Geschichten:Auf gute Nachbarschaft
Als Aldron von Firunslicht der jungen Baroness Lyn ni Niamad von Brendiltal vorgestellt wurde begrüßte sie ihn der Etikette entsprechend, doch verweilte ihr Blick einen Moment länger auf ihm, so als suchte sie etwas in seinen Gesichtszügen. Doch war dieser Blick nicht von langer Dauer und sicher nur von einem aufmerksamen Beobachter unbemerkt geblieben. Wenig später, die Anwesenden hatten sich zu kleineren Grüppchen zusammengefunden und unterhielten sich lebhaft, fand sich die junge Frau unvermittelt in der Gegenwart des Mannes wieder.
Der Veteran stand mit seiner Gattin etwas abseits des Treibens. Seine Augen wanderten bei genauem Hinsehen unruhig und wachsam durch die feiernde Menge, während Leodane weit geselliger mit den anderen Gästen ins Plaudern kam. So auch mit Lyn, als diese an beide herantrat, nachdem sie einige wenige Augenblicke allein waren. "Ah, Baroness... ich muss euch noch meinen Glückwunsch nachträglich ausdrücken zu eurem Götterbund mit Herrn Raul. Wie habt ihr euch eingewöhnt inzwischen... einen Kontinent entfernt von der Heimat?"
„Habt Dank" entgegnete Lyn mit einem aufrichtigen Lächeln. "Ich bin noch dabei, mich einzuleben, doch bin ich sehr froh, endlich hier zu sein."
"Oh, tatsächlich? Nun, auf jeden Fall willkommen." Leodane hob knapp ihren Becher und warf dabei einen Blick zwischen Aldron und Lyn hin und her. "Ihr kennt euch? Ich hoffe, ihr seid keine von jenen eurer Landsleute, die meinem Gatten grollen..." Dieser räusperte sich knapp aber vernehmlich, was jedoch auf das Lächeln seiner Angetrauten keinen Einfluss fand.
Lyn lächelte Leondane an und entgegnete freundlich "Wenn ich jedem Grollen würde, der in den vergangenen Jahren meinem Volk gegenüber ... nun sagen wir... nicht freundlich gegenüber auftrat, würde es mir sehr schwer fallen mich hier einzuleben. Doch versuche ich so gut es geht die Vergangenheit ruhen zu lassen, auch wenn es mir nicht immer leicht fällt." Die Worte Lyns waren aufrichtig und ehrlich und kein Groll lag in ihrer Stimme. "Euren Gatten habe ich erst hier kennen gelernt... "ihr Blick wanderte zu Aldron "doch kannte ich einen Verwandten von Euch, falls ihr mit Wyndor von Firunslicht verwandt ward." Ein fragender Blick lag in ihren Augen als sie Aldron ansah.
"Er war einer meiner entfernteren Vettern.", gab Aldron nun von sich. "Wir hatten keinen zu innigen Kontakt." - "Das stimmt, Wyndors Bruder hatte mit meinem Schwager mehr zu tun als mein Gemahl mit Wyndor. Aber, wenn ich mir das erlauben darf: Ich glaube, ihr liegt falsch mit der Behauptung, jemand hier habe einen Groll gegen die Albernier." Aldron nickte zu den Worten seiner Frau. "Eure Landsleute haben sich wacker geschlagen. Ich habe gerne mit ihnen Seit an Seit gekämpft am Pass."
"Oh nein, ich wollte keinem der Anwesenden unterstellen, dass er einen noch immer Groll gegen meine Landleute hegt. Doch weiß ich auch, dass ich in diesen Landen sicher auf den ein oder anderen stoßen werde, der dies noch immer tut. " Sie wandte sich an Aldron direkt "Ja, auch ich habe gehört, dass sich meine Landsleute, die auf dem Pass kämpften, dort wacker schlugen. Doch weiß ich auch, dass nicht jeder Verständnis hatte für jene, die dem Ruf ihres Herzens folgten."
"Disziplin ist das Rückgrat jeder Form und jeder Ebene des organisierten Kampfes. Ich kann die Beweggründe zwar verstehen, aber die daraus folgenden Handlungen waren nicht akzeptabel." Aldron schüttelte den Kopf. "Wenn sich Soldaten nicht nach ihren Weisungen richten, ist der Krieg schon verloren." Leodane seufzte leise und sah kurz in ihren Becher. "Ich denke, ich überlasse meinem Gatten hier das Feld. Verzeiht, Lyn, aber diese Diskussion ist für mich nicht neu..."
Lyn nickte ihr verständnisvoll zu und seufzte innerlich. Diese Diskussion war auch für sie nicht neu und sie hatte sie auch nicht gewollt. Doch war nicht sie es gewesen, die von Groll gegen ihre Landleute gesprochen hatte. Leise aber bestimmt entgegnete sie Aldron "Ich wünsche Euch von ganzen Herzen, dass ihr nie in eine Situation geratet, in der ihr Euch zwischen Eurem Befehl und Eurem Herzen entscheiden müsst. Denn glaubt mir, egal wie ihr Euch entscheidet, ihr werdet die Entscheidung im Nachhinein immer bereuen." Schmerz lag in den Augen Lyns als wüsste sie genau, wovon sie redete.
"Oh, Herr Aldron ist sehr beherrscht. Auch sein Herz hat einen geordneten Platz... ich ziehe mich einen Augenblick zurück." Leodane schenkte ihrem Gatten ein dosiertes Lächeln, dann nickte sie Lyn noch einmal kurz zu und strebte davon.
