soll er sich doch darum kümmern, wie er die Waldsteiner aus seinen Landen vertreibt, er hat sich doch auch nicht darum geschert wie Ihr sie aus Schwarztannen herausbekommt, oder irre ich mich da etwa?“
Baron Drego blickte mich mit großen Augen an, sagte aber nichts. Mir war das Antwort genug. Er wusste, dass ich recht hatte.
„Ich weiß, dass Ihr viel von Eurem Freund, dem Grafen, haltet, vor allem da er Euch den Baronsreif aufgesetzt hat, dennoch hat er Euch im Kampf gegen die Waldsteiner nie unterstützt. So wie ich Frau von Raukenfels verstanden habe, habt Ihr ihn mehrfach und eindringlich um Unterstützung gebeten, regelrecht gefleht, aber nie welche erhalten, mehr noch, so hat er Euch nicht einmal geantwortet. Bei all den Verpflichtungen, die Ihr ihm gegenüber habt, so hat er Euch gegenüber auch welche...“
Wieder schwieg er. Wieder wusste er, dass ich die Wahrheit sprach.
„Gönnt Euch viel Ruhe, dann ist Eure Verletzung in einem Mond sehr wahrscheinlich verheilt“, schloss ich und deutete dem Knappen, seinen Schwertvater wieder anzukleiden, „Schont Ihr Euch nicht, wird es dementsprechend länger dauern...“
„Ihr seid doch eine Dienerin der Herrin Peraine. Könnte Ihr nicht...?“
„Ja, ich könnte“, ich seufzte schwer, „Doch ich werde nicht. Ich werde die Kraft meine Herrin nicht verschwenden und verschwendet wäre sie in diesem Fall, weil diese Verletzung auch so heilen wird, ganz ohne Zutun der Götter. Es bedarf Zeit und Ruhe, aber das ist auch schon alles.“ Dann wandte ich mich ab, wusch mir die Hände und trocknete sie ab. Ohnehin bezweifelte ich, dass ich in diesem Zustand ihre Kraft hätte nutzen können. „Wenn Ihr schnelle Hilfe wollte, dann fürchte ich müsste ihr einen Magier an euren Hof holen...“
Der Ritter sog hörbar die Luft ein.
„Ich kann auch nach Schwarztannen in den Tempel zurückkehren“, schlug ich nun vor und ließ mich auf einen Stuhl fallen, „Ihr habt mich an Euren Hof gebeten und ich bin gefolgt. Wenn Ihr mich hier nicht wollt, weil ich Euch nicht von Nutzen sein kann, dann könnt Ihr mich jederzeit wieder in den Tempel schicken...“
„Nein“, der Baron schüttelte nachdenklich den Kopf, „Das wird nicht nötig sein. Wenn Ihr sagt, dass es heilen wird und weitere Hilfe nicht nötig sein wird, dann werdet Ihr gewiss die Wahrheit sprechen. Ich vertraue Euch. Ich habe Euch nicht nur an meinen Hof geholt, weil Ihr eine Dienerin der Herrin Peraine seid und weil ich mir wünsche, dass Ihr bei der Geburt meines Kindes zugegen seid, sondern auch weil ihr jung und unverdorben seid. Wer wäre eine bessere und treuere Ratgeberin als eine, die mit alledem bisher nicht in Berührung gekommen ist?“
Ich blickte ihn etwas verwundert an.
„Das habt Ihr mir wohl nicht zugetraut“, schloss er sogar etwas stolz, aber aus seinen Worten hatte ich ganz deutlich die von Yolande von Raukenfels herausgehört, „Ihr werdet jedoch nicht alleine sein. Ich habe Euer Gnaden Rían gebeten Euch zu unterstützen. Die hat zwar nicht zugesagt, das Amt auch offiziell auszuüben, aber sehr wohl so oft es ihr Dienst im Tempel erlaubt Euch – und damit auch mir – beizustehen.“
„Das ist gut“, entgegnete ich ihm nickend, „Denn... Ich will ehrlich zu Euch sein, ich bin mir nicht sicher, ob dass hier das richtige für mich ist. Ich bin mein ganzes Leben im Tempel aufgewachsen und so ein Leben bei... Hofe... bin ich nicht gewohnt. Es kann sein, dass ich mich nie daran gewöhnen kann...“
„Sobald mein Kind geboren wurde, könnte Ihr wieder in Euren Tempel zurückkehren, wenn Ihr dies wünscht, bis dahin möchte ich Euch jedoch darum bitten zu bleiben.“ Und im Gehen fügte er hinzu: „Ihr scheint nun auch erst einmal ein bisschen Ruhe zu benötigen. Die Feierlichkeiten gestern haben Euch wohl recht zugesetzt...“
Ich nickte schwerfällig.