Geschichten:Augenblicke - Zukunft
Finsterwald in Hexenhain, TSA 1034 BF
„Warum aber sollte ich?“, antwortete der Junker.
„Kleine Kinder sehen alle gleich aus.“
„Dieses nicht, hoher Herr. Dieses ist Euer Kind, und es ist anders als andere Kinder.“ Trudiane war nicht bereit, sich fortschicken zu lassen: Ohne zu fragen trat sie vor und öffnete das Bündel so, dass Rodrik das Neugeborene sehen konnte.
Rodrik stockte für einen Moment der Atem. Seine Tochter war wirklich anders. Sie war klein für ein Neugeborenes, zumindest glaubte Rodrik das. Sie hatte zwei verschiedene Augenfarben. Das eine Auge war in dem gleichen dunklen Ton, den seine Augen hatten, das andere Auge aber war so blaugrau wie Trudianes Augen. Aber das war nicht das Besondere an diesen Augen. Diese Augen sahen wissend aus. Die Augen fixierten Rodrik. Das Neugeborene wusste, dass er sein Vater war, und streckte die Hände nach ihm aus. Für einen Moment war Rodrik wie verzaubert. Das Mädchen hatte ihn in seinen Bann geschlagen. Dann schüttelte er sich, wandte den Blick von seiner Tochter ab und fand seine Fassung wieder: „Okay. Ich habe Sie gesehen. Ihr könnt jetzt gehen.“
Trudianes Augen weiteten sich: „Einen halben Tagesmarsch mit einem kleinen Kind bei der Kälte und dem Regen?“
„Sofort!“
Die Augen des Bauernmädchens füllten sich mit Tränen, aber sie behielt Ihre Fassung. Sie verdeckte das Mädchen mit den Stoffbündeln, drehte sich um und öffnete die Tür. Ludolf war bereits im Begriff, die Tür hinter ihr zu schließen, als Rodrik innehielt: „Wartet. Ludolf, weckt die Magd. Sorgt dafür, dass die beiden heute Abend ein warmes Bett und zu Essen haben. Eine Nacht. Nur eine Nacht. Wenn der Regen nachgelassen hat, seid ihr verschwunden.“
Ludolf schloss die Tür zum Arbeitszimmer und sah das Lächeln in den Augen der Bauerntochter. Dann machte er sich auf, die Magd zu wecken.