Geschichten:Auf Jahr und Tag – Zwillinge
Burg Scharfenstein, 16. Hesinde 1044 BF
„Er sieht Euch wirklich sehr ähnlich!“, versicherte ich dem stolzen Vater, der mit seinem Sohn im Arm auf der Bettkante saß.
„Meint Ihr...“, er schaute mich mit Freudenträne in den Augen an, „... meint Ihr wirklich, Schwester Lindegard?“
Ich bestätigte lächelnd und nickte: „Ja, ganz der Vater.“
Verzückt blickte er auf den gerade eben erst geborenen Knaben in seinen Armen herab: „Er soll Drego heißen. So wie ich.“
„Und wie Euer Freund, der Graf“, fügte ich nickend hinzu, „Ein guter und sehr passender Name. Gewiss wird der Graf sich geehrt fühlen.“
Baron Drego nickte versonnen: „Gewiss wird er das. Sein zweiter Name wird Danos lauten. Nach Danos, dem Ritterlichen.“
Wieder nickte ich.
„Als dritten Namen wird er einen Albernischen tragen. Das hat sich Orknäschen gewünscht und... Orknäschen?“, er wandte sich zu seiner Gattin um und fand sie schlafend vor. Neben ihr lag das Zweitgeborene, ein Mädchen, und schlummerte friedlich in den Armen ihrer Mutter. Zärtlich strich Baron Drego das noch feuchte Haar aus der Stirn seiner Liebsten.
„Lasst sie schlafen, Euer Hochgeboren“, riet ich dem frischgebackenen Vater, „Für den dritten Namen Eures Sohnes ist auch später noch Zeit.“
Er nickte, dabei fiel sein Blick auf das Mädchen und er erklärte: „Sie sieht aus wie ihre Mutter.“ Er seufzte. „Und sie ist genauso hübsch. So hübsch wie Orknäschen.“ Erneut nickte er. „Sie wird den Namen von Lechmin von Luring tragen. Und den von Hermine von Alka.“
„Wahrlich große Namen habt Ihr da für Eure Kinder gewählt“, schloss ich.
„Ja“, bestätigte der Baron nickend, „Sie sind etwas besonderes, Schwester Lindegard. Vermutlich werden das viele über ihre Kinder sagen, aber... aber ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass die Götter auch mir dieses Glück zuteil werden lassen. Und nun?“ Er wandte seinen Blick mir zu. „Nun habe ich eine Frau, die ich aus tiefsten Herzen liebe und zwei gesunde und wunderschöne Kinder. Was kann ich mehr wollen?“
Ja, was konnte er mehr wollen? Mehr als eine Frau, die er liebte, und zwei gesunde Kinder? Mehr als ein Jahr und einen Tag Schutz vor den Walsteinern? Friede, ja gewiss wollte er das, einen dauerhaften Frieden und das wusste er genausogut wie ich. Doch ich schwieg, dieses Moment des Glücks wollte ich ihm einfach nicht zerstören.