Aldron schwieg einen Augenblick, nachdem seine Gattin verschwunden war. Auf seiner Stirn hatte sich derweil die Falte weiter vertieft. "Ich danke für die Wünsche. Auch ich hege diese jedem Soldaten gegenüber - und seid gewiss, ich hätte in jenen Tagen im Vorfeld andere Truppen an den Arvepass geordert als Wehrheim es getan hat. In der Vergangenheit sind viele Fehler gemacht worden und haben viel Leid verursacht. Am Ende können wir nicht ermessen, was geschehen wäre, wenn die Abilachter am Pass geblieben wären und Mühlingen seine Lanzen nach Albernia statt gegen Albernia hätte führen können. Das Ergebnis in jedem Fall ist Bitternis bei denen, die noch lebend auf die Toten von damals sehen, einerlei ob am Darpat, in Garetien oder in Albernia. Oder auch Weiden... die letzten Jahre nach Hal waren eine schwere Prüfung für alle." Mit einem unbewegten Gesicht nahm er einen Schluck aus seinem Becher, nickte Lyn dann aber zu. "Lasst uns hoffen, dass die Zeiten besser werden."
Lyn erhob ihren Becher leicht und nickte Aldron zu "Lasst uns darauf trinken und in die Zukunft schauen."
Aldron erwiderte die Geste, trank einen sehr tiefen Zug darauf und räusperte sich nochmals. "Ihr habt Wyndor gekannt?"
"Ja, ich kannte ihn. Er war ein bemerkenswerter Mann." Ein wehmütiger Ausdruck der Trauer lag in ihren Zügen als sie Aldron ansah.
Aldron musterte sie kurz, nickte dann. "Ich hatte wenig Kontakt zu ihm, er diente ja bei den Kaiserlichen. Aber er hatte Prinzipien und ist ihnen treu geblieben in Zeiten, in denen es vielen nicht gelang. Dafür hat er meinen tiefen Respekt."
"Ich lernte ihn bei den Friedensverhandlungen auf Burg Feargardh kennen. Ich hatte auch das Vergnügen, in einem Übungskampf mit ihm die Klinge zu kreuzen und ich habe ihn als einen durchaus würdigen Gegner kennen gelernt. Und ja, er hatte Prinzipien und auch ich zolle ihm dafür tiefen Respekt. " Sie sah Aldron in die Augen als sie weiter sprach "Ich hörte, er ist posthum von den Anschuldigungen des Hochverrats frei gesprochen wurden?"
Der Firunslichter nickte und verfrachtete seinen leeren Becher auf das Tablett eines vorbeieilenden Dienstboten. "In der Tat. Er hatte einige Fürsprecher auf dem Reichstag von Weissenfels. Ihre kaiserliche Majestät selbst hat seinen Ruf wieder hergestellt schließlich. Zu Recht, wie ich finde."
"Es freut mich sehr das zu hören. Und ja, auch wenn er um sein Ziel zu erreichen vielleicht nicht die besten Mittel wählte, so werde ich ihm das, was er in seinen letzten Stunden auf Dere tat, nie vergessen." Ihr Herz verkrampfte sich bei den Erinnerungen an diesen Abend ihr Blick wirkte für einen Moment abwesend, so als wäre sie in Gedanken an einem fernen Ort.
Aldron nahm die Regung der Albernierin zur Kenntnis und quittierte sie mit einem kurzen Zucken der Brauen, doch beließ er es dabei und drang nicht in sie, sondern wartete, bis sie wieder zurückkehrte. Es dauerte nicht lange da fasste sich die Baroness wieder und sah Aldron an "Leider, oder vielleicht sollte ich sagen zum Glück, war ich nicht dabei als er fiel."
"Dazu gibt es verschiedene Versionen hier am Darpat."
Interessiert schaute sie ihn an und fragte "Darf ich fragen, was für welche?"
Missbilligend schüttelte Aldron den Kopf. "Das übliche Gerede der Leute. Manche stilisieren ihn zum intriganten Opportunisten, der seinen gerechten Lohn durch aufrechte Recken erhielt, andere sprechen von einem Märtyrertod für die gute Sache. Die Antwort wird schlicht sein, dass er tat, was er für seine Pflicht hielt. Er war Offizier."
"Nachdem wie ich ihn kennen gelernt habe, schließe ich mich Eurer Meinung an" und fügte ernst hinzu "er brachte durch seinen Tod ein großes Opfer, doch war es keineswegs Märtyrertum das ihn dazu bewegte."
Aldron schwieg einen Augenblick und nickte dann um sich abschließend zu räuspern. "Ich schlage vor, wir behalten sein Andenken in Ehren, wechseln jedoch das Thema, um nicht als Boronsjünger zu gelten."
Auch Lyn nickte ihm zu. "Ja, das sollten wir vielleicht." Dann hob sie ihren Becher "Auf die, die an Rondras Tafel auf uns warten."
Aldron antwortete mit einem „Auf eben diese.“ und nickte Lyn zu. Diese hielt seinen Blick einen Moment, als sie aus den Augenwinkeln ihren Sohn auf sie zu rennen sah. „Verzeiht“ entschuldigt sie sich bei Aldron, als Caihyn schon fast bei ihr angekommen ist. Ein etwa fünf Götterläufe zählender Junge der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten scheint, aber mit breitem, albernischem Akzent ruft: „Mama, Mama, komm, ich muss Dir was zeigen.“ Erneut wendet sie sich an Aldron und zuckt entschuldigend mit den Schultern „Es war mir eine Freude Euch kennen zu lernen, doch befürchte ich, dass wir unser Gespräch ein andern Mal fortsetzen müssen.“ Aldron zuckt leicht amüsiert mit der Augenbraue als er den albernischen Akzent hört. „Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite, das wohl“ entgegnet er, während er sie mit einer leichten Handbewegung ihrem Sohn überlässt.
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