Geschichten:Auf Reshminas Spuren - Teil 2
Eine Frau, dreißig Götterläufe mochte sie wohl schon kommen und gehen gesehen haben, ritt knapp hinter Aldron von Firunslicht und seiner Gattin Leodane auf der Küstenstraße von Arvepass gen Dergelmund. Es handelte sich um seine Hauptfrau, die in den vergangenen Scharmützeln zwar einiges gelernt hatte, aber wohl auch einiges einstecken musste. Über ihr vormals ansehnliches Gesicht zog sich nun über die rechte Wange eine rote Narbe, die ihr fast bis zum Mundwinkel reichte.
Malina von Niederriet schien sich ausnahmsweise in vergnügter Stimmung zu befinden. Die aufkommenden Winde landeinwärts hatten ihre sonst sorgsam gepflegte und streng gescheitelte Frisur ordentlich durcheinander gepustet. Zum Erstaunen ihrer Leute schien sie das nicht im Mindesten zu stören und das kühle Eisblau schien heute irgendwie warm zu leuchten.
Gierig sog sie die würzige Meeresluft ein und ließ vom Pferderücken aus ihren Blick mal ins hügelige Landesinnere, mal hinaus auf die wogende See, schweifen. Verführerisch glitzernd lag der strahlend blaue Golf von Perricum zu ihren Füßen und die fernen Ausläufer der Stadt konnte man bereits mit bloßem Auge erahnen. Die gute Stimmung der Reiterin blieb indes nicht unbemerkt. Ihre Stute hatte die Gunst der Stunde erkannt und versuchte mehr als einmal aus dem geordneten Verband auszubrechen um übermütig in die Hügel zu preschen. Zu gern hätte sie ihr nachgegeben, doch dazu war keine Zeit.
Die Praiosscheibe zwang die Reiter hier an der Küstenstraße ein ums andere Mal die Augen fest zusammenzukneifen oder das Gesicht mit der Hand zu beschirmen. Es tat scheinbar allen gut aus dem Schatten der Trollzacken und der dräuenden Feinde der Warunkei heraus zu kommen. Nicht zuletzt Frau Leodane schien der Ankunft entgegenzufiebern. Ganz im Gegensatz zu seinen Begleitern war der Kommandeur sehr schweigsam und in sich gekehrt. Hörte man allenthalben feixende Kommentare in seinem Gefolge, hatte er selbst doch keinen Sinn für die Belanglosigkeiten eines schönen Tages. Nicht, dass seine Hauptfrau es als ihre Pflicht ansah ihn zu unterhalten, das war nun wahrlich nicht ihre Aufgabe. Ihre eigene Neugier trieb sie dazu an das Gespräch mit ihm zu suchen. Sie hatte gehofft auf ihrer Reise nach Perricum aus seinem Munde selbst, genaueres über den Anlass seines Besuches in Perricum zu erfahren. Doch er war ihr ausgewichen und hatte sogar unwirsch weitere Fragen dazu untersagt.
Seine Schroffheit hatte Leodane zuerst ein schmales Schmunzeln und dann einen tadelnden Blick gen ihres Gatten abgerungen, bevor sie sich entschuldigend an Malina gewandt hatte und erklärte, seiner Hochgeboren stünden schwierige Verhandlungen an. Tatsächlich kam es aber Malina aber so vor, als wenn auch Leodane ihrer Frage ausgewichen war. Sie hatte es nur diplomatischer verhüllt als ihr Angetrauter. Aber wie man munkelte, war ihr der alte Wisshardt ja auch ein guter Lehrer gewesen. Am ersten Abend hielten sich die beiden eher fern und schienen irgendetwas zu besprechen. Zwar gesellten sich beide Firunslichter danach zu den anderen, aber dieses Gebaren war auch ihren Begleitern nicht entgangen, sodass die ohnehin schon kursierenden Gerüchte neue Nahrung erhielten. Der junge Herr Jarin sah sich immer wieder bedrängt, doch zu erzählen, was sein Knappschaftsvater denn im Schilde führe, aber auch er wusste nicht mehr zu erzählen.
Zunächst hatten sie gemutmaßt er würde befördert werden, doch da seine er immer verschlossener wurde, je weiter man sich dem Darpat näherte, wurde diese Möglichkeit bald ausgeschlossen. Andere meinten, dass er nur persönlich Bericht ablegen müsste, wie die Lage derzeit am Arvepass sei. Doch auch das hielt sie für ausgeschlossen, wusste sie doch, dass er dieser Pflicht regelmäßig schriftlich nachkam und er eigentlich auch von dieser Seite nichts zu befürchten hätte. Vielleicht wollte man beratschlagen, wie mit dem befreiten Jagdgut zu verfahren sei? Wenn man es so nah der Grenze unbefestigt ließe bedeutete das weitere abtrünnige Magae einen sicheren Unterschlupf für ihr gotteslästerliches Tun zu bieten. Oder wollte er sich etwa nach einem weiteren Weibel oder gar Hauptmann umsehen. Immerhin war ein Posten vakant. Waren die Mittel, die ihnen zur Verfügung standen zu knapp und er musste um Geld bitten? Oder plante er gar schon wieder einen Feldzug, diesmal vielleicht gar bis Warunk? Das alles waren Möglichkeiten, die schon weit wahrscheinlicher waren. Allerdings passte nicht so recht dazu, dass Leodane mitreiste, denn die Frau des Firunslicht stand nicht im Ruf, sich in seine Geschäfte einzumischen. Denn das sie nur mitreiste, um von der Burg wegzukommen, glaubte ob der Geheimniskrämerei niemand, so wenig sie auch auf Angareth passte.
Malina würde es sicher als Erste erfahren, was hinter dieser Reise steckte, und diesen Triumph dann weidlich auskosten. Einige hatten sogar schon gewettet. Still lächelte sie beim Gedanken daran, und schaute der Stadt weiter entgegen. Nicht nur Leodane fieberte Perricum entgegen. Auch Malina freute sich nach der Reise auf ein Bett und ein lecker zubereitetes Mahl. Die Kost auf der Arveburg war ausreichend aber wenn sie daran dachte einmal wieder einen würzigen Seefisch zu essen, oder süße Naschereien, die nur wenige Bäcker feilbieten konnten, lief ihr das Wasser schon im Munde zusammen. Ob sie wohl überhaupt Zeit erhalten würden Freunde zu treffen? Mit einem ergebenen Seitenblick auf Hochgeboren Aldron seufzte sie innerlich kurz auf, und ermahnte sich selbst erneut. Es hieß geduldig zu sein, und abzuwarten was man von ihnen erwarten würde! In diesem Zustand war es nicht ratsam den Kommandanten mit solcherlei Banalitäten zu belästigen. Das würde warten müssen, bis er das, was er sich vorgenommen hatte, erledigt hatte.